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Diskussion:Ben Helfgott

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tachles, 20. Juni 2023:

Sir Benjamin Helfgott verstorben

Der Holocaust-Überlebende, Aktivist, Athlet und Unternehmer wurde 93 Jahre alt.

Am Freitag ist in London Sir Benjamin Helfgott im Alter von 93 Jahren verstorben. Der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis würdigte ihn als «eine der inspirierendsten Persönlichkeiten, die mir je begegnet sind». Helfgott sei eine charismatische und leidenschaftliche Führungspersönlichkeit gewesen und habe Werte wie Mitgefühl, Verständnis, Liebe und friedliche Koexistenz gefördert.

Helfgott ist in Piotrkow in der Region Lodz aufgewachsen. Die Familie wurde von den Deutschen nach dem Überfall auf Polen im September 1939 in das dort eingerichtete Ghetto eingewiesen. Ende 1942 löste die SS das Ghetto auf und ermordete Bewohner in einem nahen Wald. Darunter waren Helfgotts Mutter und seine jüngste Schwester Luisa. Er selbst wurde als Arbeitskraft ausgebeutet und überlebte am Ende des Krieges auch einen Todesmarsch nach Theresienstadt. Dort erzählten ihm Mitgefangene vom Tod seines Vaters auf einem anderen Zwangsmarsch in das Lager.

Nach Kriegsende entkamen Helfgott und ein jüngerer Vetter der Ermordung durch polnische Offiziere. Dann erfuhr er vom Überleben der Schwester Mala, die nach Schweden und 1947 weiter nach England gelangen konnte. Helfgott selbst kam bereits 1945 dort an: Damals hatte London dem Drängen von Leonard Montefiori nachgegeben und die Einreise von 1 000 jüdischen Waisenkindern im Alter von bis zu 16 Jahren ermöglicht. Letztlich kamen so 732 junge Überlebende in das Vereinigte Königreich, darunter auch Helfgott. Die Gruppe ging trotz der Teilnahme von Mädchen als «The Boys» in die Geschichte ein. Die Hälfte siedelte sich dauerhaft in Grossbritannien an. Ihre Geschichte wurde von dem Historiker Martin Gilbert und 2020 der TV-Dokumentation «Die Kinder von Windermere» verewigt.

Der 1,65 Meter grosse Helfgott wurde bei dem als Anlaufstelle für die Überlebenden gegründeten «Primrose Club» als Gewichtheber aktiv und holte 1950 bei der ersten Makkabiade nach dem Holocaust in Israel, sowie 1953 und 1957 den Titel im Leichtgewicht. 1954 gewann er den britischen Meistertitel im Federgewicht; 1955, 1956 und 1958 den im Leichtgewicht. Helfgott ist siebenfacher britischer Landesmeister. Er trug während der Olympischen Spiele 1956 und 1960 als Mannschaftskapitän die Flagge der britischen Auswahl.

Die «Boys» gründeten später die «’45 Aid Society» zur gegenseitigen Unterstützung und andere, wohltätige Zwecke auch in Israel. Helfgott trug dazu wesentlich bei und war auch unternehmerisch in der Textilindustrie erfolgreich. Besonders lag ihm die Suche nach christlichen Polen am Herzen, die untergetauchten Juden im Krieg beigestanden hatten. Er war zudem bei der Jewish Claims Conference engagiert und hat bei einer kurzen Begegnung in Berlin auch den Verfasser dieser Zeilen als freundlicher und nachdenklicher Mann beeindruckt, der die Bemühungen jüngerer Deutscher beim Andenken an den Holocaust und die Unterstützung von Überlebenden zu schätzen wusste (Link).

Vor wenigen Monaten hat Helfgott an einem Gedenk-Event in München für die Opfer des palästinensischen Terror-Anschlag auf israelische Sportler bei der Olympiade 1972 teilgenommen. Er war mit Angehörigen des israelischen Teams befreundet gewesen ist und hatte mit diesen den Abend vor dem Attentat verbracht.

Andreas Mink