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Corpus Hermeticum

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Das Corpus Hermeticum ist eine Sammlung von griechischen Traktaten in Brief-, Dialog- und Predigtform über die Entstehung der Welt, die Gestalt des Kosmos sowie menschliche und göttliche Weisheit. Als Verfasser galt schon in der Antike Hermes Trismegistos, dem eine Vielzahl von religiösen, astrologischen und magischen Schriften zugeschrieben wurde, obwohl es sich ursprünglich um eine Götterbezeichnung handelte. Das Corpus Hermeticum gilt als wichtigste Quelle der hermetischen Geheimlehren. Direkte Einflüsse auf die christliche Gnosis des 3. und 4. Jahrhunderts sind nachweisbar. Die Traktate beinhalten Einflüsse der ägyptischen und orphischen Mysterien, neuplatonische Gedanken von Reinkarnation, Ekstase, Reinigung, Opfer und mystischer Vereinigung mit Gott.

Entstehung

Das Corpus Hermeticum entstand zwischen 100 und 300, die Autoren dürften Griechen gewesen sein, die populäres philosophisches Gedankengut der Epoche verarbeiteten, „eine Mixtur aus Platonismus und Stoizismus, kombiniert mit jüdischen und möglicherweise einigen persischen Elementen“.[1] Umstritten ist, ob die eingeflochtenen Elemente ägyptischer Mysterien auf die Beteiligung ägyptischer Neuplatoniker hinweisen, oder ob es sich um reine Fiktion handelt, die auf die zeittypische Begeisterung für orientalische Kulte abzielte.

Rezeption

Hermes Trismegistos galt von der Spätantike bis zur Frühen Neuzeit als Verfasser einer Reihe von philosophischen, astrologischen, magischen und alchemistischen Schriften, die aufgrund seiner Gleichsetzung mit Thot als Zeugnisse uralten Wissens geschätzt wurden, das zumindest auf die Zeit des Moses zu datieren sei.

Im Mittelalter war das Corpus Hermeticum außer durch Lactantius (Div. inst. I, 6, 1–5; De ira Dei XI) vor allem durch die Kirchenväter Augustinus (De civ. Dei VIII, 23–26) und Clemens von Alexandria (Stromata VI, 4, 35–38) in Auszügen bekannt. Der vollständige Text wurde allerdings erst zugänglich, als gegen 1460 ein Mönch im Dienst des Cosimo de’ Medici ein griechisches Manuskript nach Florenz brachte (Biblioteca Medicea Laurenziana, Codex Laurentianus LXXI 33 (A)). Mit der Übersetzung wurde Marsilio Ficino im Jahr 1463 beauftragt, sie wurde im Folgejahr fertiggestellt und 1471 erstmals als Pimander (eigentlich der Titel des ersten Traktats) gedruckt. In seiner Vorrede an den Auftraggeber Cosimo de Medici fasst Ficino die antiken und patristischen Quellen zu Hermes zusammen und konstruiert eine Tradition ursprünglicher und ungeteilter Weisheit, die auch bereits wesentliche Elemente des Christentums eingeschlossen habe und erst später verdunkelt und in verschiedene Disziplinen zersplittert worden sei. Insofern war Ficinos Werk mit seinen medizinischen, magischen und theologischen Schriften ein Versuch, die alte Einheit wiederherzustellen:

„Dieser [Hermes] stand nämlich in Scharfsinn und Gelehrsamkeit allen Philosophen voran. Als Priester hat er zudem die Grundlagen für ein heiligmäßiges Leben gelegt und übertraf in der Verehrung des Göttlichen sämtliche Priester. Schließlich übernahm er die Königswürde und verdunkelte durch seine Gesetzgebung und Taten den Ruhm der größten Könige. Daher wurde er zurecht der dreimal Größte genannt. Als erster unter den Philosophen wandte er sich von Naturkunde und Mathematik der Erkenntnis des Göttlichen zu. Als Erster diskutierte er voller Weisheit über die Herrlichkeit Gottes, die Ordnung der Dämonen und die Wandlungen der Seele. Daher nennt man ihn den ersten Theologen. Ihm folgte Orpheus, der in der ursprünglichen Theologie den zweiten Platz einnimmt. In die Mysterien des Orpheus wurde Aglaophemus eingeweiht. Aglaophemus folgte in der Theologie Pythagoras nach, diesem wiederum Philolaos, der Lehrer unseres göttlichen Platon. Daher gibt es eine in sich stimmige Lehre der ursprünglichen Theologie, die in wundersamer Ordnung aus diesen sechs Theologen erwachsen ist, ausgehend von Merkur und durch den göttlichen Platon vollendet.“

– Ficino 1493, fol. a verso
Deckblatt der niederländischen Übersetzung des Corpus Hermeticum von Abraham Willemsz van Beyerland, 1643

Dieser Auffassung, wie sie für den Renaissance-Neuplatonismus und die Hermetiker des 15. bis 17. Jahrhunderts charakteristisch ist, wurde durch die Exercitationes von Isaac Casaubon im Jahr 1614 der Boden entzogen. Casaubon kam aus textkritischen Erwägungen zu dem Schluss, dass es sich bei diesen Texten um hellenistische Traktate handeln müsse, die kaum vor dem 2. Jahrhundert geschrieben worden sein konnten. Stil und Wortwahl lassen nach Casaubon keine Datierung auf die Zeit des Moses zu, sondern weisen auf hellenistische Verfasser hin. Darüber hinaus identifiziert er Zitate und Anspielungen aus griechischer und christlicher Literatur, die eine Entstehung vor dem 2. Jahrhundert ausschließen. Sein Urteil (das noch einmal zeigt, wie prägend die fast dreizehn Jahrhunderte währende christliche Sicht auf das Corpus Hermeticum ist) lautet schließlich: das Corpus Hermeticum hat nichts mit ägyptischen Altertümern zu tun, sondern ist eine christliche Fälschung, die der Heidenmission dienen sollte.[2] Es dauerte aber noch über ein Jahrhundert, bis die herkömmliche Ansicht über die angebliche altägyptische Weisheitslehre allgemein aufgegeben wurde.

Textausgaben und Übersetzungen

  • Maria Magdalena Miller: Die Traktate des Corpus Hermeticum. Novalis Media, Schaffhausen 2004. ISBN 3-907260-29-5 (Deutsche Übersetzung der Traktate I bis XVII und des Asklepius)
  • Folker Siegert (Hrsg.), Karl-Gottfried Eckart (Übers.): Das Corpus Hermeticum einschließlich der Fragmente des Stobaeus. LIT, Münster 1999. ISBN 3-8258-4199-5 (Deutsche Übersetzung)
  • Jens Holzhausen (Übersetzung und Kommentar), Carsten Colpe (Einleitungen): Das Corpus Hermeticum. Übersetzung, Darstellung und Kommentierung. 3 Bde. (2 erschienen) Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1997ff. (Deutsche Übersetzung des griechischen Textes von A. D. Nock in der Budé-Ausgabe Festugières)
    • Teil 1: Die griechischen Traktate und der lateinische „Asclepius“. Stuttgart 1997. ISBN 3-7728-1530-8
    • Teil 2: Exzerpte, Nag-Hammadi-Texte, Testimonien. Stuttgart 1997. ISBN 3-7728-1531-6
    • Teil 3: Forschungsgeschichte und fortlaufender Kommentar. Mit einem Beitrag zum Hermetismus des 16. bis 18. Jahrhunderts von Wilhelm Kühlmann. (In Vorbereitung)
  • Brian B. Copenhaver: Hermetica. The Greek Corpus Hermeticum and the Latin Asclepius in a new English translation, with notes and introduction. Cambridge University Press, Cambridge 1992, 1996 (3. Aufl.) ISBN 0-521-36144-3. (Enthält eine umfangreiche Bibliographie zur hermetischen Literatur)
  • Arthur Darby Nock (Hrsg.), André-Jean Festugière (Übers.): Hermès trismégiste. 4 Bde. Collection Budé. Les Belles Lettres, Paris 1945ff. (Griechischer und lateinischer Text mit französischer Übersetzung, Standard Textausgabe)
  • Emma Jeannette Edelstein, Ludwig Edelstein: Asclepius. A collection and interpretation of the testimonies. Johns Hopkins Press, Baltimore 1945, 1998. ISBN 0-8018-5769-4 (englische Ausg.)
  • Walter Scott, Band 4: Alexander Stewart Ferguson (Hrsg.): Hermetica. 4 Bde. Clarendon Press, Oxford 1924–1936. (Griechischer und lateinischer Originaltext mit englischer Übersetzung und ausführlichem Kommentar)
  • George Robert Stow Mead: Thrice-Greatest Hermes. Studies in Hellenistic Theosophy and Gnosis. 3 Bde. Theosophical Publishing Society, London/Benares 1906, S. Weiser, York Beach 1992 (Neuausgabe in einem Band). ISBN 0-87728-751-1 (Englische Übersetzung mit ausführlichem Kommentar, informativ mit theosophischem Hintergrund des Verfassers)
  • H. L. Fleischer: Hermes Trismegistus An die menschliche Seele. Arabisch und Deutsch. Brockhaus, Leipzig 1870.
  • Louis Ménard: Hermès Trismégiste. Traduction complète précédé d'une étude sur l'origine des livres hermétiques. Didier, Paris 1866. (Französische Übersetzung)
  • Dieterich Tiedemann: Hermes Trismegistos. Pömander oder von der göttlichen Macht und Weisheit. Nicolai, Berlin/Stettin 1781, Ergebnisse, Hamburg 1990 (Neuausgabe). ISBN 3-87916-000-7 (Deutsche Übersetzung mit Anmerkungen und Textverbesserungen)
  • Alethophilo: Hermes Trsmegisti Erkaentnuß der Natur und des darin sich offenbahrenden Grossen Gottes. Hamburg 1706. (Erste deutsche Übersetzung)
  • John Everard: The divine Pymander in XVII books. London 1650. (Erste englische Übersetzung)
  • Franciscus Flussas Candalle (d. i. Francois Foix de Candalle):
    • Mercurii Trismegisti Pimander. Unter Mithilfe Scaligers verbesserter griechischer Text mit lateinischer Übersetzung. Bordeaux 1574.
    • Le Pimandre de Mercure Trismegiste de la Philosophie Chrestienne. Bordeaux 1579. (Erste französische Übersetzung)
  • Marsilio Ficino: Hermetis Trismegisti Poimandres sive Liber de potestate et sapientia Dei … Treviso 1463 (Erste lateinische Übersetzung)

Literatur

Übersichtsdarstellungen

Untersuchungen

  • Josef Kroll: Die Lehren des Hermes Trismegistos. Aschendorff, Münster 1914 (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, XII, 2–4) (veraltet, größtenteils überholter Forschungsstand)
  • Martin Mulsow: Das Ende des Hermetismus. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 2002, ISBN 3-16-147778-2
  • Frances A. Yates: Giordano Bruno and the Hermetic Tradition. London/New York 1964, London/Chicago 1991, ISBN 0-226-95007-7

Weblinks

 Wikisource: Corpus Hermeticum – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. F. Yates: Giordano Bruno and the hermetic tradition, S. 3.
  2. Isaac Casaubon: De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes XVI. Ad Cardinalis Baronii Prolegomena in Annales. London: Billius 1614, S. 70–87. Ausg. Frankfurt: Bring 1615, S. 51–65.
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