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Textus receptus

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Titelseite der Ausgabe des Neuen Testaments von Erasmus (1516)

Textus receptus (lat. für der überlieferte Text), abgekürzt TR, nennt man jene Textform des griechischen Neuen Testaments, die in den weit verbreiteten Druckausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts zu finden ist und sich in der Folge im Westen für lange Zeit durchgesetzt hat.

Bezeichnung

Der Begriff Textus receptus wurde geprägt durch das Vorwort einer Ausgabe des griechischen Neuen Testaments von 1633 durch Bonaventura Elzevir und seinen Neffen Abraham Elzevir, Drucker aus Leiden. Sie schrieben

„textum ergo habes, nunc ab omnibus receptum, in quo nihil immutatum aut corruptum“

was übersetzt bedeutet: „du erhältst also den Text, der nun von allen empfangen/übernommen wurde, in dem nichts verändert oder verfälscht ist“. Die zwei Wörter textum und receptum wurden später in der Phrase textus receptus zusammengezogen, womit der zugrundeliegende Text als allgemein akzeptierte und damit verbindliche Textfassung des Neuen Testaments ausgegeben wurde.[1] Hermann von Soden nennt diese Formulierung in seiner 4 Bändigen Textausgabe abschätzig eine Buchhändlerreklame.[2]

Entstehung

Datei:Textus receptus.jpg
Moderner Nachdruck des Textus receptus

Die Texttradition dieses Textus receptus beginnt mit der ersten Druckausgabe des griechischen Neuen Testaments, die Erasmus von Rotterdam 1516 unter dem Titel Novum Instrumentum omne vorlegte. Erasmus standen dazu sieben griechische Handschriften des Neuen Testaments zur Verfügung, die der Tradition des Mehrheitstextes zuzurechnen sind und aus dem 11. bis 15. Jahrhundert stammen. Aus diesen Handschriften gewann Erasmus unter Zuhilfenahme der Vulgata und von Bibelzitaten bei den Kirchenvätern seinen Text, den er an einigen Stellen selbst ergänzte, wo die Handschriften Lücken aufwiesen. Er wurde damit zum ersten Textkritiker des Neuen Testaments. Die Ausgabe wurde innerhalb von nur 5 Monaten vorbereitet und enthielt wegen des Zeitdrucks relativ viele Fehler. Eine zweite, korrigierte Auflage erschien 1519. Diese bildete auch die Textgrundlage für Martin Luthers deutsche Übersetzung. Drei weitere Auflagen mit Textänderungen erschienen 1522, 1527 und 1535.

Schon lange vor der Erstausgabe des Erasmus wurde in Spanien unter Leitung des Kardinals Jiménez eine mehrsprachige Ausgabe der Bibel und damit auch des Neuen Testaments vorbereitet, die Complutensische Polyglotte, die jedoch erst 1520 erscheinen konnte.

Auf Grundlage dieser beiden Editionen gab Robert Estienne (genannt Stephanus) 1546 eine Ausgabe heraus, deren dritte Auflage 1550 erschien und unter dem Namen Editio Regia bekannt ist. Mit der vierten Auflage wurde von Estienne auch die bis heute angewandte Verszählung für das Neue Testament eingeführt. Estienne lehnte sich vor allem an die fünfte Auflage der Erasmus-Ausgabe an.

Der reformierte Theologe Theodor Beza veröffentlichte zwischen 1565 und 1611 (hier posthum) weitere zehn Ausgaben des griechischen Neuen Testaments, die vor allem auf der vierten Auflage der Ausgabe Estiennes beruhte, aber auch einige Änderungen enthielt, die teilweise weder durch die früheren Ausgaben, noch durch Handschriften belegt waren.

Auf diesen Text Bezas (aus der ersten und fünften Auflage) bauten die Drucker Elzevir ihre Ausgabe auf, die in der zweiten Auflage von 1633 dem Textus receptus seinen Namen gegeben hat. Insgesamt erschienen bis 1678 sieben Auflagen aus dem Haus Elzevir. Diese Editionen werden als Ausgaben des Textus Receptus angesehen,[3] weil sie im Wesentlichen auf die Arbeit Erasmus' zurückgehen und recht einheitlich sind, obwohl sie sich in kleineren Details jeweils unterscheiden.


Die letzten bedeutenden kritischen Ausgaben des Textus Recptus stammen von Frederick Henry Ambrose Scrivener gegen Ende des 19. Jahrhundertert, der als Haupttext den Text der Edito Regia wählte und in den Apparat die Lesarten von anderen wichtigen Ausgaben setzte.[4]

Die privilegierte Württembergische Bibelgesellschaft wechselte von Ausgaben des Textus receptus an der Wende zum 20. Jahrhundert zu der ersten Ausgabe von Eberhard Nestle. Sie erschien 1898.[5] Die Britische und Ausländische Bibelgesellschaft wechselte 1904 zum Text der dritten Auflage Nestles und machte sie zudem zur Textgrundlage für ihre Bibelübersetzungen in andere Sprachen.[6] Der Textus receptus war damit auch in den preiswerten Handausgaben für den allgemeinen Gebrauch abgelöst.

Textgeschichtliche Einordnung und Kritik

In der komplizierten Textgeschichte des Neuen Testaments unterscheidet man verschiedene Textfamilien. Erasmus hat seiner Erstausgabe sieben mehr oder minder zufällige Manuskripte des so genannten Mehrheitstextes oder byzantinischen Reichstextes zu Grunde gelegt. Davon enthielt eines das gesamte Neue Testament ohne die Offenbarung, zwei ausschließlich die Evangelien, zwei die Paulusbriefe, eines die Apostelgeschichte und Briefe. Die Offenbarung lag ihm sogar nur in einer nicht ganz vollständigen Handschrift vor, so dass Erasmus die fehlenden Teile aus dem Lateinischen ins Griechische übersetzte und dabei eine Textversion schuf, die in keiner Handschrift bezeugt ist. Alle Handschriften waren von nicht besonders hoher textgeschichtlicher Qualität. Für die späteren Ausgaben des Textus receptus wurden weitere und bessere Handschriften aus der Tradition des Mehrheitstextes herangezogen.

Der byzantinische Text wird zwar von der Mehrheit der erhaltenen Handschriften überliefert, ist aber, wie die wissenschaftliche Textkritik heute annimmt, eine vergleichsweise späte Entwicklung, die sich im Lauf der Textüberlieferung vom Urtext recht weit entfernt haben könnte.

Im 18. Jahrhundert wurde die Genauigkeit des Textus receptus in Frage gestellt: Ausgaben des griechischen Neuen Testaments wurden zunehmend mit einem textkritischen Apparat versehen, der abweichende Lesarten aus anderen Handschriften und Übersetzungen verzeichnete, zum Teil mit Angabe, sie seien vermutlich ursprünglicher als die Lesart des Textus receptus. Im 19. Jahrhundert wurden weitere Handschriften entdeckt, entziffert und in ihrer Wichtigkeit für die Textüberlieferung erkannt. Etwa ab dem Erscheinen der Editio octava critica maior von Konstantin von Tischendorf von 1869 bis 1872 und dem New Testament in the Original Greek von Westcott/Hort 1881 galt der Textus receptus in der wissenschaftlichen Textkritik nicht mehr als maßgeblich, auch wenn man an den textkritischen Leitprinzipien insbesondere von Westcott/Hort durchaus berechtigte Kritik üben kann.

Bibelübersetzungen aus der Reformationszeit wie die ursprüngliche Lutherbibel oder die englische King-James-Bibel legen den Textus receptus zu Grunde, während sich heutige Übersetzungen in der Regel auf die neueren textkritischen Ausgaben des griechischen Neuen Testaments stützen, vor allem auf das Novum Testamentum Graece und das im Text mit diesem identische Greek New Testament. Ausnahmen sind die Schlachter-Bibel in der Version 2000, die nicht von der Deutschen Bibelgesellschaft vertriebene Luther-Revision von 1998 (Neues Testament) und das von Herbert Jantzen übersetzte Neue Testament von 2007, die den Textus receptus als Grundlage benutzen.

In einer gemeinsamen Richtlinie zwischen dem Vatikan und den United Bible Societies haben die beteiligten Bibelgesellschaften und die Römisch-katholische Kirche vereinbart, bei gemeinsamen überkonfessionellen Übersetzungen des Neuen Testaments grundsätzlich nicht mehr den Textus Receptus, sondern kritische wissenschaftliche Ausgaben, insbesondere das Novum Testamentum Graece von Nestle-Aland bzw. das Greek New Testament zu verwenden. Die Vereinbarung unter dem Titel Guiding Principles for Interconfessional Cooperation in Translating the Bible stammt ursprünglich aus dem Jahr 1968 und wurde 1987 erneuert.[7]

Kirchliche Verwendung

Einzelne Anhänger des Textus receptus, die diese Textform als die von Gott inspirierte ansehen, gibt es heute vor allem in freikirchlichen und evangelikalen Kreisen. Auch die Griechisch-Orthodoxe Kirche, in deren Gottesdiensten bis heute die altgriechische Originalsprache üblich ist, verwendet als ihren Bibeltext weiterhin einen Text, der Erasmus’ Textus receptus ähnlich, allerdings nicht genau gleich ist. Er beruht auf einer größeren Zahl von Manuskripten des byzantinischen Reichstextes, als sie Erasmus zur Verfügung standen. Dies wird damit begründet, dass der Heilige Geist nicht nur speziell die ursprünglichen Autoren, sondern vielmehr die gesamte kirchliche Überlieferung inspiriert habe; auch wenn man die Rekonstruktion der Originaltexte als möglich annehme, seien diese daher nicht prinzipiell besser als der kirchlich überlieferte Text.

Einzelnachweise

  1. Bruce M. Metzger, Bart D. Ehrman, "The Text Of The New Testament: Its Transmission, Corruption and Restoration", Oxford University Press, 2005, S. 152
  2. Hermann von Soden: Die Schriften des Neuen Testaments in ihrer ältesten erreichbaren Textgestalt, Bd. 1,1 S. 2.
  3. Bruce M. Metzger, Bart D. Ehrman, "The Text Of The New Testament: Its Transmission, Corruption and Restoration", Oxford University Press, 2005, p. 152.
  4. Novum Testamentum : Textus Stephanici A.D. 1550 : accedunt variae lectiones editionum Bezae, Elzeviri, Lachmanni, Tischendorfii, Tregellesii, Westcott-Hort, Versionis Anglicanae Emendatorum, Cambridge und London 1887
  5. Eberhard Nestle: Novum Testamentum Graece, cum apparatu critico ex editionibus et libris manu scriptis collecto, Privillegierte Württembergische Bibelgesellschaft, Stuttgart 1899
  6. Ή ΚΑΙΝΗ ΔΙΑΘΗΚΗ. Text with critical appararatus, British and Foreign Bible Society, London 1904.
  7. Wortlaut der „Guiding Principles“ vom 16. November 1987 (Englisch)

Literatur

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Textus receptus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.