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Reinheitsgebot

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Als Reinheitsgebot wird seit dem 20. Jahrhundert die Vorstellung bezeichnet, dass Bier nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser enthalten soll. Dabei wird auf einzelne Textpassagen verschiedener – zum Teil jahrhundertealter – gesetzlicher Regelungen Bezug genommen, insbesondere die Bayerische Landesordnung von 1516 sowie das deutsche Biersteuergesetz von 1923.

Geschichte

Die erste Erwähnung der Bezeichnung „Reinheitsgebot“ ist in einem Sitzungsprotokoll des bayrischen Landtags vom 4. März 1918 belegt. Die Bezeichnung setzte sich jedoch erst allmählich durch, außerhalb Bayerns erst während des Streits um das sogenannte „Süßbier“ in den 1950er-Jahren. Sowohl bayrische als auch außerbayrische Zeitungen berichteten häufig sehr emotional über eine Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen aufgrund steigender Importe zuckerhaltiger Biere aus anderen Bundesländern nach Bayern. In Bayern war der Zusatz von Zucker bei der Herstellung von Bier nicht zugelassen. Unter Berufung auf ein „bayrisches Reinheitsgebot“ erreichte schließlich der bayrische Brauerbund in Zusammenarbeit mit der bayrischen Staatsregierung, dass zuckerhaltiges Bier nicht mehr unter der Bezeichnung Bier nach Bayern importiert werden durfte.[1] Allerdings erlaubt das für Deutschland nach wie vor gültige Bier-Definitionsgesetz ausdrücklich „die Verwendung von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder Invertzucker sowie von Stärkezucker“ bei obergärigem Bier.[2]

Zunächst wurde noch ausschließlich von einem „bayrischen“ Reinheitsgebot gesprochen. Dies änderte sich mit Bestrebungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in den 1960er-Jahren zur Harmonisierung des Rechts zur Bierherstellung. Der deutsche Brauer-Bund wehrte sich gemeinsam mit Vertretern der deutschen Regierung gegen eine Importerlaubnis für Biere aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter Berufung auf ein „deutsches“ Reinheitsgebot. Vor allem in den 1980er-Jahren wurde dieses deutsche Reinheitsgebot durch ein umfangreiches Aktionsprogramm der Brauwirtschaft und die mediale Berichterstattung beworben und ausländische Biere als „Chemiebier“ gebrandmarkt.[3] In etwa zeitgleich mit dieser Kampagne begannen auch viele deutsche Großbrauereien, Bier mit Hilfe von Polyvinylpolypyrrolidon zu schönen, was mit dem Zusatz „technisch unvermeidbare Anteile“ in der Biergesetzgebung legalisiert wurde.[2] Seit 1995 findet jährlich am 23. April ein sogenannter Tag des Deutschen Bieres statt, mit dem die deutsche Brauwirtschaft an das Reinheitsgebot erinnern möchte. Dieses Datum wurde gewählt, da am 23. April 1516 für das Herzogtum Bayern eine neue Landesordnung erlassen wurde, die eine Textpassage enthält, auf die sich zumeist bezogen wird, wenn von einem Reinheitsgebot die Rede ist. Inzwischen wird jedoch auch häufig auf andere historische Verordnungen Bezug genommen, um eine lange Tradition des Reinheitsgebots zu betonen. Dabei werden zum Teil auch weitere Wortverbindungen verwendet wie „Münchner Reinheitsgebot“ oder „Weißenseer Reinheitsgebot“.

Brauordnungen

Kronkorkenaufdruck „500 Jahre Münchner Reinheitsgebot (seit 1487)“
Erinnerung an den Erlass von Herzog Albrecht IV. am 30. November 1487; Viktualienmarkt in München

Brauordnungen waren im Mittelalter weit verbreitet und wurden von Stadträten, Zünften oder Landesherren erlassen. Viele sind heute nicht mehr erhalten, so dass folgende Aufzählung nur exemplarischen Charakter hat.

Vorläufer der heute als Reinheitsgebot bezeichneten Verordnungen waren die Grutrechte, die zur Herstellung von Grutbier berechtigten und den Inhabern dieser Rechte eine monopolistische Stellung sicherten. Hopfen war damals zur Herstellung von Bier noch unbekannt. Das erste urkundlich bekannte Braurecht wurde 974 durch Kaiser Otto II. an die Kirche zu Lüttich (heute Belgien) verliehen.[4]

Als Friedrich Barbarossa am 21. Juni 1156 der Stadt Augsburg das Stadtrecht verlieh, fand in der Rechtsverordnung auch die Bierqualität Erwähnung. So heißt es in einem Paragraphen der Justitia Civitatis Augustensi, des ältesten deutschen Stadtrechts überhaupt: „Wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes Maß gibt, soll er gestraft werden…“

Eine Verordnung der Stadt Weimar aus dem Jahr 1348 besagt unter anderem, dass kein Brauer etwas anderes als Malz und Hopfen zu seinem Bier tun soll. Dagegen war zu dieser Zeit in einigen Städten, insbesondere im Rheinland, Hopfen als Bierzusatz noch verboten.

In Nürnberg wurde 1303 aufgrund einer Hungersnot erlassen, dass zum Bierbrauen nur Gerste und kein anderes Getreide verwendet werden darf.

Im Wirtshausgesetz der Stadt Weißensee (Thüringen), der Statuta thaberna (1434) sind „mannigfaltige Gesetze“ über das „Benehmen in Wirtshäusern“ und das Brauen von Bier enthalten.[5] Die Bestandteile für das Bierbrauen wurden darin auf Wasser, Malz und Hopfen eingeschränkt.[6]

1363 wurde in München 12 Stadträten die Bieraufsicht übertragen, und 1447 wurde vom Stadtrat verordnet, dass die Brauer der Stadt allein Gerste, Hopfen und Wasser zur Bierherstellung verwenden dürfen, also diese selben Inhaltsstoffe, die später auch in der bayerischen Landesordnung von 1516 erwähnt werden. Am 30. November 1487 erließ dann Herzog Albrecht IV. eine Norm gleichen Inhalts zunächst für München, die später auf Oberbayern ausgedehnt wurde. Neben Preisfestsetzung und Festlegung der erlaubten Zutaten enthielt das Gesetz auch die Verordnung, dass das Bier beschaut werden musste. Dieser Erlass Albrechts wurde später, ab den 1980er Jahren, von den Münchner Brauereien als „Münchner Reinheitsgebot“ bezeichnet.

1493 erließ Herzog Georg der Reiche für das Herzogtum Bayern-Landshut die Vorschrift, dass die Brauer nur Malz, Hopfen und Wasser verwenden durften – „bei Vermeidung von Strafe an Leib und Gut“.

Die Bayerische Landesordnung von 1516

Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg und der Wiedervereinigung der bayerischen Teilherzogtümer mussten auch die bis dahin unterschiedlichen bayerischen Landrechte harmonisiert werden. Die neue Landesordnung wurde schließlich am 23. April 1516 durch die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt erlassen. Die Tatsache, dass in dieser neuen harmonisierten Verordnung von Gerste und nicht von Malz die Rede ist, weist darauf hin, dass die Söhne von Herzog Albrecht IV. auf das „Münchner Reinheitsgebot“ ihres Vaters und nicht auf das spätere „Landshuter Reinheitsgebot“ Bezug genommen und dieses insoweit auf ganz Bayern erweitert haben. Die darin enthaltene und heute als „Bayerisches Reinheitsgebot“ bezeichnete Textpassage regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres:

Item wir ordnen / setzen / und wöllen mit Rathe unnser Lanndtschaft / das füran allennthalben in dem Fürstenthumb Bayrn / auff dem Lande / auch in unnsern Stettn unn Märckthen / da deßhalb hieuor kain sonndere ordnung ist / von Michaelis biß auff Georij / ain mass oder kopffpiers über ainen pfenning Müncher werung / unn von sant Jorgentag / biß auff Michaelis / die mass über zwen pfenning derselben werung / und derenden der kopff ist / über drey haller / bey nachgesetzter Pene / nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Mertzn / sonder annder pier prawen / oder sonst haben würde / sol Er d och das / kains wegs höher / dann die maß umb ainen pfenning schencken / und verkauffen. Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser / genommen unn gepraucht sölle werdn. Welher aber dise unsere Ordnung wissentlich überfaren unnd nie hallten wurde / dem sol von seiner gerichtzöbrigkait / dasselbig vas Pier / zuestraff unnachläßlich / so offt es geschicht / genommen werden. jedoch wo ain Grüwirt von ainem Pierprewen in unnsern Stettn / Märckten / oder aufm lande / jezuezeitn ainen Emer piers / zwen oder drey / kauffen / und wider unnter den gemaynen Pawrsuolck ausschenken würde / dem selben allain / aber sonßt nyemandes / soldyemass / oder der kopffpiers / umb ainen haller höher dann oben gesetzt ist / ze geben / unn / außzeschencken erlaubt unnd unuerpotn.

„Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.
Wo aber einer nicht Märzen sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.
Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden.
Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.
Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, dass aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde, nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind, zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluss über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.“

Die Brauvorschriften waren eine Reaktion auf zahlreiche Klagen über schlechtes Bier. Dabei waren die obrigkeitlichen Bierpreisfestlegungen selbst ein wesentlicher Grund für Bierfälschungen. Um ihren Gewinn trotz steigender Rohstoffpreise und unterschiedlicher regionaler Bedingungen zu sichern, reagierten viele Brauer mit einer schlechteren Qualität.[7]

Ein weiterer Grund für den Erlass war die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung: Der wertvollere Weizen oder Roggen war den Bäckern vorbehalten. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer sieht einen weiteren Grund darin, den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen zum Brauen zu verwenden und andere berauschende Zutaten, etwa Sumpfporst oder Schwarzes Bilsenkraut, zu verbieten. Der Ethnopharmakologe Christian Rätsch sieht im bayerischen Reinheitsgebot auch ein frühes Drogengesetz: Es bestehe der Verdacht, dass vor allem der Gebrauch heidnischer Ritualpflanzen unterdrückt werden sollte. So sind z. B. Bilsenkraut, Sumpfporst, Tollkirschen, Schlafmohn, Muskatnuss oder Wermut als psychoaktive Bierzusätze im mittelalterlichen Deutschland belegt.[8]

Laut der Soziologin Eva Barlösius reagierte die bayerische Verordnung nicht auf gesundheitliche Bedenken, wie heute oft argumentiert würde, sondern sollte den ansässigen Brauereien Wettbewerbsvorteile verschaffen, weil im Rheinland und in Norddeutschland zu dieser Zeit noch vorwiegend Gagel und andere Grut-Kräuter dem Bier beigesetzt wurden, die in Bayern nicht wuchsen.[9]

Obwohl Hefe für den Brauprozess unabdingbar ist, finden sich hierzu keine Angaben im bayerischen Reinheitsgebot. Als Grund dafür wird häufig angenommen, dass die Existenz derartiger Mikroorganismen schlicht noch unbekannt war. Dies stimmt nur insofern, als die genaue Wirkungsweise der Hefe bei der alkoholischen Gärung unbekannt war. Hefe an sich war bekannt, Brauer gaben einfach das „Zeug“ vom letzten Gärvorgang der neu zu vergärenden Bierwürze zu. Im Münchner Bäcker- und Brauerstreit war es bereits 1481 darum gegangen, ob die Bäcker den Brauern deren bei der Gärung gebildete Überschusshefe nach altem Brauch abkaufen müssen.

Entgegen der heute weit verbreiteten Auffassung einer Kontinuität des Reinheitsgebots bestand die in der bayerischen Landesordnung von 1516 erlassene Brauvorschrift nur kurz. Bereits ein herzoglicher Erlass von 1551 erlaubte Koriander und Lorbeer als weitere Zutaten bayerischer Biere und verbot dagegen ausdrücklich die Verwendung von Bilsenkraut und Seidelbast. Die bayerische Landesverordnung von 1616 ließ zudem Salz, Wacholder und Kümmel zur Bierproduktion zu.[10]

1548 erhielt der Freiherr von Degenberg das Privileg, nördlich der Donau Weizenbier zu brauen, obwohl Weizen gemäß dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 zum Bierbrauen nicht zulässig war. Als 1602 das Geschlecht der Grafen von Degenberg ausstarb, fiel das Privileg zum Weizenbierbrauen an den Herzog Maximilian I. zurück, woraufhin dieser mehrere Weizenbierbrauhäuser errichtete (→Weizenbier#Bayerisches Weizenbier).

Auch die weitverbreitete Behauptung, das „bayerische Reinheitsgebot“ sei das älteste Lebensmittelgesetz der Welt, ist eine reine Marketingaussage der Brauereiwirtschaft ohne geschichtliche Fundierung. So enthält z. B. der Codex Hammurapi aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. umfangreiche Bestimmungen zum Lebensmittelrecht, wobei Bier eine bedeutende Rolle einnimmt.[11]

Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde das Verbot, zur Bierherstellung andere Zutaten als Gerstenmalz und Hopfen zu verwenden, wieder gesetzlich verankert, zum Beispiel im Landtagsabschied vom 10. November 1861, in der Aufhebung das Biertarifs vom 19. Mai 1865 und im Malzaufschlagsgesetz aus dem Jahr 1868.[12]

Deutsches Biersteuergesetz

Nach der Reichsgründung 1871 haben auch andere Staaten ähnliche Regelungen übernommen. Ab 1906 galt das Reinheitsgebot in abgewandelter Form im gesamten Reichsgebiet. Das Deutsche Biersteuergesetz (BierStG) vom 9. Juli 1923 in der Fassung des Jahres 1952 regelte mit seinem § 9 Abs. 1 das Reinheitsgebot für die Bundesrepublik Deutschland. Für untergäriges Bier waren Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser als Zutaten zugelassen. Für obergäriges Bier waren auch andere Malzsorten sowie definierte Zuckerarten und Farbstoffe erlaubt. Der vormalige § 10 Abs. 1 BierStG verbot das Inverkehrbringen von mit Zusatzstoffen hergestellten Bieren. Ausgenommen von diesen Regelungen waren die Haus- und Hobbybrauen‎, die Bier nur in geringen Mengen herstellen. Außerdem konnten Ausnahmen gestattet werden für die Bereitung besonderer Biere und für Biere, die zum Export bestimmt waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Bizone – mit Ausnahme von Bayern – eine Zeit lang weitere Zusatzstoffe wie Kartoffelflocken, Zuckerrübenschnitzel, Hirse oder Zucker zugelassen.[13]

Auf Grund einer Klage der EWG-Kommission 1984 entschied der Europäische Gerichtshof am 12. März 1987, dass das Verbot, ausländische Biere, die nicht nach den deutschen Regeln hergestellt wurden, in Deutschland unter der Bezeichnung „Bier“ zu verkaufen, gegen die Warenverkehrsfreiheit des EWG-Vertrages verstößt (EuGH, Rs. 178/84, Slg. 1987, 1227[14]). Die Beschränkung der Bezeichnung „Bier“ auf Produkte, die dem deutschen Reinheitsgebot entsprachen, war nicht durch zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes gerechtfertigt, weil dafür Kennzeichnungsregelungen ausreichend sind. Darüber hinaus war das absolute Verkehrsverbot für Biere mit Zusatzstoffen ungerechtfertigt, weil es unverhältnismäßig und auch nicht nach Art. 36 EWGV (ex. Art. 30 EGV, heute: Artikel 36 AEUV zwingende Gründe des Gemeinwohls) gerechtfertigt war.

Aktuelle Rechtslage

Mit der Neufassung des BierStG 1993 wurden die Regelungen des alten BierStG zur Bierherstellung und zum „Reinheitsgebot“ als sogenanntes Vorläufiges Biergesetz (VorlBierG) beibehalten und die steuerlichen Bestimmungen in das neue BierStG überführt.[2] Das Gesetz ist 2005 durch Art. 7 Nr.  1 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts aufgehoben worden. Die Vorschriften über die Bereitung von Bier sind gemäß §  1 Absatz  1 Nr.  2 des Gesetzes über den Übergang auf das neue Lebensmittel- und Futtermittelrecht weiterhin anzuwenden. Gültig ist ferner die Durchführungsverordnung zum Vorläufigen Biergesetz, welche Definitionen der Bierzutaten enthält.

Was als Bier bezeichnet werden darf, regelt die Bierverordnung (BierV) von 2005. Demnach ist die Einhaltung der im Vorläufigen Biergesetz normierten Herstellungsvorschriften maßgeblich. Besonders strenge Vorschriften gelten nur noch für die untergärige Bierherstellung in Deutschland für den deutschen Markt und für bayerische Brauereien. Hersteller von importiertem Bier sind aufgrund des nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 1987 angepassten deutschen Rechts nicht an diese Vorschriften gebunden; auch deutsche Brauereien können davon abweichen, wenn sie untergäriges Bier für den Export produzieren, oder für „besondere Biere“ eine Ausnahmegenehmigung erhalten.

Diese Ausnahmeregelung gilt nicht für bayerische Brauereien. Auch dürfen bayerische Brauereien Zucker und aus Zucker hergestellte Farbmittel nicht zur Bereitung obergärigen Bieres verwenden. Ferner unterliegen auch bayerische Hausbrauer entgegen § 9 Absatz 8 VorlBierG den Herstellungsvorschriften nach § 9 Absatz 1 und 2 VorlBierG.[15]

Nach wie vor gelten für die Bierherstellung in Deutschland und für den deutschen Markt Einschränkungen, denen Brauer in anderen Ländern nicht unterworfen sind.

Was als Bier besteuert wird, regelt das BierStG, das zur Definition von Bier auf eine europäische Verordnung (Verordnung (EWG) Nr. 2658/87) Bezug nimmt.

Literatur

  • Karin Hackel-Stehr: Das Brauwesen in Bayern vom 14. bis 16. Jahrhundert, insbesondere die Entstehung und Entwicklung des Reinheitsgebotes (1516). Inaugural-Dissertation, Berlin 1987.
  • Günther Thömmes: Das Erbe des Bierzauberers. Historischer Roman. Gmeiner Verlag, Messkirch 2009, ISBN 978-3-89977-788-8. (Roman über die Entstehung des Reinheitsgebotes)

Weblinks

Wiktionary: Reinheitsgebot – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Birgit Speckle: Streit ums Bier in Bayern: Wertvorstellungen um Reinheit, Gemeinschaft und Tradition, Band 27 von Münchener Universitätsschriften: Műnchner Beiträge zur Volkskunde, Waxmann Verlag, 2001, ISBN 3830959192, S. 9–10, 82–83
  2. 2,0 2,1 2,2 Vorläufiges Biergesetz. In: Bundesgesetzblatt 1993 Teil I Seite 1400. Online auf archiv.jura.uni-saarland.de: BGBl.-Modellprojekt Teil I und Teil II, Oktober 1990 bis Dezember 1997.
  3. Birgit Speckle: Streit ums Bier in Bayern, 2001, S. 9–10, 222.
  4. Porst. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 23, ISBN 3-11-017535-5, S. 287 ff.
  5. Weissenseer Reinheitsgebot
  6. Im Artikel 12 der „Statuta thaberna“ heißt es: „Zu dem Bier brauen soll man nicht mehr nehmen als soviel Malz, als man zu den drei Gebräuen von dreizehn Maltern an ein Viertel Gerstenmalz braucht […] Es sollen auch nicht in das Bier weder Harz noch keinerlei andere Ungeferck. Dazu soll man nichts anderes geben als Hopfen, Malz und Wasser ('hophin malcz und wasser')“
  7. Karin Hackel-Stehr: Das Brauwesen in Bayern vom 14. bis 16. Jahrhundert, insbesondere die Entstehung und Entwicklung des Reinheitsgebotes (1516). Inaugural-Dissertation, Berlin 1987, S. 2449.
  8. Stichwort Bier in der Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen: Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendung. von Christian Rätsch und Albert Hofmann, veröffentlicht von AT Verlag, 1998, ISBN 3-85502-570-3, S. 733 f.
  9. Eva Barlösius: Soziologie des Essens: eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung. Juventa Verlag, 1999, ISBN 3-7799-1464-6, S. 213.
  10. Karin Hackel-Stehr: Das Brauwesen in Bayern vom 14. bis 16. Jahrhundert, insbesondere die Entstehung und Entwicklung des Reinheitsgebotes (1516). Inaugural-Dissertation, Berlin 1987, S. 2450, 2472.
  11. Peter Eichhorn: Von Ale bis Zwickel: Das ABC des Bieres, 2011, ISBN 3941784137, S. 12–13
  12. Juristisches Gutachten für den Bayerischen Brauerbund vom 21. August 1954.
  13. Der bayerische Süßbierkrieg, Artikel über das Reinheitsgebot in Die Zeit vom 28. Dezember 1962
  14. EuGH, Rs. 178/84 vom 12. März 1987 – Reinheitsgebot für Bier
  15. Holger Gerstenberg in: Walter Zipfel, Olaf Sosnitza, Kurt-Dietrich Rathke (Hrsg.): Lebensmittelrecht. Vorläufiges Biergesetz Vorb. Rn. 9, 136. EL 2009.
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