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Pierre Drieu la Rochelle

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Pierre Drieu la Rochelle

Pierre Eugène Drieu la Rochelle (geb. 3. Januar 1893 in Paris; Suizid 16. März 1945 ebenda), auch: Drieu La Rochelle,[1] war ein französischer Schriftsteller. Vor und während des Zweiten Weltkriegs zählte er zu den führenden Intellektuellen Frankreichs. Breiteren Schichten ist er vor allem als Inbegriff des Dandys und aufgrund seiner Rolle während der Kollaboration mit den deutschen Besatzungsmächten bekannt.[2]

Leben und Werk

Drieu besuchte eine katholische Knabenschule, war jedoch bereits mit 14 überzeugter Atheist. Als Vorbild diente ihm dabei Friedrich Nietzsche.

Nachdem er in einer wichtigen Prüfung seines Jurastudiums durchgefallen war, geriet Drieu in eine Krise. In dieser Zeit meldete er sich als Soldat im Ersten Weltkrieg, in dem er sich auszeichnete und in höhere Offiziersränge aufstieg. Nach dem Krieg geriet er allerdings erneut in eine tiefe Sinnkrise. Da er den Krieg in erster Linie positiv erlebt hatte, gelangte er zu einer chauvinistischen Lebenseinstellung, die er u.a. in seinem autobiografisch inspirierten Roman Gilles (deutsch Die Unzulänglichen) darlegt.

Drieu la Rochelle arbeitete für André Gides Literaturzeitschrift Nouvelle Revue Française (NRF) und verkehrte in Kreisen des französischen Surrealismus. André Malraux, Louis Aragon oder auch Antoine de Saint-Exupéry zählten zu seinen Freunden. Von 1917-25 war er mit Colette Jéramec verheiratet. Danach hatte er zahlreiche Affären, u.a. mit Victoria Ocampo und Christiane Renault, der Ehefrau des Großindustriellen Louis Renault.

Drieus Schreibstil zeichnet sich durch eine akribische Beobachtung menschlichen Verhaltens aus. In der Zwischenkriegszeit kritisierte er in seinen Romanen das dekadente Leben der französischen Oberschicht. Er war eng mit Jacques Rigaut befreundet, dessen Suizid er in der Erzählung Das Irrlicht ein literarisches Denkmal setzte. Aufgrund ihrer eindringlichen Schilderung menschlichen Scheiterns wird diese Erzählung unter Literaturwissenschaftlern zu Drieus bedeutendsten Werken gezählt.

Kurs auf den Faschismus

Ab 1925 ging er zunehmend eigene Wege. Dabei wechselte der Antibourgeois seine politischen Vorlieben mehrfach. So gehörte er vorübergehend dem konservativen und antiparlamentarischen Redressement Français, zu Beginn der dreißiger Jahre dagegen dem linksliberalen Parti radical an. Seit etwa 1934 wurde er ein Parteigänger des französischen Faschismus. 1936 trat er dem faschistischen Parti Populaire Francais von Jacques Doriot bei. Während der deutschen Besetzung engagierte er sich für das Vichy-Regime. Drieus Faschismus ist individuell ausgeprägt. Zwar ist er Antisemit, aber er verwahrt sich gegen den Rassismus der deutschen Verehrung „germanischen Blutes“. Was er sucht, ist der Weg zu einer starken europäischen Union zwischen den Machtblöcken von New York und Moskau - zu einer Art Völkerbund der Faschisten auf dem alten Kontinent.

Er wurde zu einem Wortführer der Kollaboration mit den deutschen Nationalsozialisten. Die Nazis akzeptierten ihn, weil er den gleichen Antisemitismus und Antikommunismus vertrat. Mit dem Vertreter der Besatzungsmacht, Gerhard Heller, der nach dem Krieg fünf von Drieu la Rochelles Werken ins Deutsche übersetzte, gründete Drieu im Verlag Gallimard die im Juni 1940 eingestellte NRF im Dezember 1940 neu. Drieu war ihr Chefredakteur bis zur Einstellung der Zeitschrift mit der Julinummer 1943.

Drieu stieß auch bei der deutschen Neuen Rechten auf Interesse.[3]

Drieu: Der Faschismus ist die politische Bewegung der erneuerungswilligen europäischen Jugend, die nach 1918 schnell erkannt hat, dass das System der parlamentarischen Demokratie die Durchführung grundlegender sozialer und ökonomischer Reformen erschwert, wenn nicht gar ausschließt.
Ernst Nolte[4]: Drieu hat in sich das bunt schillernde, in ungreifbaren Übergängen schwer fassbare Wesen des französischen Faschismus vielleicht am anschaulichsten verkörpert.

In seinem 1944/45 entstandenen Récit secret (Geheimer Bericht) bekannte der von Hitlers Politik enttäuschte Drieu, der Faschismus sei ein Irrweg gewesen. Am 16. März 1945 beging La Rochelle, dem die Verhaftung durch die Siegerjustiz drohte, Selbstmord – nicht ohne zuvor dem Kommunismus den Sieg gewünscht zu haben.[5] Der Récit secret trug zu einer gewissen Rehabilitation Drieus im Frankreich der Nachkriegszeit bei.

Rezeption

Im Jahr 2012 führte es in Frankreich zu einer Diskussion, als er, allerdings nur mit einer Teilausgabe, in den „Pantheon der französischen Literatur“, die Bibliothèque de la Pléiade, aufgenommen wurde.

Schriften

  • Interrogation. 1917.
  • Mesure de la France. 1922.
  • L'Homme couvert de femmes. 1925. Deutsch: Der Frauenmann. Übersetzt von Gerhard Heller. Ullstein, Frankfurt am Main 1972.
  • Le Jeune Européen. 1927.
  • Le feu follet. 1931. Deutsch: Das Irrlicht. Übersetzt von Gerhard Heller. Propyläen, Berlin 1968.
  • La Comédie de Charleroi. 1934.
  • Socialisme fasciste. 1934.
  • Rêveuse bourgoisie. 1937. Deutsch: Verträumte Bourgeoisie. Übersetzt von Gerhard Heller. Ullstein, Frankfurt am Main 1969.
  • Gilles. 1939. Deutsch: Die Unzulänglichen. Übersetzt von Gerhard Heller. Propyläen, Berlin 1966.
  • Notes pour comprendre le siècle. 1941.
  • Im Invalidendom. In: Axel von Freytagh-Loringhoven, Joachim Moras (Hrsg.): Europäische Revue. 17. Jg. 1941, Heft 3. DVA, Stuttgart, Berlin.
  • L'Homme à cheval. 1943. Deutsch: Der bolivianischer Traum. Übersetzt von Friedrich Griese
  • Les Chiens de paille. 1944, erschienen 1964.
  • Mémoires de Dirk Raspe. 1944/1945, erschienen 1966. Deutsch: Die Memoiren des Dirk Raspe. Übersetzt von Gerhard Heller. Ullstein, Frankfurt am Main 1972.
  • Récit secret. 1944/1945, erschienen 1951. Deutsch: Geheimer Bericht.
  • Textes politiques 1919–1945. Présentation de Julien Hervier, Paris 2009.
  • Lettres d'un amour dèfunt – Correspondance 1929–1944. Pierre Drieu La Rochelle/Victoria Ocampo, Paris 2009.

Verfilmungen

  • 2011 - Oslo, 31. August (nach Le feu follet) – Regie: Joachim Trier
  • 1976 - Die Frau am Fenster (Une femme à sa fenêtre) – Regie: Pierre Granier-Deferre
  • 1963 - Das Irrlicht (Le feu follet) – Regie: Louis Malle

Literatur

  • Pierre Andreu u. Frédéric Grover: Drieu La Rochelle. Hachette, Paris 1979. ISBN 2-01-004521-1
  • Marie Balvet: Itinéraire d'un intellectuel vers le fascisme. Drieu La Rochelle. Presses Univ. de France, Paris 1984. ISBN 2-13-038467-6
  • Dominique Desanti: Drieu La Rochelle. Du dandy au nazi. Flammarion, Paris 1992. ISBN 2-08-066835-8
  • Drieu La Rochelle, écrivain et intellectuel. Actes du colloque international organisé par le Centre de recherche "Etudes sur Nimier", Sorbonne nouvelle, 9 et 10 décembre 1993, hrsg. v. Marc Dambre. Presses de la Sorbonne Nouvelle, Paris 1995. ISBN 2-87854-092-1
  • Martin Ebel: Pierre Drieu La Rochelle (1893-1945). Schäuble, Rheinfelden u.a. 1994. (= Reihe Romanistik; 60) ISBN 3-87718-770-6
  • Edoardo Fiore: Poeti armati. Drieu - Brasillach - Céline, 6 febbraio 1934 - 6 febbraio 1945. Ed. Settimo Sigillo, Rom 1999. (= Minima; 3)
  • Julien Hervier: Deux individus contre l'histoire. Pierre Drieu La Rochelle, Ernst Jünger. Klincksieck, Paris 1978. ISBN 2-252-02020-2
  • Hermann Hofer: Interpretationen literarischer Texte der Kollaboration. P. D.l. R.: "L'Homme à cheval" und "Les Chiens de paille" in: Karl Kohut (Hg.): Literatur der Résistance und Kollaboration in Frankreich, Bd. 3, Texte und Interpretationen Narr, Tübingen 1984 ISBN 3-87808-910-4 S. 156 - 162 (sowie passim in allen 3 Bänden)
  • Jacques Lecarme: Drieu La Rochelle ou le bal des maudits. Presses Univ. de France, Paris 2001. ISBN 2-13-049968-6
  • Solange Leibovici: Le sang et l'encre. Pierre Drieu La Rochelle, une psychobiographie. Rodopi, Amsterdam u.a. 1994. (= Faux titre; 88) ISBN 90-5183-703-8
  • Franziska Meier: Emanzipation als Herausforderung. Rechtsrevolutionäre Schriftsteller zwischen Bisexualität und Androgynie. Böhlau, Wien u.a. 1998. (= Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur; 46) ISBN 3-205-98877-9
  • Christiane Mimeur-Chenot: L'écriture du couple dans les romans de Drieu la Rochelle Univ. Diss., Aix-Marseille 1997.
  • Jean-Marie Pérusat: Drieu la Rochelle ou le goût du malentendu Lang, Frankfurt am Main u.a. 1977. (= Europäische Hochschulschriften; R.13; 54) ISBN 3-261-02352-X
  • Alfred Pfeil: Die französische Kriegsgeneration und der Faschismus. P. D. la R. als politischer Schriftsteller Neues Elsaß-Lothringen, Straßburg und Uni-Druck, München 1971 ISBN 3-87821-072-8 (Diss. phil. Marburg 1968)
  • Daniele Rocca: Drieu La Rochelle. Aristocrazia, eurofascismo e stalinismo Stylos, Aosta 2000 (= Mestiere di storico; 2) ISBN 88-87775-02-8
  • Frédéric Saumade: Drieu La Rochelle. L'homme en désordre Berg International, Paris 2003. ISBN 2-911289-59-5
  • Maurizio Serra: Fratelli separati. Drieu-Aragon-Malraux. Il fascista, il comunista, l'avventuriero. Settecolori, Lamezia Terme (Catanzaro) 2006. ISBN 88-902367-0-1
  • Margarete Zimmermann: Die Literatur des französischen Faschismus. Untersuchung zum Werk Pierre Drieu La Rochelles, 1917-1942. Fink, München 1979. (= Freiburger Schriften zur romanischen Philologie; 37) ISBN 3-7705-1822-5
  • Zerstörung im Auge. In: Der Spiegel. Nr. 46, 1966 (zur "Wiederentdeckung" Drieus, online).
  • Marcus Ansgar Reese: Über die Darstellung von Gewalt und Tod bei DlR. Diss. Hamburg 2003 (PDF).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Drieu ist der eigentliche Familienname; La Rochelle ist ein Beiname, der einem seiner Vorfahren während der Napoleonischen Kriege verliehen worden war.
  2. Dominique Desanti: Drieu La Rochelle : du dandy au nazi, Paris : Flammarion, 1992 ISBN 2-08-066835-8
  3. Vgl. etwa die Broschüre von Ernst Arndt: Pierre Drieu la Rochelle: Ein Europäer zwischen den Fronten. Junges Forum 1/76. Hamburg: Verlag Deutsch-Europäischer Studien GmbH, 1976. [ohne ISBN.]
  4. Der Faschismus in seiner Epoche, Piper 2004 S. 26
  5. Paul Léautaud: Kriegstagebuch 1939-1945, Berenberg 2011, S. 164 ISBN 978-3-937834-42-9. - Dem Suizid waren zwei weitere Selbstmordversuche vorausgegangen.
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