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Michel Rocard

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Michel Rocard (2012)

Michel Rocard [mi'ʃɛl ʁɔ'kaʁ] (* 23. August 1930 in Courbevoie; † 2. Juli 2016 in Paris) war ein französischer sozialistischer Politiker.

Leben

Rocard war der Sohn von Yves Rocard, einem Forscher, Professor und Resistant, entstammte einer protestantischen Familie aus dem vornehmen 7. Pariser Arrondissement. Er besaß einen Doktortitel in Philosophie, verliehen vom Sciences Po Paris (Institut für Politische Studien) und schloss 1958 die ENA ab.[1]

1958 wurde Michel Rocard zum Finanzinspektor ernannt, daran anschließend im Jahre 1965 war er zunächst Referent für Wirtschaftsplanung im Amt für Planungsrechnung, später Generalsekretär der Kommission für wirtschaftliche Bilanzen und Budget der Nation.

Von 1983 bis 1985 war er Landwirtschaftsminister und von 1988 bis 1991 Premierminister. Vom April 1993 bis zum Juni 1994 war er Vorsitzender der Sozialisten. Von 1994 bis 2009 war er Abgeordneter im Europäischen Parlament und Mitglied der parlamentarischen Arbeitsgruppe der Fraktion der europäischen Sozialisten. Von September 1995 bis 1997 war er Senator.[2]

Von der SFIO über die PSU zur PS

Michel Rocard war von 1953 bis 1955 Verantwortlicher der studentischen Vereinigung der SFIO. 1958 war Rocard Mitbegründer des Parti socialiste autonome (PSA). Als der Algerienkrieg ausbrach, schloss er sich mit denjenigen Kommunisten, die sich Stalin widersetzten, denjenigen Sozialisten, die mit der reformistischen Tradition von Guy Mollet brachen, und linksgerichteten christlichen Gruppierungen zusammen, um eine neue Vereinigung zu formen. Aus dieser Strömung entwickelte sich der Parti Socialiste Unifié (PSU), dessen Gründung sich 1960 vollzog und dem Pierre Mendès-France, ein erklärter Gegner des Algerienkriegs 1961, beitrat. Außerdem bildete sich im Umfeld dieser neuen Partei 1964 die Gewerkschaft Confédération française démocratique du travail (CFDT).

Nachdem er auf dem Kongress von Grenoble 1966 von sich reden machte, wurde er im Folgejahr Generalsekretär des PSU (bis 1973). Die Positionen der rechten Mitte teilend, machte sich Rocard durch Schriften unter dem Pseudonym Georges Servet einen Namen und bemühte sich in der Krise im Mai 1968 um eine politische Lösung: er gewann damit die Unterstützung des UNEF, der bedeutendsten Studentengewerkschaft in dieser Epoche.

Bei den Präsidentschaftswahlen von 1969 steckte er seine erste Niederlage ein, als er nur 3,61 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Im selben Jahr folgte eine Kandidatur für das Département Yvelines um einen Sitz im Parlament. So kam es, dass er bis 1988 ohne Unterbrechung der Nationalversammlung angehörte. 1974 unterstützte er die Kampagne François Mitterrands um die Präsidentschaft. Im Oktober 1974 erreichte sein Antrag, die PSU der Sozialistischen Partei (PS) unter François Mitterrand anzugliedern, nur 40 % der Stimmen, woraufhin er die PSU verließ und von der PS aufgenommen wurde. Zahlreiche Mitglieder der PSU, aber auch der Gewerkschaft CFDT folgten ihm. In ihren Reihen stieg er im Februar 1975 zum Mitglied des Exekutivausschusses auf.

Die Politik Rocards

Das Ende der 1970er Jahre wurde vom Aufkommen des Rocardisme, der Ideen und der Politik Rocards, geprägt, einer populären Strömung, des Courant Rocard innerhalb der Sozialistischen Partei, die den Gegenpol zum eher traditionellen Sozialismus seines Rivalen François Mitterrand bildete. So wurde Rocard zu einer unumgänglichen Figur der Intellektuellenlandschaft Frankreichs. Charakteristisch für seine Politik war ein demokratischer und antiautoritärer Sozialismus, der vor allem auf Mitbestimmung und Selbstverwaltung in Wirtschaft und Gesellschaft setzte (socialisme autogestionnaire) – deshalb auch die strikte Ablehnung des Kommunismus – und exemplarisch für das Streben einer Generation von Sozialisten, die sich im Hinblick auf die Zeit nach Mitterrand mit dem Erbe von Pierre Mendès-France befasste.

Minister und Premierminister

Michel Rocard (1981)

Als Bürgermeister von Conflans-Sainte-Honorine in den Jahren 1977 bis 1993 wurde er 1981 Staatsminister für Raumplanung und -ordnung innerhalb der Regierung Pierre Mauroys, anschließend 1983 Minister für Landwirtschaft. Er blieb auch unter Laurent Fabius in dieser Funktion, trat aber 1985 aus Protest über die Einführung des Verhältniswahlrechts für die Parlamentswahlen von seinem Amt zurück.

Zu Beginn der zweiten Präsidentschaft seines Intimfeindes François Mitterrands am 12. Mai 1988 wurde er zum Premierminister ernannt. Die Ergebnisse der Parlamentswahlen im selben Jahr hatten am 26. Juni 1988 die Bildung einer zweiten Regierung unter Rocard zur Folge. Noch am selben Tag drängte Rocard auf die Unterzeichnung des Abkommens von Matignon, welches die Autonomie Neukaledoniens besiegelte und den gewalttätigen Ausschreitungen auf der Insel ein Ende setzte. Ihm ist auch die Einführung des Revenu Minimum d’Insertion (= einer Form der Sozialhilfe, RMI) am 12. Oktober 1988 zu verdanken, einer der überaus seltenen Gesetzesvorlagen, die ohne Gegenstimme verabschiedet wurden.

1990 bemühte sich Rocard um eine saubere Regelung der Parteienfinanzierung, die mit einer Amnestie für vorangegangene Manöver verbunden sein sollte. Dies scheiterte an einem öffentlichen Aufschrei der Empörung, als der sozialistische Justizminister das Ermittlungsverfahren gegen die wichtigste Geldwaschanlage seiner Partei niederschlagen ließ. Aufgrund der schlechten Konjunkturlage und Unstimmigkeiten mit François Mitterrand sah sich Rocard 1991 zum Rücktritt von seiner Funktion als Premierminister genötigt. Manche Stimmen interpretierten die Ernennung Rocards zum Premier als Maßnahme Mitterrands, um von dessen Popularität zu profitieren. Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Beliebtheit im Volk sank, konnte Rocard seine Popularität beibehalten, so dass diese personalpolitische Verdrängung sich bei den Ergebnissen der folgenden Parlamentswahlen 1993 bemerkbar machte.

Im Oktober 1993 wurde er zum Ersten Sekretär (= Parteivorsitzender) der Sozialistischen Partei gewählt und nahm eine tiefgreifende Reform ihrer inneren Führungsorgane in Angriff.

Wirken für Europa

Bei der Europawahl 1994 wurde er in das Europäische Parlament (EP) gewählt; 1995 gab er beide Funktionen auf und wurde in den Senat gewählt. Von diesem Amt trat er 1997 mit der Aussicht auf eine mögliche Rückkehr in das EP zurück; im EP war er seit der Europawahl 1999 bis zum 31. Januar 2009 wieder vertreten. In diesem Rahmen profilierte er sich durch seinen Einsatz zugunsten der Entwicklungsländer und seit 2003 durch seine Ablehnung der Einführung eines Softwarepatentes auf europäischer Ebene. Anfang 2005 reiste eine europäische Delegation von Wahlbeobachtern unter seiner Führung in die Palästinensischen Autonomiegebiete, um den ordnungsgemäßen Verlauf der Präsidentschaftswahlen sicherzustellen.

Persönliches

Michel Rocard war zweimal verheiratet und hatte vier Kinder.

Auszeichnungen

Zitate

Auf die Frage eines Journalisten, ob er es bereue, niemals Präsident gewesen zu sein, antwortete Rocard:

„Ich meine, ein akzeptabler Premier gewesen zu sein, weiß aber nicht, ob ich einen guten Präsidenten gegeben hätte.“

Publikationen auf Deutsch

  • Von ganzem Herzen bei der Sache. Aus dem Französischen von Gerd Treffer, DEFAB, Ingolstadt 1989.

Weblinks

 Commons: Michel Rocard – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jean-Louis Andreani, Raphaëlle Bacqué: Michel Rocard, figure essentielle de la gauche, est mort. (Nachruf, französisch), lemonde.fr, 2. Juli 2016, abgerufen am 4. Juli 2016
  2. Michel Rocard auf der Seite des französischen Senats, abgerufen am 4. Juli 2016
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Michel Rocard aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.