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Hugenotten

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Dieser Artikel behandelt die französischen Protestanten. Zur 1836 uraufgeführten Oper von Giacomo Meyerbeer siehe Die Hugenotten.

Hugenotten ist die etwa seit 1560 gebräuchliche Bezeichnung für die französischen Protestanten im vorrevolutionären Frankreich. Ihr Glaube war stark vom Calvinismus, der Lehre Johannes Calvins, beeinflusst.

Ab 1530 wurde die Glaubensausübung der Protestanten durch den katholischen Klerus und den König stark unterdrückt. Daraufhin begannen noch stärkere Verfolgungen, die unter Ludwig XIV. durch sein Edikt von Fontainebleau ab 1685 einen Höhepunkt erreichten und eine Fluchtwelle von etwa einer Viertelmillion Hugenotten in die protestantisch dominierten Gebiete in Europa und Übersee auslösten sowie kriegerische Auseinandersetzungen auch als Hugenottenkriege bekannt, initiierten.

Andererseits wurden aber auch katholische Kirchen und Klöster von aufgebrachten Anhängern des Calvinismus zerstört oder geplündert, so etwa die Kathedrale von Soissons im Jahr 1567 und das Kloster Cîteaux 1589. So das es auch von einigen Vertretern auf protestantischer Seite zu Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen kam.

Nach dem Ende der Verfolgung und dem Inkrafttreten der französischen Verfassung 1791 setzte sich immer mehr die Bezeichnung Protestanten durch. Die Bezeichnung Hugenotten gilt also nur für die calvinistischen Gläubigen zur Zeit ihrer Verfolgung in Frankreich.

Die französischen Protestanten bilden im vorwiegend katholischen Frankreich heute eine Minderheit, die in der Reformierten Kirche von Frankreich organisiert ist.

Etymologie

Das Wort „Hugenotten“ geht vermutlich auf den frühneuhochdeutschen (alemannischen) Begriff Eidgenosse zurück und zeigt damit Verbindungen zu Genf. Es erscheint im Französischen zuerst zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Form eygenot als Bezeichnung für die Anhänger einer politischen Partei im Kanton Genf, die gegen die Annexionsversuche des Herzogs von Savoyen kämpften und darum 1526 einen Bund zwischen Genf und den eidgenössischen Orten Fribourg und Bern schlossen. Diese Eygenots oder Eugenots waren zu Beginn Katholiken,[1] denn Genf wurde erst 1536 reformiert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend und in Abgrenzung zum katholischen Savoyen im Sinne von „Protestant, Reformierter“ verwendet, darunter vom Fürsten von Condé im Jahre 1562 in der Form aignos. Möglicherweise stand auch der Genfer Freiheitskämpfer Besançon Hugues bei der Namensgebung Pate. Eine weitere Vermutung sieht den Wortursprung in der Bezeichnung „Huis Genooten“ (Hausgenossen) für flämische Protestanten, die im Geheimen die Bibel studierten. Sicher lässt sich die Herkunft des Wortes nicht herleiten, jedoch gilt als unstrittig, dass der Name nicht als Eigenbezeichnung der Gläubigen, sondern als Spottbegriff entstand.[2]

Geschichte

Anfänge der Reformation in Frankreich

Um die Zeit, als in Deutschland durch die Thesen Luthers die Reformation begonnen hatte (1517), gab es in Frankreich eine Situation, in der das Luthersche Gedankengut auf fruchtbaren Boden fallen konnte:

Franz I., der Frankreich seit 1515 regierte, hatte zu dieser Zeit die katholische Kirche zunehmend zu einem Verwaltungsorgan des Staates aus- und umgebaut: Seit dem Konkordat von Bologna 1516 hatte er das Recht, die hohen Ämter der französischen Kirche nach eigenem Willen zu besetzen. Er nutzte dies geschickt, um den französischen Hochadel in den entsprechenden Positionen unterzubringen und ihn sich auf diese Weise zu verpflichten. Die Infrastruktur der Kirche war für Franz ebenfalls von Bedeutung:
Ihre Präsenz in allen Städten und Dörfern, die hohe Reichweite, die die Pfarrer in ihren Gemeinden erzielen konnten, und die Familienregister, die die Pfarreien führten, waren Elemente, die er für verwaltungstechnische Aufgaben, z.B. zur Veröffentlichung von Edikten, einspannen konnte.

In Paris führte diese Verweltlichung zu Widerspruch humanistischer Kreise, insbesondere des Kreises um Erasmus von Rotterdam (Didier Érasme) und Jacques Lefèvre d'Étaples (Jakob Faber). Um 1520 begann man in diesen Zirkeln die Thesen Luthers zu diskutieren, die die Heilige Schrift zum Maßstab des Glaubens machten und die Trennung von Staat und Kirche forderten. Die theologischen Thesen Luthers wurden zunächst auch vom Königshaus eher positiv aufgenommen. So waren die Schwester des Königs, Margarete von Angoulême und der Bischof von Bayonne, Jean du Bellay, sowie dessen Bruder Guillaume, Mitglieder der Gruppe um Lefèvre.

Franz I., ohnehin sehr aufgeklärt und aufgeschlossen, zudem wohl noch durch seine Schwester beeinflusst, zeigte sich gegenüber den theologischen Aspekten der beginnenden Reformationsbewegung ebenfalls nicht abgeneigt. So hielt er zum Beispiel über Lefèvre seine schützende Hand, als gegen diesen nach einer Abhandlung über Maria Magdalena ein Prozess wegen Ketzerei angestrengt worden war. Die Reform einer Kirche von innen her war, zumindest was die theologischen Deutungen angeht, nichts, was Franz I. hätte fürchten müssen.

Zunächst einmal durfte also in der Zeit etwa um 1520 der reformatorische Gedanke auch in Frankreich Fuß fassen. Von den Humanisten fand er auch rasch seinen Weg ins gehobene Bürgertum, wo die vorhandenen, weitreichenden Handelsbeziehungen nicht nur Waren schnell verbreiten halfen, sondern auch Ideen.

Beginnende Verfolgung

Sehr schnell setzte jedoch eine katholische Gegenbewegung ein. Die Amtsträger der Kirche sahen ihre Lehren und damit ihre Macht durch die aufkommende Bewegung gefährdet: 1521 wurde Luther vom Papst exkommuniziert, die Pariser Universität Sorbonne verdammte seine Lehren.

Franz I. geriet dadurch zunehmend unter Druck, und zwar aus zwei Gründen:

  • Der erste war innenpolitischer Natur, da die Verwaltung des Staates in der Hand der katholischen Kirche lag: Nach 1520 wurde schnell deutlich, dass die Reformation eben nicht nur eine theologische Angelegenheit war, die sich in den Studierzimmern der Gelehrten breit machte, sondern dass die Thesen die bestehende klerikale (und eng damit verbunden auch die weltliche) Machtstruktur anzugreifen begannen. Franz konnte kein Interesse daran haben, dass die Reformer jetzt am Stuhl derjenigen Adeligen sägten, denen er gerade kirchliche Ämter, Würden und Einnahmequellen verschafft hatte und die eine wesentliche Stütze seiner Herrschaft über Frankreich darstellten.
  • Zum zweiten befand sich Franz I. zu dieser Zeit mit den Habsburgern, genauer gesagt, mit dem deutschen Kaiser Karl V., in einem schweren Konflikt. Frankreich war über die Niederlande, Deutschland und Spanien von den Habsburgern in die Zange genommen; in Norditalien befand es sich im offenen Krieg mit den Habsburgern. Hätte Franz der Reformation in Frankreich freien Lauf gelassen, so hätte er auch noch Rom gegen sich gehabt, und Karl V., der 1521 über Luther die Reichsacht verhängt hatte, wäre – dann von Rom unterstützt – von einer Invasion Frankreichs nicht mehr abzuhalten gewesen. Auch diese außenpolitische Überlegung verleiteten Franz dazu, sich mehr und mehr vom Protestantismus zu distanzieren.
Herrschaftsgebiete – im Westen und Südwesten Europas um 1519-1556 – unter Carlos I. König von Spanien von 1516 bis 1556 und Heinrich II. König von Frankreich von 1547 bis 1559; einschließlich das Königreich Navarra, in gelber Farbe unterlegt

So kam es zunehmend zu Repressalien gegen die Protestanten, die sich zu einer Verfolgung zumindest des öffentlichen Protestantismus ausweiteten: Die erste Hinrichtung eines französischen Protestanten ist für den 8. August 1523 belegt, als der Augustinermönch Jean Vallière in Paris am Pfahl verbrannt wurde.

Untergrundkirche

Der Protestantismus wurde bis etwa 1530 zunehmend in den Untergrund gedrängt, da die religiöse Verfolgungen durch die katholische Seite immer mehr zunahmen. Ein Teil der Protestanten floh, unter anderem in die reformierten Orte der Schweiz, wo Ulrich Zwingli gerade dabei war, die katholische Kirche komplett zu entmachten. Ins politische Aus gedrängt, traten die Protestanten aus dem Untergrund jedoch zunehmend provokativer auf. Zu den ersten größeren Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten kam es 1534 über die Affaire des Placards, bei der in Paris und vier weiteren Städten antikatholische Plakate angeschlagen wurden. Die Messe der Katholiken wurde darin als Götzendienst bezeichnet. Verschiedene Marienstatuen wurden verunstaltet. Nachdem die Verantwortlichen für diese Aktion auf den Scheiterhaufen verbrannt worden waren, blieb das Verhältnis zwischen beiden Seiten angespannt.

Etwa um 1533 schloss sich Johannes Calvin in Paris dem Protestantismus an. Bis zu dieser Zeit wäre auch er eher als katholischer Humanist denn als Reformierter zu bezeichnen. Nach einer protestantisch gefärbten Rede von Nicolas Cop, dem Rektor der Universität Paris, die höchstwahrscheinlich unter Beteiligung Calvins entstand, mussten beide aus Paris fliehen.

Doch trotz der Unterdrückung erhielt die Bewegung noch immer Zulauf. 1546 bildete sich in Meaux die erste protestantische Gemeinde in Frankreich. Im Jahr 1559 fand in Paris die erste Nationalsynode der reformierten Christen Frankreichs statt. 15 Gemeinden schickten ihre Abgesandten. Man verabschiedete eine Kirchenordnung und ein Glaubensbekenntnis. Die Kirchenordnung, die Calvin 1541 aufgrund seines Verständnisses des Neuen Testaments und der Genfer Verfassung geschaffen hatte, wurde übernommen. Sie sah neben den Ämtern der Pastoren (pasteurs), der Doktoren (docteurs) und Diakonen (diacres) das der Ältesten (anciens; Presbyter) vor, die zugleich gewählte Mitglieder des Rates der Stadt Genf waren. Als verfolgte Minderheitskirche konnten sich die französischen Reformierten auf keine weltlichen Instanzen stützen. (Sie praktizierten wie die Täufer von Anfang an die Trennung von Kirche und Staat.) Deshalb wählten die erwachsenen männlichen Gemeindeglieder die (Kirchen-)Ältesten, ehrenamtliche Laien, aus ihren eigenen Reihen. Diesem Presbyterialsystem fügten die französischen evangelischen Christen Synoden auf regionaler und nationaler Ebene hinzu, deren Mitglieder ebenfalls von den Gemeindegliedern gewählt wurden. Dies verschaffte den Laien einen sehr starken Einfluss auf die Leitung der Kirche auf sämtlichen Ebenen. Diese demokratische Kirchenordnung, die von vielen weiteren reformierten Kirchen (z. B. am Niederrhein, in den Niederlanden und in Schottland) übernommen wurde, war eine der wichtigsten Konsequenzen von Luthers Lehre vom „allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“, die protestantisches Allgemeingut wurde. Auf der nächsten französischen Nationalsynode, die zwei Jahre später stattfand, waren bereits um die 2.000 Gemeinden vertreten. Zu Beginn der 1560er Jahre hatten die reformierten Untergrundkirchen etwa zwei Millionen Anhänger, was ungefähr zehn Prozent der französischen Gesamtbevölkerung entsprach.

Diese reformierten Gemeinden waren jedoch nicht mehr lutherisch geprägt: Die Verfolgung hatte enge Bande der französischen Reformierten zu dem in Genf lebenden Calvin entstehen lassen. Zwischen 1535 und 1560 durchdrang zunehmend der Calvinismus das französische Protestantentum, und der Calvinismus war es auch, der den Dissidenten Zulauf verschaffte. Jetzt kommt ferner der Name „Hugenotten“ auf.

Hugenottenkriege

Hauptartikel: Hugenottenkriege

1547 starb Franz I., und sein Sohn Heinrich II. bestieg den Thron Frankreichs. Er setzte die Repression gegenüber den Hugenotten unvermindert fort. Etwa um diese Zeit begann das Habsburgerreich in eine Vielzahl von Kleinstaaten zu zerfallen: Kaiser Karl V. bekam die Reformation nicht mehr unter Kontrolle, und der Kompromiss des „Cuius regio, eius religio“ tat ein Übriges zur Spaltung des Kaiserreiches.

Heinrich II. wollte ähnliche Zustände wie in Deutschland in jedem Fall verhindern. Zunehmend hatten sich jetzt auch Adelige den Hugenotten angeschlossen, und eine Übereinkunft nach dem Augsburger Prinzip für Frankreich hätte die unter Franz I. erfolgreich verlaufende Zentralisierung Frankreichs schwer beschädigt. Damit begann endgültig die politische Diskriminierung des Protestantismus in Frankreich.

Eine neue Einrichtung und drei Edikte reichten, um die Hugenotten mehr und mehr zu unterdrücken:

  • Grundlage war die Einrichtung der Chambre ardente in Paris, einer Kammer, die die hugenottischen Parlamentsabgeordneten verfolgte (siehe Inquisition). Diese Kammer richtete Heinrich bereits im ersten Jahr seiner Regentschaft ein. Im Juni 1551 wurde dieses Prinzip im Edikt von Châteaubriant auch auf die Provinzparlamente ausgedehnt.
  • Das Edikt von Compiègne folgte am 24. Juli 1557[3]: „die Ordnung in irgendeiner Weise störende“ Protestanten wurden der weltlichen Gerichtsbarkeit unterstellt; die Verurteilung wegen Häresie ließ Heinrich noch in den Händen der Kirche.
  • Den Schlusspunkt setzte Heinrich dann am 2. Juni 1559 im Edikt von Écouen: Von nun an durften die Gerichte für Häresie nur noch die Todesstrafe verhängen. Kurz nach dem Edikt starb Heinrich.
Gaspard Bouttats: Bartholomäusnacht, Kupferstich

Unter Heinrichs Sohn Franz II. hielt die begonnene Vertreibung an. 1562 überfielen katholische Soldaten bei Vassy Protestanten während eines Gottesdienstes. Die Bartholomäusnacht 23./24. August 1572 in Paris löst erneute zahlreiche Flüchtlingsströme aus. Wichtige protestantische Persönlichkeiten wurden ermordet. Die Zahl der Todesopfer betrug in Paris etwa 3.000 und auf dem Lande zwischen 10.000 und 30.000. Das Morden an Kindern, Frauen, Alten und Jungen ging aber noch zwei lange Monate weiter.

Schließlich brachte 1598 ein neuer König, Heinrich IV., mit dem Edikt von Nantes eine zeitweilige Beruhigung der Lage, die jedoch nur bis zur Eroberung von La Rochelle (1628) anhielt. Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernahm der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. 1661 die Regierung und leitete eine groß angelegte, mit Bekehrungs- und Missionierungsaktionen verbundene systematische Verfolgung der Protestanten ein, die er aufgrund der einsetzenden Flüchtlingswellen 1669 mit einem Emigrationsverbot verband und die schließlich in den berüchtigten Dragonaden 1681 ihren Höhepunkt fanden. In einer Zeit der Aufklärung und Wissenschaft geschahen die größten Greueltaten an Protestanten. Trotz Verbotes verließen im Laufe von etwa fünfzig Jahren ca. 200.000 Flüchtlinge ihre Heimat. Mit ihnen verlor Frankreich das Rückgrat seiner Wirtschaft. So ist erklärt, warum die spätere beispiellose Staatsverschuldung und auch die Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten eine Folge der unerbittlichen Verfolgungen der Protestanten war.

Im Edikt von Fontainebleau 1685 widerrief Ludwig XIV. das Edikt von Nantes. Wer nunmehr als Protestant erkennbar war, wurde mit Haft oder Galeerenstrafe belegt. Daraufhin begaben sich viele in eine Untergrundkirche und leisteten teilweise in den Cevennen Widerstand (Camisarden). Dort kam es in den Jahren 1703 bis 1706 zum Bürgerkrieg, worauf Ludwig XIV. über 400 Dörfer dem Erdboden gleichmachen ließ. Das Psalmensingen und Bibellesen wurde mit hohen Strafen belegt. Viele Menschen traten zwangsweise zum Katholizismus über, auch um den gefürchteten Dragonaden zu entgehen. Aber der Protestantismus ließ sich nicht ausrotten, weil die verfolgten und bestraften Protestanten als Märtyrer verehrt wurden.

Da die Angehörigen der protestantischen Oberschicht, darunter die meisten Geistlichen, ins Ausland flohen, wurde die Kirche durch Laienpastoren geleitet, die sich durch eine göttliche Eingebung berufen fühlten. Deshalb kamen prophetische und ekstatische Formen der Religiosität auf. Sie wurden in der Bewegung der Inspirierten in ganz Europa wirksam.

Erst 1787 schuf das Edikt von Versailles unter Ludwig XVI. eine neue Möglichkeit protestantischen Lebens in Frankreich.

Auswanderung im 17. Jahrhundert

Bei den Herrschern der Nachbarländer fanden die besitzlos gewordenen Hugenotten, die zur leistungsfähigsten Schicht der Gesellschaft zählten, bereitwillige Aufnahme. Ihnen wurden Privilegien und Kredite gewährt, was in der übrigen Bevölkerung wiederum Unverständnis, Neid und Anfeindungen auslösten. Außerdem stießen sie als Reformierte auf Lutheraner, so dass sie wiederum eine religiöse Minderheit verkörperten.

Zu den Ländern, die für etwa 200.000 Hugenotten eine neue Heimat wurden, zählten die Schweiz, die Niederlande, England, Irland, Deutschland und Nordamerika. Auch in den skandinavischen Ländern wie im dänischen Kopenhagen und Fredericia[4] und im schwedischen Stockholm[5] siedelten sich Hugenotten an.

Ein Großteil der Auswanderer (ca. 50.000) emigrierte auf die Britischen Inseln. Bereits 1550 war in Soho (London) per Royal Charter eine französische protestantische Kirche gegründet worden. Hugenottische Zentren in England waren u. a. London, einige Orte in den Grafschaften Kent und Bedfordshire sowie Norwich. Im Zuge der Plantation (Ansiedlung protestantischer Siedler) gelangten auch einige Hugenotten nach Ulster (Irland). Sie leisteten dort einen großen Beitrag zur Etablierung der Leinenindustrie in der Region um Lisburn, welche neben dem Schiffsbau lange Zeit die bedeutendste Industrie in Ulster war. Auch heute findet sich noch ein hugenottisches Stadtviertel in Cork City. In Dublin gibt es einen hugenottischen Friedhof (nahe dem St. Stephen’s Green).

Die Hugenotten sorgten in den Ländern, in die sie immigrierten, oft für eine Blüte der Wirtschaft und besonders der Landwirtschaft. Sie öffneten das Kultur- und Geistesleben. Sie entwickelten maßgeblich die Textil- und Seidenmanufakturen und -gewerbe (Seidenraupenzucht), führten in Deutschland den Tabakanbau ein (schwerpunktmäßig in der Uckermark mit dem Zentrum Schwedt/Oder) und waren in Schmuckanfertigung und -handel tätig.

Hugenotten in Deutschland

Um das Jahr 1685 flohen fast 50.000 Hugenotten nach Deutschland. Etwa 20.000 davon ließen sich in Brandenburg-Preußen nieder, wo Kurfürst Friedrich Wilhelm ihnen mit dem Edikt von Potsdam besondere Privilegien gewährte.[6] Gleich zwei Regimenter wurden durch Hugenotten gebildet: Regiment zu Fuß Varenne (1686) und Regiment zu Fuß von Wylich (1688).

Nahezu 4.000 Hugenotten übersiedelten nach Baden, Franken (Fürstentum Bayreuth und Fürstentum Ansbach, heute Teil von Bayern), Hessen-Kassel und Württemberg. Weitere zogen in das Rhein-Main-Gebiet (Hanau), die Grafschaften des Wetterauer Grafenvereins, in das heutige Saarland und in die Kurpfalz mit Zweibrücken. Etwa 1.500 Hugenotten fanden in Hamburg, Bremen und Niedersachsen eine neue Heimat. Vermutlich, weil seine Gemahlin Eleonore d’Olbreuse selbst Hugenottin war, fanden über 300 Hugenotten am Hof des Herzogs Georg Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg in Celle Aufnahme.

Hugenotten in Berlin

siehe Wikipedia: Hugenotten in Berlin

Hugenotten in Südafrika

Die Flucht aus Frankreich führte einige Hugenotten an die Südspitze Afrikas. Als erstes Schiff lief die Voorschotten mit mehreren hugenottischen Familien an Bord am 31. Dezember 1687 in Richtung Kap der Guten Hoffnung aus. Sie erreichte das Kap am 13. April des folgenden Jahres. Einige der Mitreisenden führten Rebstöcke mit sich und brachten damit dem Weinbau in Südafrika einen merklichen Aufschwung. Bis zum Jahr 1749 folgten zahlreiche weitere Schiffe, die Hugenotten nach Südafrika brachten.

Niederlassungen in Deutschland heute

Heute existieren hugenottische Gemeinden in folgenden Orten (Aufzählung nicht vollständig):

Hessen

Eigenständige hugenottisch-waldensische Gemeindeneugründungen

Im Altkreis Frankenberg
Im heutigen Landkreis Kassel
Im übrigen Hessen

Baden

Bayern

Mecklenburg-Vorpommern

Saarland

Württemberg

Berlin und Brandenburg

Hauptartikel: Hugenotten in Berlin

In Berlin und Brandenburg gehören die Französisch-Reformierten Gemeinden zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und bilden den Reformierten Kirchenkreis. Dieser Kirchenkreis nahm 1997 eine französisch-sprachige Gemeinde auf (Communauté protestante francophone de Berlin et environs).

In Berlin erinnern Namen von Ortsteilen wie Moabit und Französisch Buchholz und im Oderbruch die Ortsnamen Vevais, Beauregard und Croustillier heute noch an die in Preußen siedelnden Hugenotten.

Literatur

Sachbücher

deutschsprachig

  • Manuela Böhm (Hrsg.): Hugenotten zwischen Migration und Integration. Neue Forschungen zum Refuge in Berlin und Brandenburg. Metropol, Berlin 2005, ISBN 3-936411-73-5 (Rezension).
  • Guido Braun, Susanne Lachenicht (Hrsg.): Hugenotten und die deutschen Territorialstaaten. Immigrationspolitik und Integrationsprozesse. Oldenbourg, München 2007 (Pariser Historische Studien, 82), ISBN 978-3-486-58181-2 Online perspectivia.net.
  • Jochen Desel: Hugenotten. Französische Glaubensflüchtlinge in aller Welt. 2. Auflage, Dt. Hugenotten-Gesellschaft, Bad Karlshafen 2005, ISBN 3-930481-18-9.
  • Gerhard Fischer: Die Hugenotten in Berlin, Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-941450-11-0.
  • Barbara Dölemeyer: Die Hugenotten (Urban-Taschenbücher; 615). Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018841-0.
  • Ingrid und Klaus Brandenburg: Hugenotten: Geschichte eines Martyriums. Panorama, Wiesbaden 1998, ISBN 3-926642-17-3.
  • Eberhard Gresch: Die Hugenotten. Geschichte, Glaube und Wirkung. 4., überarbeitete Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2009, ISBN 978-3-374-02260-1 (Rezension).
  • Ulrich Niggemann: Hugenotten (UTB Profile). Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2011, ISBN 978-3-8252-3437-9 (Rezension).

französischsprachig

  • Henri Bosc: La guerre des Cévennes. Presses du Languedoc, Montpellier 1985/92, ISBN 2-85998-023-7 (6 Bde.)
  • Philippe Joutard: Les Camisards. Gallimard, Paris 1994, ISBN 2-07-029411-0.
  • Philippe Joutard: La légende des Camisards Une sensibilité au passé. Gallimard, Paris 1985, ISBN 2-07-029638-5.
  • Henry Mouysset: Les premiers Camisards. Juilliet 1702. Presses du Languedoc, Montpellier 1985, ISBN 2-85998-259-0.
  • Pierre Rolland: Dictionnaire des Camisards. Presses du Languedoc, Montpellier 1995, ISBN 2-85998-147-0.

englischsprachig

Belletristik

Weblinks

Wiktionary: Hugenotte – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Hugenotten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Emil Dönges: Wilhelm Farel. Ein Reformator der französischen Schweiz. Durchges. 2. Auflage (1. Auflage 1897). Ernst-Paulus-Verlag, Neustadt/Weinstraße 1993, S. 104.
  2. Belegen!
  3. Beatrix Siering, Sandra Thürmann, Claudia Bandholtz, Christiane Stuff: 1685: Die Erfindung der Greencard – Die Hugenotten kommen. In: Birgit Kletzin (Hrsg.): Fremde in Brandenburg – von Hugenotten, sozialistischen Vertragsarbeitern und rechtem Feindbild. Band 17, Lit, Münster 2003, ISBN 3-8258-6331-x, S. 22, DNB 966331869 (Google Books, abgerufen am 17. Januar 2012).
  4. Reformierte Gemeinden in Dänemark
  5. Französisch-Reformierte Gemeinde Stockholm
  6. Zu Preußen zusammenfassend Ursula Fuhrich-Grubert: Minoritäten in Preußen. Die Hugenotten als Beispiel. In: Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Handbuch der Preußischen Geschichte. Bd. 1: Das 17. und 18. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens. De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-014091-0, S. 1125–1224 (Vorschau bei Google Bücher).
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