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Ludwig Wörl

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Ludwig Wörl (geb. 28. Februar 1906; gest. 27. August 1967 in München[1]) war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus sowie Funktionshäftling in den Konzentrationslagern Dachau und Auschwitz.

Leben

Der parteipolitisch ungebundene Schreinergehilfe und Antifaschist Wörl beteiligte sich 1934 an einer Flugblattaktion, durch die Münchner Bürger über die inhumanen Lagerzustände im KZ Dachau („So ist Dachau“) aufgeklärt werden sollten. Wörl wurde daraufhin denunziert, durch die Gestapo am 5. Mai 1934 festgenommen und kurz danach in das KZ Dachau eingewiesen. Wörl legte während der Verhöre trotz Misshandlungen kein Geständnis ab und verbrachte neun Monate größtenteils in Dunkelhaft im lagereigenen Arrestbau. Nach der Entlassung aus dem Arrestbau leitete er die Lagerschreinerei. Nachdem Wörl aufgrund von Intrigen krimineller Häftlinge aus dieser Position herausgedrängt wurde, kam er als Pfleger in den Häftlingskrankenbau (HKB). Über Vorerfahrungen in der Pflege verfügte Wörl bereits, da er vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bereits einer Sanitätskolonne des Roten Kreuzes angehörte. Im Häftlingskrankenbau (HKB) unterstand ihm die Röntgenstation. Wörl bildete sich mit medizinischer Fachliteratur weiter und unterwies im HKB tätige Häftlinge in der Pflegewissenschaft. Unter anderem konnte er den schwer herzkranken Kurt Schumacher mit gestohlenen Medikamenten behandeln.[2]

Im August 1942 wurden 17 Häftlingspfleger und –schreiber, darunter auch Wörl (Häftlingsnr. 60.363) und Hermann Langbein, in das KZ Auschwitz verlegt.[3] Zu dieser Zeit grassierte in Auschwitz eine Fleckfieber-Epidemie. Wörl war als erster Lagerältester des HKB in Auschwitz-Monowitz am Aufbau der dortigen medizinischen Versorgung für kranke Häftlinge maßgeblich beteiligt.[4] Wörl fälschte Selektionslisten, versteckte Häftlinge und rettete jüdische Ärzte vor der Vergasung, indem er sie im HKB einsetzte. Im März 1943 wurde er Lagerältester des HKB im Stammlager des KZ Auschwitz. Ende August 1943 wurde Wörl gemeinsam mit Langbein für drei Monate in den Bunker gesperrt, da er Anweisungen der Lagerärzte nicht nachkam. Nachdem Arthur Liebehenschel Lagerkommandant des Stammlagers Auschwitz wurde, ernannte dieser Wörl zum Lagerältesten des Stammlagers Auschwitz. Aufgrund von Intrigen wurde Wörl als Lagerältester abgelöst.[5] Im Sommer 1944 wurde Wörl Lagerältester im Auschwitzer Außenlager Günthergrube. Auch in dem Außenlager Günthergrube setzte sich Wörl für seine Mithäftlinge ein.[6] Im Zuge der „Evakuierung“ des KZ Auschwitz verhalf Wörl auf den Todesmärschen Mithäftlingen zur Flucht. Er selbst wurde zum KZ Mauthausen „evakuiert“ und im Mauthausener Außenlager Ebensee Anfang Mai 1945 durch Angehörige der US-Armee befreit.

Wörl kehrte nach München zurück, wo er wieder unter einfachsten Verhältnissen lebte. Langbein zufolge war Wörl nach seiner Rückkehr nach München verbittert und soll aus Angst abgespritzt zu werden trotz Erkrankung keine medizinische Behandlung in Anspruch genommen haben.[7] Seine Ehe wurde bereits 1940 geschieden. Erkrankungsbedingt war Wörl zu 70 % erwerbsunfähig und konnte nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. [2] Wörl wurde Vorsitzender der Organisation Ehemaliger Auschwitzhäftlinge in Deutschland und hielt die Erinnerung an die Opfer der Konzentrationslager in der deutschen Bevölkerung aufrecht. Als Zeuge sagte Wörl 1963 im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess aus:[8]

„Dass auch das Leben eines Kindes in Auschwitz nichts galt, machte der Zeuge Ludwig Wörl deutlich. Vor dem Frankfurter Schwurgericht berichtete er, er habe gesehen, wie der Angeklagte Kaduk mit einer Pistole mehrere Kinder zu den Gaskammern getrieben habe. Nach dieser Aussage, so berichtete ein Prozessbeobachter, sei Wörl plötzlich von seinem Zeugenstuhl aufgesprungen, habe sich in Richtung Anklagebank gedreht und gerufen: Wo ist Kaduk? Die Pistole stießt du ihnen in den Rücken, so, so. Dabei habe der Zeuge gezeigt, wie Kaduk damals die Kinder in den Tod getrieben habe. Daraufhin, so berichtet der Beobachter weiter, sei auch Kaduk aufgesprungen und habe Wörl mit sich überschlagenden Worten angeschrieen – er sei dabei allerdings nicht zu verstehen gewesen. Erst als der Oberste Richter Hofmeyer gerufen habe Hinsetzen! Schreien Sie nicht den Zeugen an! und Polizisten den Angeklagten Kaduk wieder in seinen Stuhl zurückgedrückt hätten, hätte sich die Lage wieder beruhigt.“[9]

Bruno Baum schreibt in seinem Buch "Widerstand in Auschwitz" über Wörl:

... hat als Lagerältester des Krankenbaus ... viel dazu beitragen, dass die Atmosphäre besser wurde, d.h. eine Reihe krimineller Banditen wurde aus ihren Funktionen entfernt. Auch die furchtbaren sanitären Verhältnisse konnten nun geändert werden. Später, als Lagerältester des Stammlagers ... führte er ebenfalls einen energischen Kampf gegen die Berufsverbrecher [10]... Schließlich wurde er als Lagerältester abgelöst und strafversetzt...[11]

Nach seinem Tod wurde Wörl 1967 auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt.[12]

Ehrungen

Wörl wurde am 19. März 1963 von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.[8] 1966 erhielt er den Leo-Baeck-Preis.[13] In München wurde 1995 der Ludwig-Wörl-Weg nach ihm benannt.

Literatur

  • Daniel Fraenkel, Jakob Borut: Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher, Band 1, Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 9783892449003
  • Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Ullstein, Frankfurt 1980, ISBN 3-548-33014-2
  • Freiburger Rundbrief, Nummer 61/64, Juli 1965 (pdf; 8,4 MB)
  • Bruno Baum: Widerstand in Auschwitz. Kongress, Berlin, 1957, 1962

Einzelnachweise

  1. Lebensdaten nach Oberbayerisches Archiv, Band 104, 1979, S. 249
  2. 2,0 2,1 Freiburger Rundbrief, Nummer 61/64, Juli 1965, S. 94f
  3. Stanislav Zámečník: (Hrsg. Comité International de Dachau): Das war Dachau. Luxemburg, 2002, ISBN 2-87996-948-4., S. 170
  4. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt am Main, Berlin Wien, 1980, S. 50
  5. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt am Main, Berlin Wien, 1980, S. 253f
  6. Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. München 2007, ISBN 3-406-52965-8, S. 245
  7. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt am Main, Berlin Wien, 1980, S. 545
  8. 8,0 8,1 Daniel Fraenkel, Jakob Borut: Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher, Band 1, Göttingen 2005, S. 289f
  9. Ludwig Wörl während einer Zeugenaussage während des ersten Frankfurtter Auschwitzprozesses Zitiert bei: Bundeszentrale für politische Bildung - Rechtsextremismus.
  10. gemeint: im Lager
  11. S. 67, nur in der Neuausgabe 1962. Die Erstausgabe von 1949 erwähnt Wörl nur mit einem Wort. Editorisch interessant für Baums Änderungen ist, dass er in diesem Abschnitt umfangreiche Passagen über Hermann Langbein entfernt hat (Langbein verschwindet namentlich aus dem ganzen Buch, wird nur noch "der Schreiber" genannt) und stattdessen diesen Abschnitt über Wörl einfügte. Langbein war inzwischen zum Kritiker der Sowjetunion geworden.
  12. Grab – Ludwig Wörl
  13. Zentralrat der Juden in Deutschland – Preisträger des Leo-Baeck-Preises seit 1957
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Ludwig Wörl aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.