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Josef Kohout

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum gleichnamigen Komponisten siehe Josef Kohaut.

Josef Kohout (* 25. Jänner 1915 in Wien, † 15. März 1994 ebenda)[1][2] war ein österreichischer KZ-Überlebender und als solcher Zeitzeuge der Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus. Seine Erlebnisse im KZ Sachsenhausen und KZ Flossenbürg wurden von Hans Neumann unter dem fälschlicherweise oft auch Kohout zugeschriebenen Pseudonym Heinz Heger[3] im 1972 erschienenen Buch Die Männer mit dem rosa Winkel niedergeschrieben. Das Buch war der erste umfassende Bericht über die Gefangenschaft in einem Konzentrationslager aus der Sicht eines schwulen Mannes[2][4] und war als solcher bedeutend für die Schwulenbewegung.[5]

Leben

Kohout wuchs in Wien auf, war gelernter Friseur und arbeitet als Postbeamter. Im Alter von 24 Jahren wurde Kohout im März 1939 in Wien von der Gestapo verhaftet und aufgrund homosexueller Handlungen im Sinne des § 129 I b[6] des österreichischen Stragesetzbuches im September 1939 durch das Wiener Landesgericht zu einer siebenmonatigen Haft verurteilt. Im Anschluss an die Haft wurde er an die Gestapo rücküberstellt, ins KZ Sachsenhausen gebracht und war ab Mai 1940 im KZ Flossenbürg interniert. Sexuelle Beziehungen mit Kapos und einem Blockältesten erleichterten Kohout manche Aspekte des Häftlingslebens und erhöhten ebenso wie die Unterstützung seiner Eltern, die ihm Geld schickten und regelmäßig vergebens Kontakt zu ihm aufnehmen wollten, seine Chancen, die Haftzeit zu überleben. Am 22. April 1945 gelang ihm nach einem Todesmarsch der Häftlinge von Flossenbürg ins KZ Dachau die Flucht aus der Gefangenschaft.[2]

Nach dem Krieg war Kohout in Wien Angestellter in der Herstellung von Leder- und Schuhpflegemitteln sowie in der Textilindustrie. Er bemühte sich sein Leben lang um eine Entschädigung seitens der Republik Österreich bzw. um eine Anerkennung der Haftzeit als Beitragsersatzzeit für die Persion, ab den 1980er Jahren intensiviert durch Unterstützung der HOSI Wien und der Volksanwaltschaft. 1992 erhielt Kohout als einer der wenigen Häftlinge des Rosa Winkel die Haftzzeit als Ersatzzeit auf die Pension angerechnet, jedoch bis zu seinem Tod 1994 nach mehreren Schlaganfällen keine Entschädigungssumme im Sinne des Opferfürsorgegesetzes.

Seinen Lebensgefährten Wilhelm Kröpfl lernte er 1946 kennen und blieb mit diesem bis zu seinem Tod zusammen.[2] Dieser übergab einige Personalia Kohouts nach seinem Tod dem United States Holocaust Memorial Museum, darunter Briefe seiner Eltern, die ihn während seiner Haft nie erreicht habe, das Stück Stoff mit dem Rosa Winkel und seiner Häftlingsnummer sowie einzelne Tagebuchfragmente.[7] Es handelt sich dabei um den einzigen erhaltenen Rosa Winkel, der einer identifizierten Person zugeschrieben wird.[8] Kohout trat aus Rücksicht auf seine Familie nie mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit.[1]

Am 8. Juni 2010 wurde eine kleine Grünfläche am Zimmermannplatz im Wiener Gemeindebezirk Alsergrund, an dem Kohout zu Lebzeiten wohnte, in Gedenken an ihn Heinz-Heger-Park benannt.[9]

Die Männer mit dem rosa Winkel

Hans Neumann, ein Bekannter Kohouts, führte zwischen 1965 und 1967 rund 15 Interviews mit ihm und nahm diese als Grundlage für das Buch Die Männer mit dem rosa Winkel, das 1972 schließlich im Merlin Verlag veröffentlicht wurde. Durch die Ich-Erzählsituation entsteht der Eindruck, es handle sich um ein autobiographisches Buch, Kohout war nach den Interviews allerdings nicht mehr in der Entstehung des Buches involviert und las das fertige Manuskript nicht. Das Buch weist deshalb einige Unstimmigkeiten mit Kohouts Leben auf, die ihn selbst laut Krickler nicht störten[1]: Seine siebenmonatige Haft wird mit sechs Monaten und die Verurteilung mit dem § 175 angegeben, der vor österreichischen Gerichten nicht zu tragen kam. Während die Ich-Figur in Die Männer mit dem rosa Winkel zur Zeit ihrer Verhaftung Student ist, war Kohout tatsächlich Postbeamter.

Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt (u.a. ins Englische, Französische und Italienische) und hatte eine breite Wirkung: Jansen sieht das Buch als einen Wendepunkt in der Geschichte der Schwulenbewegung, die kurze Zeit später begann, den Rosa Winkel als Symbol schwuler Identität zu verwenden und ein Umdenken im bis dahin geringen Bewusstsein für die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus einleitete.[5] Der französische KZ-Überlebende Pierre Seel begann ebenfalls über seine Erfahrungen zu sprechen und zu schreiben, nachdem er von dem Buch erfahren hatte. Die Männer mit dem rosa Winkel war auch eine der Inspirationen für das 1979 uraufgeführte Theaterstück Bent des US-amerikanischen Schriftstellers Martin Sherman.[10]

Literatur

  • Heinz Heger: Die Männer mit dem rosa Winkel. 6. Auflage. Merlin Verlag, Hamburg 2014, ISBN 978-3875361247.
  • Kurt Krickler: Heinz Heger. Der Mann mit dem rosa Winkel. In: Lambda-Nachrichten. Juni, 2001, S. 42ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Krickler, S. 42.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Günter Grau (Hrsg.): Lexikon zur Homosexuellenverfolgung 1933−1945. Institutionen. Kompetenzen. Betätigungsfelder. Lit Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2011, ISBN 978-3-8258-9785-7, S. 127f.
  3. Frank Gassner: Wer war Heinz Heger?. Klärung eines Pseudonyms. Abgerufen am 24. Juli 2015.
  4. Alexander Zinn: „Das Glück kam immer zu mir“. Rudolf Brazda – das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2011, ISBN 978-3-593-39435-0, S. 23.
  5. 5,0 5,1 Erik N. Jansen: The Pink Triangle and Political Consciousness. Gays, Lesbians and the Memory of Nazi Persecution. In: Journal of the History of Sexuality. Januar-April, 2002, S. 319–355.
  6. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landes-Gericht für Strafsachen Wien I (LGI), VR 1951/39.
  7. Josef Kohout/Wilhelm Kroepfl papers. In: United States Holocaust Memorial Museum. , abgerufen am 27. Juli 2015.
  8. David W. Dunlap: Personalizing Nazis' Homosexual Victims. In: The New York Times. 26. Juni 1995, abgerufen am 24. Juli 2015.
  9. Heinz-Heger-Park. In: Wien Wiki. Abgerufen am 24. Juli 2015.
  10. Alistair Newton: Children of a lesser Holocaust. In: The Gay & Lesbian Review Worldwide. 19, Nr. 1, 2012.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Josef Kohout aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.