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Erwin Strittmatter

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Erwin Strittmatter (1992)

Erwin Strittmatter (* 14. August 1912 in Spremberg; † 31. Januar 1994 in Schulzenhof bei Dollgow) war ein sorbisch-deutscher Schriftsteller, der auf Deutsch schrieb. Er gehört zu den bekanntesten Schriftstellern der DDR.

Leben

Wohnhaus in Senftenberg

Seine Kindheit verbrachte Strittmatter in Bohsdorf nahe Spremberg in der Niederlausitz, wo seine Eltern einen Kolonialwarenhandlung und eine Bäckerei betrieben. Von 1924 bis 1930 besuchte er das heute nach ihm benannte Reform-Realgymnasium in Spremberg. Im „Laden“ kann man sein Heimatdorf und Spremberg unter dessen sorbischen Namen Grodk als Orte der Handlung wiederfinden.

Nach seiner Bäckerlehre (1930–1932) war er als Bäckergeselle (1932), Kellner, Hilfsarbeiter und Tierpfleger tätig. Hierbei bekam er – vor allem auf dem Gebiet der Tierzucht – meist gute Zeugnisse.

Geprägt durch seine Familie und sein soziales Umfeld, schloss sich Strittmatter noch vor der Zeit des Nationalsozialismus der SPD an.

In Rudolstadt-Schwarza arbeitete er seit Oktober 1938 als Facharbeiter bei der Thüringischen Zellwolle AG. Anfang 1940 bestand er bei der Waffen-SS den Eignungstest, wurde aber nicht angenommen, da seine Arbeit als kriegswichtig galt.

Ab 1941 diente Strittmatter in einer Einheit der Ordnungspolizei, dem Ordnungspolizei-Bataillon 325, welches später als SS-Polizei-Gebirgsjägerregiment 18 der Waffen-SS unterstellt wurde;[1] dies zog jedoch nicht automatisch die Mitgliedschaft in der SS nach sich.[2]

Der Literaturwissenschaftler Werner Liersch kritisierte Strittmatter, er habe die Nähe zur Waffen-SS zeit seines Lebens der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen.[3] Strittmatter soll zwei Spezialausbildungen zur Partisanenbekämpfung absolviert haben. Er war nach eigener Aussage nicht an Gewalttaten von SS-Einheiten beteiligt, sondern lediglich als Kompanieschreiber tätig gewesen. Im Sommer 1944 wechselte er zur Film- und Bildstelle der Ordnungspolizei.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Bäcker und später als Zeitungsredakteur in Senftenberg bei der Märkischen Volksstimme. Strittmatter arbeitete nach 1947 auch als Amtsvorsteher für sieben kleine Gemeinden in der Niederlausitz.

Seit 1954 lebte er in Schulzenhof im Ruppiner Land, wo er als Schriftsteller und Pferdezüchter bis zu seinem Tod arbeitete. Von 1959 bis 1961 war er 1. Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes.

Grab in Schulzenhof

Das Verhältnis zwischen Erwin Strittmatter und dem Ministerium für Staatssicherheit ist umfänglich analysiert und dokumentiert.[5] Von 1958 bis 1964 arbeitete er als Geheimer Informator der Staatssicherheit.[6]

2011 wurde bekannt, dass er im August 1961 kurz nach dem Mauerbau verhinderte, dass Günter Grass bei einem kurzen Aufenthalt in der DDR von der Stasi festgenommen werden konnte.[7] Ob Strittmatters Verhalten ein Einschreiten der Behörde bewusst verschleppen sollte oder ob er Informationen nur versehentlich auf Umwegen weitergab, ist bislang ungeklärt.

Strittmatter befürwortete in den 1970er Jahren laut Stasi-Akte des Schriftstellers Reiner Kunze dessen Ausweisung aus der DDR.[8]

Gedenktafel

Erwin Strittmatter war seit 1956 in dritter Ehe mit der Dichterin Eva Strittmatter (1930–2011) verheiratet. Sie lebte mit ihm seit 1957 in Schulzenhof. Beide zogen vier Kinder auf, davon drei gemeinsame Söhne. Vier weitere Söhne aus seinen beiden ersten Ehen wuchsen nicht bei ihm auf. Die Journalistin Judka Strittmatter (* 1966) ist seine Enkelin, Tochter seines zweiten Sohnes aus erster Ehe.[9]

Zum Freundeskreis der Strittmatters gehörten unter anderem Halldór Laxness, Lew Kopelew, der Staudenzüchter Karl Foerster und der Maler Hubertus Giebe.

Strittmatter wurde im Ortsteil Dollgow der Gemeinde Stechlin beigesetzt. Eva Strittmatter wurde 2011 an seiner Seite bestattet. Ihre Grabstelle liegt gegenüber dem Grab des zuvor verstorbenen Sohnes Matti.

Wirken

1950 erschien sein Erstlingswerk Ochsenkutscher. Bis 1953 arbeitete Strittmatter als Assistent bei Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. 1963 erschien Ole Bienkopp; dieser Roman wurde zu einem der meistgelesenen Bücher der DDR. Er wurde von der offiziellen DDR-Literaturkritik zum Teil scharf angegriffen, 1964 trotzdem mit dem Nationalpreis ausgezeichnet.

Von 1963 beschäftigte sich Strittmatter neun Jahre lang mit Kurzprosa. Man bezeichnet diese Phase, die 1972 mit Wie ich meinen Großvater kennenlernte ihr Ende fand, bisweilen als sein novellistisches Jahrzehnt.

Strittmatter schrieb auch nach der Wende 1989/90 intensiv weiter. Es entstand neben anderen Arbeiten 1992 der letzte Teil der Romantrilogie Der Laden. Mit diesem autobiografischen Roman setzt er der kulturellen Symbiose von Deutschen und Sorben ein Denkmal. Dabei schildert er die Diskreditierung der Sorben durch die Deutschen sehr plastisch. Der Stadt Spremberg und dem Dorf Bohsdorf hinterließ er mit Der Laden ein zeithistorisches Bild von den 1920er Jahren bis in die Nachkriegszeit. Wie auch in seinen anderen Werken setzte er sich mit der Entwicklung des Lebens auf dem Lande im Osten Deutschlands sowie mit der sorbischen Problematik in der Niederlausitz auseinander. Die Trilogie wurde 1998 verfilmt. Strittmatter hatte noch selbst den Regisseur Jo Baier zum Verfilmen angeregt.

Strittmatters Werke wurden in rund 40 Sprachen übersetzt.

Preise

Erwin Strittmatter auf der 1. Bitterfelder Konferenz, 24. April 1959

Ehrungen und Widerstände

Im Jahre 1994 stiftete das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg den „Erwin-Strittmatter-Preis“. Wegen der von Strittmatter zeit seines Lebens verschwiegenen Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Ordnungspolizei verzichtete die brandenburgische Regierung jedoch letztlich auf den Namen Strittmatters für den Preis und verleiht ihn seit 2008 als Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt.[10]

Am 23. Januar 1996 wurde das Spremberger Gymnasium durch den Landrat des Spree-Neiße-Kreises Dieter Friese in Erwin-Strittmatter-Gymnasium[11] umbenannt. Die Namensverleihung war sehr umstritten, weil Strittmatter die Schule voller Hass auf diese verlassen hatte. Letztendlich entschied sich seine Witwe Eva Strittmatter für den Namen. Des Weiteren wurde am 30. Mai 2005 das Gymnasium Gransee nach ihm und seiner Frau in Strittmatter-Gymnasium umbenannt.

Am 23. Januar 2012 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Spremberg, deren Ehrenbürger Erwin Strittmatter seit 1988 ist, aus Anlass seines 100. Geburtstages im August 2012 keine offizielle Ehrung bzw. Würdigung vorzunehmen. Grund dafür ist wiederum seine Mitgliedschaft in der Ordnungspolizei, die später in die SS eingegliedert wurde. Als weiterer Grund wurde seine Dienste für das Ministerium für Staatssicherheit angeführt.[12]

Werke

  • Ochsenkutscher (1950)
  • Eine Mauer fällt (1953)
  • Katzgraben (1953), (Inszenierung durch Brecht von 1957 verfilmt)
  • Tinko (1954)
  • Paul und die Dame Daniel (1956)
  • Katzgraben – Szenen aus dem Bauernleben Mit einem Nachspiel (1958)
  • Der Wundertäter (1957, 1973, 1980)
  • Die Holländerbraut (1959)
  • Pony Pedro (1959)
  • Ole Bienkopp (1963)
  • Schulzenhofer Kramkalender (1966)
  • Die Holländerbraut – Schauspiel in fünf Akten (1967)
  • Ein Dienstag im Dezember (1969)
  • 3/4hundert Kleingeschichten (1971)
  • Die blaue Nachtigall (oder Der Anfang von etwas) (1976)
  • Ein Dienstag im September (16 Romane im Stenogramm, 1977)
  • Sulamith Mingedö, der Doktor und die Laus (1977)
  • Meine Freundin Tina Babe (1977)
  • Die Nachtigall-Geschichten (1972, 1977, 1985)
  • Die alte Hofpumpe (1979)
  • Selbstermunterungen (1981)
  • Wahre Geschichten aller Ard(t) (1982)
  • Der Laden (1983, 1987, 1992)
  • Ponyweihnacht (1984)
  • Grüner Juni (1986)
  • Lebenszeit (1987)
  • Die Lage in den Lüften (1990)
  • Der Weihnachtsmann in der Lumpenkiste (2003)
  • Flikka (1992)
  • Wie ich meinen Großvater kennenlernte
  • Vor der Verwandlung (Hrsg. von Eva Strittmatter, 1995)
  • Geschichten ohne Heimat (2002)
  • Wie der Regen mit dem See redet (2002)
  • Kalender ohne Anfang und Ende – Notizen aus Piestany (Hrsg. von Eva Strittmatter, 2003)
  • Lebenszeit – Ein Brevier (Ausgewählt von Helga Pankoke, mit 85 Privatfotos)
  • Todesangst – Eine Nacht (Ausgewählt von Helga Pankoke, 2005)
  • Nachrichten aus meinem Leben – Aus den Tagebüchern 1954–1973 (Hrsg. von Almut Giesecke, 2012)
  • Der Zustand meiner Welt – Aus den Tagebüchern 1974–1994 (Hrsg. von Almut Giesecke, 2014)

Tonträger (Auswahl)

  • Erwin Strittmatter liest Ausschnitte aus seinem Roman Ole Bienkopp, Bearbeitung: Rudi Böhm, Regie: Renate Thormelen, Langspielplatte, Litera/ VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR 1965, Nr. 8 60 069
  • Erwin Strittmatter: Pony Pedro, Gelesen von Erwin Geschonneck, Langspielplatte, Litera/ VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR 1966, Nr. 8 60 061, Neuauflage 1977
  • Erwin Strittmatter liest: Wie ich meinen Großvater kennenlernte, Langspielplatte, Litera/ VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR 1976, Nr.: 8 60 229
  • Erwin Strittmatter liest aus: Der Laden, Langspielplatte, Litera/ VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR 1987, Nr.: 8 60 394
  • Erwin Strittmatter: Vor der Verwandlung, Gelesen von Manfred Steffen, 3 CDs, MDR 2002/ Der Audio Verlag 2002, ISBN 3-89813-197-1
  • Erwin Strittmatter liest aus: Der Laden, 6 CDs, Rundfunk der DDR 1979, 1983, 1984, 1988, 1989, 6 CD, Der Audio Verlag 2009, ISBN 978-3-89813-867-3
  • Erwin Strittmatter: Pony Pedro, Gelesen von Erwin Geschonneck, CD, Neuauflage, Rundfunk der DDR 1966/ Der Audio Verlag 2009, ISBN 978-3-89813-867-3

Literatur

  • Bernd-Rainer BarthStrittmatter, Erwin. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
  • Hermann Precht: Der sozialistische Realismus im Werk Erwin Strittmatters. Marburg/Lahn 1975.
  • Nadja M. Karoussa: Expressive sprachliche Mittel und ihre ästhetische Funktion in der Kurzprosa Erwin Strittmatters. Kairo 1976.
  • Angela Hoffmann: Die Individuumskonzeption im epischen Schaffen Erwin Strittmatters, untersucht an Frauenfiguren ausgewählter Romane. Leipzig 1987.
  • Jürgen Mannke: Die Wertung des Romanwerkes Erwin Strittmatters durch die Literaturkritik als Paradigma sich verändernder Wertmaßstäbe in der DDR-Literaturgeschichte von 1950–1988. Leipzig 1998.
  • Günther Drommer: Erwin Strittmatter – des Lebens Spiel. 2000.
  • Eva Strittmatter (Hrsg.): Eine Biographie in Bildern. 2002.
  • Henning Gloege: Der unbekannte Strittmatter. 2007.
  • Günther Drommer: Erwin Strittmatter und der Krieg unserer Väter. Das Neue Berlin, Berlin 2010, ISBN 978-3-360-01988-2.
  • Annette Leo: Erwin Strittmatter. Die Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-351-03395-8.
  • Joachim Jahns: Erwin Strittmatter und der böse Krieg. Biografische Nachträge, Dingsda-Verlag Querfurt, Leipzig 2012, ISBN 978-3-928498-88-3.
  • Joachim Jahns: Erwin Strittmatter und die SS, Günter Grass und die Waffen-SS , Dingsda-Verlag Querfurt, Leipzig 2012, ISBN 978-3-928498-98-2.
  • Carsten Gansel/ Matthias Braun (Hrsg.): Es geht um Erwin Strittmatter oder vom Streit um die Erinnerung, Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (Reihe Deutschsprachige Gegenwartsliteratur und Medien, Band 11) Göttingen 2012, ISBN 978-3-89971-997-0
  • Ulrich Schacht: Dem Geheimnis der Glaubwürdigkeit auf die Spur kommen. Begegnungen mit Erwin Strittmatter. In: Sinn und Form 2/2014, S. 170-181

Weblinks

 Commons: Erwin Strittmatter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Strittmatter im Schatten seiner Vergangenheit. Manuskript zum RBB-Fernsehmagazin Klartext vom 2. Juli 2008, abgerufen am 23. Juli 2012
  2. Dirk Becker: Erwin Strittmatter. Das unbefragte Schweigen. In: Der Tagesspiegel, 20. Februar 2009, abgerufen am 15. Dezember 2012
  3. Werner Liersch: Erwin Strittmatters unbekannter Krieg; FAS, Ausgabe vom 8. Juni 2008
  4. Wilfried Mommert: Der unbekannte Soldat. In: Bonner General-Anzeiger, 24. Juli 2012, S. 9
  5. Joachim Walther: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Chr. Links Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-86153-121-6
  6. Joachim Walther: Petzen und Plaudern. Die Stasi-Kontakte des ostdeutschen Erfolgsautors Erwin Strittmatter. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1996, S. 226–227 (23. September 1996, online).
  7. Markus Decker: Strittmatter «verhinderte» 1961 die Festnahme von Grass Mitteldeutsche Zeitung online, 5. Oktober 2011
  8. Reiner Kunze: Deckname „Lyrik“; Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 1990; ISBN 978-3-596-10854-1; S. 72.
  9. Karim Saab: Karim Saab: Literarisierte Vorwürfe: Judka Strittmatters unschöne DDR-Kindheit. In: Märkische Allgemeine Zeitung. 2012-03-10 (Memento vom 7. Oktober 2012 im Internet Archive)
  10. Land lässt Name «Erwin Strittmatter» bei Preisverleihung außen vor, Ad Hoc News, 31. Januar 2009 (Memento vom 9. Januar 2011 im Webarchiv archive.is)
  11. Website des Erwin-Strittmatter-Gymnasiums Spremberg
  12. René Wappler: Neue Attacken im Strittmatter Streit. In: Lausitzer Rundschau, 25. Januar 2012
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