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Ertrinken

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Das britische Kavallerieregiment 13th Hussars in Pretoria bei der Rettung ertrinkender Kameraden im Zweiten Burenkrieg (1902)

Das Ertrinken ist der Tod durch Einatmen von Flüssigkeiten. Ertrinken ist eine spezielle Form der Asphyxie, welche eine Unterform des äußeren Erstickens ist. Ertrinken gehört bei Kleinkindern zu den häufigsten Todesursachen. Es geschieht fast immer lautlos.

Statistiken und Studien zeigen, dass ein großer Teil von Ertrinkungsunfällen dicht am Ufer und an Booten passiert. Sehr häufig wurden die Betroffenen im Nachhinein als gute Schwimmer beurteilt. Forschungsergebnisse seit Beginn der 1980er Jahre erklären die ursächlichen Zusammenhänge und unterteilen den Ablauf des Ertrinkens durch plötzliches Eintauchen in Wasser in vier Phasen. Der Kälteschock als bestimmender Einflussfaktor bei Wassersportunfällen wird durch die Benetzung der Haut mit Wasser ausgelöst.

Die physiologische Antwort auf den Kontakt mit kaltem Wasser tritt bereits ab 20 °C Wassertemperatur auf, bedrohlicher ist der Bereich unter 15 °C Wassertemperatur. Je niedriger die Wassertemperatur, desto stärker ist die Antwort der beteiligten Organsysteme.

Das Einatmen von Flüssigkeiten führt zu einem augenblicklichen Verschluss des Kehldeckels.[1] Dieser Schutzmechanismus wird durch Rezeptoren ausgelöst, die sich im Bereich des Kehlkopfeingang befinden. Gleichzeitig wird versucht, die Fremdkörper, die Flüssigkeit etc. aus diesem Bereich durch Abhusten zu entfernen.

Statistik

Nach Schätzungen der Non-Profit-Organisation „Blausand.de“, die sich für mehr Badesicherheit einsetzt, kommen jedes Jahr allein in Europa mindestens 20.000 Menschen bei Badeunfällen ums Leben.[2]

In Deutschland ertranken 2010 insgesamt 438 Menschen, 7,6 Prozent weniger als 2009. 80 Prozent der Ertrunkenen waren Männer. Es waren 18 Kinder im Vorschulalter als Opfer betroffen. Mehr als die Hälfte der Ertrunkenen war älter als 50 Jahre. In diesen Zahlen sind auch Ertrinkungsunfälle enthalten, bei denen die Opfer von Booten oder vom Ufer aus ins Wasser gestürzt, ins Eis eingebrochen oder nach Autounfällen ertrunken sind.[3]

Im Jahr 2005 gab es in Deutschland 477 Opfer bei Badeunfällen in Gewässern zu beklagen, wobei die Mehrzahl in unbewachten Badeseen ertrank. In heißen Sommern nimmt die Zahl der Badeunfälle deutlich zu: Im heißen Sommer des Jahres 2003 gab es 644 Todesfälle beim Baden in Seen und Flüssen; im Jahr 2006 waren es 606.[4]

Im Jahr 2015 ertranken 488 Menschen in Deutschland. Mit 537 Badetoten im Jahr 2016, davon 46 Kinder, ertranken 49 Menschen mehr als im Jahr davor.[5]

In Asien ist der Tod durch Ertrinken die häufigste Ursache bei Ein- bis Vierjährigen und eine häufige Todesursache in der Altersgruppe der Fünf- bis 17-Jährigen. In Asien ertrinken etwa 20-mal mehr Menschen als in hochentwickelten Nationen. So meldet Bangladesch etwa 18.000, Vietnam 13.000 und Thailand 2.600 Todesfälle durch Ertrinken jedes Jahr.[6]

Pathophysiologie

Kälteschock

Maximale Überlebenszeiten in kaltem Wasser[7]
Wassertemperatur Zeit bis zur Bewusstlosigkeit Mögliche Überlebenszeit
0.3 °C < 15 min bis 45 min
4.5 °C 30 min bis 90 min
10 °C 1 h 3 h
15 °C 2 h 6 h
21 °C 7 h 40 h
26 °C 12 h > 40 h

Nach dem unfreiwilligen Eintauchen in kaltes Wasser kommt es innerhalb der ersten Minuten zu parallelen Reaktionen mehrerer Körpersysteme. Die Atmung, der Kreislauf, die Muskulatur und das Nervensystem sind dabei beteiligt. Je größer die benetzte Hautfläche und je größer die Temperaturdifferenz, desto deutlicher erfolgt die physiologische Antwort auf diesen Umgebungsreiz. Über die Information durch die Thermorezeptoren der Haut wird reflektorisch eine intensive Einatmung (Inspiration) ausgelöst. Weitere Folgen sind ein starker Anstieg der Herzfrequenz (Tachykardie) und des Atemantriebs (Tachypnoe). Zuerst gibt es unfreiwillige Atemzüge, denen eine Hyperventilation (schnelles und ungeordnetes Atmen) folgt. Das Atemzugvolumen ist dabei wesentlich gesteigert. Unter 15 ˚C Wassertemperatur verringert sich dabei das Vermögen, die Luft anzuhalten, auf zehn Sekunden. Die Synchronisation von Einatmung und Schwimmbewegungen ist stark eingeschränkt.

Neben dieser Atemreaktion tritt Panik auf, die Lage im Wasser kann nicht mehr kontrolliert werden. Mund- und Nasenraum können nicht gezielt über dem Wasser gehalten werden. Wasser gelangt in die Atemwege und wird aspiriert. In der gleichen Phase tritt ein dramatischer Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdruckes auf: Insbesondere bei vorbelasteten Menschen mit der Gefahr eines Herzinfarktes (Myokardinfarkt) oder Schlaganfalles (Apoplex). Die veränderte Umgebungstemperatur bewirkt des Weiteren ein sofortiges Zusammenziehen der Hautgefäße (Vasokonstriktion), Herzrhythmusveränderungen (Extrasystolen) und eine Steigerung des Blutdrucks (Hypertonie). Die Herzarbeit steigt, die Herzdurchblutung sinkt, die Sauerstoffversorgung des Herzmuskelgewebes nimmt ab.

In Großbritannien, wo das Meerwasser oft sehr kalt ist, ertranken 55 Prozent aller Opfer nicht mehr als drei Meter vom Ufer oder von einem Boot entfernt, obwohl ein Drittel davon als gute Schwimmer galten.[8]

Zeitliche Abfolge der Phasen nach dem Eintauchen in Wasser

Ausprägung jeweils abhängig von der Wassertemperatur:

  • Phase 1: Kälteschock (ca. 1–3 Minuten)
  • Phase 2: Schwimmversagen (ca. 3–30 Minuten)
  • Phase 3: Unterkühlung (ca. 30–60 Minuten)
  • Phase 4: Kreislaufreaktion durch die Rettung (während der Rettung oder Stunden nach der Rettung)

Hypothermie

Auf hoher See, in kalten Binnengewässern und bei Einbruch im Eis sterben die Ertrinkenden auch direkt durch Unterkühlung. Bei tiefen Temperaturen schon nach wenigen Minuten, manchmal aber auch erst bei falscher Bergung (Bergungstod). Siehe Tabelle #Kälteschock.

In Wasser unter 28 °C kann die Körpertemperatur nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Die Körperkerntemperatur fällt durch die Abgabe von Wärmeenergie an das umgebende Wasser ab. Die Geschwindigkeit dieses Abfalls ist abhängig von den Faktoren Wassertemperatur, Körpermasse, Körperfett, isolierender Bekleidung, der Wasserbewegung sowie dem Ernährungszustand vor dem Ereignis. Körperliche und mentale Fähigkeiten nehmen ab. Eine Unterkühlung tritt ein, wenn die Körperkerntemperatur unter 37 ˚C fällt. Je nach zeitlichem Verlauf werden die Übergänge über die Bewusstlosigkeit (Gefahr der Aspiration) bis zum Herzstillstand fließend sein.

Schwimmversagen

Neben dem Einfluss auf die Thermoregulation beeinträchtigt die Wassertemperatur die Leistungsfähigkeit der Muskelzellen. Gleichzeitig verringert sich die Geschwindigkeit der Reizleitung über die Nervenbahnen. Die Muskelkontraktion, die Greifkraft und die Handkoordination nehmen rapide ab und machen es schwierig bis unmöglich, z. B. eine Schwimmhilfe anzulegen oder sich aus dem Wasser zu ziehen. Die Schwimmfähigkeit des Betroffenen ist verringert, da die Synchronisierung von Atmung und Schwimmstößen schwierig wird. Der Schwimmer kommt in eine aufrechtere Position, um den Mund über Wasser zu halten, was zu ineffizienten Schwimmstößen führt.

Die beiden vorgenannten Phasen erklären den zeitlichen Ablauf bei vielen Ertrinkungsunfällen, ohne dass dabei die Körperkerntemperatur beeinflusst wird.

Die nächste Phase der Unterkühlung schließt sich in der Folge an, sollte der Betroffene z. B. durch eine Schwimmhilfe (Schwimmweste/Rettungsweste, andere Auftriebshilfe) an der Wasseroberfläche gehalten werden.

Aspiration

Pathophysiologisch unterscheidet man das Ertrinken in Süßwasser von dem in Salzwasser, was verschiedene Folgen für den Körper hat. Während diesen Mechanismen früher viel Beachtung geschenkt wurde, ist man heute der Ansicht, dass die resorbierten Wassermengen und die daraus resultierenden Elektrolytstörungen meist nicht relevant sind, und sieht als wichtigstes pathophysiologisches Prinzip des Ertrinkens die Hypoxie infolge des fehlenden Sauerstoffs sowie der lokalen Störungen der Lunge (Atelektasenbildung, Auswaschen von Surfactant) an.

Beim Ertrinken im Meer gelangt Salzwasser in die Lunge. Die Konzentration der Ionen in der Lunge ist höher als im anliegenden Gewebe, sodass ein Konzentrationsausgleich stattfindet. Da Biomembranen semipermeabel (für Ionen undurchlässig, für Wassermoleküle durchlässig) sind, muss der Konzentrationsausgleich mit Hilfe der Diffusion von Wassermolekülen erfolgen. Die Konzentration der Wassermoleküle in der Lunge ist geringer als im anliegenden Gewebe, sodass dem Gewebe Wassermoleküle entzogen werden und die Lunge weiter mit Wasser befüllt wird. Dieser Vorgang ist ähnlich der Plasmolyse (Wasser strömt aus den Zellen aus) bei Pflanzenzellen.

Auch beim Ertrinken im Süßwasser gelangt Wasser in die Lunge. Die Konzentration der Wassermoleküle in der Lunge ist nun höher als die in den Zellen des anliegenden Gewebes. Um diesen Konzentrationsunterschied auszugleichen, diffundieren Wassermoleküle aus dem Lungengewebe in die Erythrozyten, welche letztlich platzen. Dieser Vorgang ist ähnlich der Deplasmolyse (Wasser strömt in die Zellen ein) bei Pflanzenzellen.

Falls es nach dem Eindringen von Flüssigkeit (Wasser) in die Atemwege zu einem dauernden Stimmritzenkrampf kommt, kann dieser fortbestehen und zum Tode der Person führen. Man spricht dann vom trockenen Ertrinken, weil sich beim Toten kein Wasser in der Lunge findet. Besonders bei Kleinkindern (Pfütze, flacher Gartenteich) ist dies gefürchtet.

Ertrinken erkennen, Rettung und Erste Hilfe

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