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Bedürfnisanstalt

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Eine Bedürfnisanstalt, auch „Öffentliches WC“ oder WC-Anlage genannt, ist eine allgemein zugängliche größere Toilettenanlage im öffentlichen Raum zum Verrichten der Notdurft oder zum Urinieren. Meist befindet sie sich an größeren zentralen Plätzen, in Parkanlagen, auf Bahnhöfen und Raststätten.

Geschichte

Römische Bedürfnisanstalt in Ostia

Erste Nachweise einer Bedürfnisanstalt sind im Palast von Knossós aus der minoischen Zeit von Kreta zu finden. Dass hier die Reste eines Wasserklosetts gefunden wurden, gilt als ziemlich sicher. Als Örtlichkeiten sind Toiletten jedoch erst für die hellenistische Zeit sicher nachweisbar. Hier finden sich Spuren sowohl in Gymnasien als auch in Häusern. Bei den Römern waren Bedürfnisanstalten sowohl in öffentlichen Gebäuden als auch in Privathäusern seit der Spätphase der Republik anzutreffen. In manchen Häusern von Reichen gab es Wasserspülungen im Erdgeschoss. Die Regel war vor allem in den mehrstöckigen Mietshäusern, dass man sich durch Benutzung von Gefäßen behalf. Die öffentlichen Bedürfnisanstalten der Römer zeichneten sich nicht selten durch großen Komfort aus und waren teilweise luxuriös ausgestattet. In den latrina oder auch forica genannten Örtlichkeiten fand man Marmorsitze und sie waren meist ans Wassernetz angeschlossen. Eine Benutzung war gegen Entgelt möglich. Zur Regierungszeit von Kaiser Diokletian (284–305 n. Chr.) gab es 150 öffentliche Bedürfnisanstalten in der Stadt Rom. Viele waren direkt Badehäusern angeschlossen und zur Spülung wurde das gebrauchte Wasser der Bäder genutzt. Zur Reinigung diente der Xylospongium, ein Holzstab an dem Blätter und vor allem Schwämme befestigt waren. Er wurde wie unsere heutigen Klobürsten eingesetzt und diente zur Reinigung der Bedürfnisanstalten und der einzelnen Toilettensitze und -vertiefungen. Ein bekanntes Beispiel für solch eine Einrichtung ist die Cloaca Maxima.

Zur Zeit der Völkerwanderung gingen seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. zivilisatorische Errungenschaften der Antike verloren – so auch die Bedürfnisanstaltskultur. Im europäischen Mittelalter wurden Nachttöpfe auf die Gasse ausgeleert. In Burgen und Schlössern der Adligen gab es Aborterker – kleine, an die Burgmauern gleichsam angeheftete Toilettennischen. Die Notdurft fiel an der Burgmauer in die Tiefe.

Bedürfnisanstalt um 1900

Mit der Entwicklung von Abwassersystemen wurden zunehmend Bedürfnisanstalten eingerichtet. Eine besondere Alternative zur Bedürfnisanstalt mit Wasserspülung stellte das um 1900 entwickelte Feuerklosett dar. Zum schnellen Wechsel der Örtlichkeiten, speziell für die massenhafte Nutzung und vor allem in Kriegszeiten für Soldaten, wurden Gruben ausgehoben, vor denen zum Sitzen ein Donnerbalken aufgestellt wurde.

Prinzipien

Bedürfnisanstalten sind – im Gegensatz zu privaten Klos und WCs in Verkehrsmitteln – ähnlich wie Toiletten in Gaststätten und öffentlichen Gebäuden in der Regel nach Geschlechtern getrennt. In deutschsprachigen Ländern kostet oft die Benutzung Geld. Durch Münzeinwurf an Sperreinrichtungen (beispielsweise auf Bahnhöfen) wird das Entgelt erzwungen. In häufigen Fällen wird diese Nutzungsgebühr durch die Aufsichts- oder Reinigungsperson entgegengenommen. Für diese Berufstätigkeit ist die Bezeichnung „Toilettenwärter“, im besonderen Falle „Klofrau“ eingebürgert. Neben diesen gebührenpflichtigen Toiletten, die bei Kleingeldmangel zu Notsituationen führt, gibt es aber in neuerer Zeit den gegenläufigen Trend der „Netten Toilette“.

In der Regel sind Bedürfnisanstalten getrennt nach Geschlechtern eingerichtet. Einfache Einrichtungen dienen nur dem Urinieren von Männern. Auf Männertoiletten kommen neben den Sitzbecken getrennte Urinale und früher überwiegend sogenannte Pinkelrinnen zum Einsatz.

Seit den 1970er Jahren werden zunehmend auch Chemietoiletten für Sanitärcontainer oder Mobile Toilettenkabinen verwendet.

In zahlreichen Bedürfnisanstalten sind, insbesondere in den Einzelkabinen, die Wände mit Graffiti, den Klosprüchen verziert.

Sonstiges

Toilette in Berlin (Lese-Restaurant „Theodor Tucher“, vormals „Tucher am Tor“)
Hundertwasser-Toilette in Kawakawa

Die avantgardistische Kunstszene entdeckt seit einiger Zeit immer häufiger nicht mehr in Gebrauch befindliche Bedürfnisanstalten als ungewöhnliche Orte für Ausstellungen. Ein Beispiel ist das berühmte „London“ in der schwedischen Stadt Uppsala. Die vermutlich meistfotografierte öffentliche Toilette ist die Hundertwasser-Toilette in Kawakawa, Neuseeland. Sie wurde 1999 von dem bekannten Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen.[1] Weitere Hundertwasser-Toiletten befinden sich in Magdeburg und im Bahnhof von Uelzen.

Im Restaurant „Tucher“ nahe dem Brandenburger Tor befand sich eine den Berliner „Protz-Stationen“ der 1900er Jahre nachempfundene Toilette mit offenen Kabinen und (zwar mit Wasserspülung) imitierten Trockenklosettsitzen. Beim Umbau zum Lese-Restaurant wurden diese allerdings zu „dem Stand von 2000 zugelassenen“ Toiletten geändert. Lediglich die Pissoirsäule (mit sechs Ständen) trägt in Sichthöhe noch Bildschirme, auf denen kultivierte Videos laufen. Die Bezeichnung „Protz-Station“ geht auf einen Berliner Unternehmer zurück, der in der sich entwickelnden Großstadt Toiletten mit Wasserspülung zum allgemeine Zugang einrichten ließ. Das Tätigkeitswort „abprotzen“ steht in der Soldatensprache wiederum dem Abhängen der Protze nahe.[2] Diese Einrichtungen für den Stuhlgang ergänzten im öffentlichen Raum das Café Achteck, das nur dem Urinieren für Männer diente.

Eine neuere Form kostenlose öffentlichen Toilette zu unterhalten sind die im öffentlichen Raum aufgestellten Wall-Kioske der Firma Wall, die insbesondere in Großstädten und Touristenzentren eine zunächst kostenlose Nutzung ermöglichten. Das Unternehmen nutzt für die Aufstellung, Unterhaltung und Reinigung dieser Toilettenkioske im öffentlichen Raum einen Teil der Gelder, die durch das Aufstellen von Werbewänden, Werbungsaufstellern oder allgemein auf Stadtmöbeln im öffentlichen Stadtraum eingenommen werden. Inzwischen verlangt das Unternehmen für die Nutzung je nach Lage jedoch 30 Cent bis 50 Cent.

Literatur

  • H. Beraneck: Die Wiener Bedürfnisanstalten System Beetz. In: ZÖIAV 57.1905, S. 679f.
  • Gabriel Chevallier: Clochemerle (eine 1934 erschienene Novelle zum Thema, spielt im gleichnamigen fiktiven Städtchen im Beaujolais).
  • Erika Kiechle-Klemt, Sabine Sünwoldt: Anrüchig. Bedürfnis-Anstalten in der Großstadt. Raben, München 1990, ISBN 3-922696-55-4.
  • Peter Payer: Die unentbehrlichen Requisiten der Großstadt. Eine Kulturgeschichte der öffentlichen Bedürfnisanstalten von Wien. Löcker, Wien 2000, ISBN 3-85409-323-3.
  • Robert Waissenberger: Wiener Nutzbauten des 19. Jahrhunderts als Beispiele zukunftsweisenden Bauens. Jugend und Volk, Wien 1977, ISBN 3-7141-6789-7.
  • Instruction des Gesundheitsconseil zu Paris über die Anfertigung öffentlicher Abtritte und über die Desunderhaltung der Abtritte und deren Gruben. 1826 (LLB Detmold).

Weblinks

Wiktionary: Bedürfnisanstalt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Öffentliche Toilette Kawakawa. Die Hundertwasser Gemeinnützige Privatstiftung m RestaurantWien, abgerufen am 25.September 2010
  2. Soldatensprache: Stichwort abprotzen
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