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KZ-Außenlager Humboldtstraße

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Gedenktafel der Stadt Essen an der Humboldtstraße / Ecke Regenbogenweg in Essen-Fulerum
Text der Gedenktafel Humboldtstraße / Ecke Regenbogenweg

Das KZ-Außenlager Humboldtstraße war im Zweiten Weltkrieg eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald im Essener Stadtteil Fulerum. Die offizielle Bezeichnung war SS-Arbeitskommando Fried. Krupp, Essen. Hier waren auch 520 junge jüdische Frauen als Zwangsarbeiterinnen für die Friedrich Krupp AG untergebracht.

Geschichte

Entstehung

Aufgrund der sich spürbar verschlechterten kriegswirtschaftlichen und militärischen Lage im Deutschen Reich im letzten Kriegsjahr entwickelte sich ein immer stärker werdender Arbeitskräftemangel in der Rüstungsindustrie. Diese befand sich in Essen westlich der Innenstadt in der Krupp Gussstahlfabrik, die deshalb auch Waffenschmiede des Deutschen Reiches genannt wurde.

So forderte die Friedrich Krupp AG im Frühsommer 1944, nachdem keine Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeiter mehr zur Verfügung standen sowie eigene Belegschaftsmitglieder für den Krieg eingezogen wurden, die Zuteilung von 2.000 männlichen KZ-Häftlingen als Arbeitskräfte an. Der stellvertretende Personalchef der Firma Krupp, Lehmann, sprach persönlich bei der zuständigen Amtsgruppe D, der Inspektion der Konzentrationslager des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes (WVHA) in Oranienburg vor. Darauf folgte an das KZ Buchenwald eine schriftliche Anforderung, der im Juni 1944 entsprochen wurde. Statt der geforderten 2.000 Mann wurden der Firma Krupp im Juni 1944 jedoch weibliche Häftlinge zugesagt, die man zuvor, meist aus Ungarn, in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert aber dort noch nicht in den Gaskammern ermordet hatte. Diese 2.000 Jüdinnen befanden sich zur Trümmerbeseitigung in einem Zeltlager des Gelsenberg-Lagers in Gelsenkirchen, das dem KZ Buchenwald unterstand. Die Abkommandierung zur Zwangsarbeit rettete die Frauen vor dem Gastod im Konzentrationslager. Krupp sandte den Beauftragten Walter Trockel ins Gelsenberg-Lager. Von einer Delegation aus Personalverwaltung und Betriebsführung wurden 500 Frauen im Alter von rund 20 Jahren ausgewählt. Obwohl Krupp nur 300 Arbeitsplätze für Frauen hatte, musste grundsätzlich immer eine Gruppe zu 500 Personen zugeteilt werden. Zusätzlich wählte man noch 20 sogenannte Funktionshäftlinge aus. Alle 520 Frauen wurden im August 1944 in das KZ-Außenlager in der Humboldtstraße in Essen-Fulerum gebracht.

Das Lager

Albert Rieck, ein dreißigjähriger SS-Oberscharführer, war Lagerführer an der Humboldtstraße. Seine Stellvertreter waren die SS-Unterscharführer Otto Maier und Willi Kerkhoff.

1943 wurde das Lagergelände in Essen-Fulerum angelegt. Zunächst befanden sich im Lager französische Zivilarbeiter, später sowjetische Zwangsarbeiterinnen und italienische Militärinternierte. Im August 1944 kamen die in Gelsenkirchen ausgewählten jüdischen Frauen für die Rüstungsindustrie der Firma Krupp hinzu. Sie brachte man in den mit Stacheldraht abgegrenzten, westlichen Lagerbereich mit vier Schlafbaracken und einer Küchebaracke mit Speiseraum unter. Zuvor waren hier die internierten Italiener untergekommen. Die Baracken waren auf freiem Feld errichtet worden. Es gab keine befestigten Zugangswege. Eine Schlafbaracke bot 130 Schlafplätze auf Strohsäcken in 65 doppelten Bettgestellen. Gegenüber dem Stacheldraht waren noch die sowjetischen Häftlinge untergebracht. Da die SS aufgrund der Vielzahl der entstandenen Außenlager zu wenig Wachpersonal hatte, ließ sie zur Ergänzung ihrer Truppen Krupp-Mitarbeiterinnen im KZ Ravensbrück während eines rund zehntägigen Crash-Kurses schulen und führte sie in den SS-Dienst ein.

Die 520 jungen jüdischen Frauen mussten nun im Kruppschen Walzwerk II und in der Elektrodenwerkstatt an der Helenenstraße Schwerstarbeit leisten, wobei sie von anderen Arbeitskräften abgegrenzt wurden. Der morgendliche Appell fand immer um 4 Uhr vor den Baracken statt. Die rund sechs Kilometer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Lager konnten die Zwangsarbeiterinnen meist hin und zurück mit der Straßenbahn fahren. Arbeitsbeginn war um 6 Uhr für die meisten Frauen im Walzwerk II, um Öfen zu beschicken oder Schweißarbeiten und Hilfstätigkeiten auszuführen.

Am 23. und 24. Oktober 1944 wurde der südliche Teil des Arbeitslagers an der Humboldtstraße durch Luftangriffe der Alliierten nahezu völlig zerstört, was eine weitere Verschlechterung der Situation der Häftlinge zur Folge hatte. Statt mit der Straßenbahn, die auch zerstört war, zu fahren, mussten nun die sechs Kilometer Arbeitsweg zu Fuß marschiert werden. Lebensmittel wurden weiter gekürzt, da auch die Küchenbaracke bei einem weiteren Luftangriff am 12. Dezember 1944 zerstört wurde. Schlafmöglichkeiten gab es nur noch im Kellerraum einer zerstörten Baracke mit etwas Stroh auf meist feuchtem Zementboden. Die Kruppsche Firmenleitung hatte zwar Kenntnis dieser Zustände, unternahm jedoch nichts.

Auflösung und Befreiung

Text der Gedenktafel am ehemaligen Haus Markscheide 50

Am 17. März 1945 musste das Lager aufgelöst werden, da es aufgrund dem weiteren Vorankommen der Alliierten nicht mehr gehalten werden konnte. Bereits im Februar des Jahres behauptete Lagerleiter Rieck, dass er den Befehl habe, keinen Lagerhäftling lebend in die Hände der Alliierten fallen zu lassen. Krupp verfügte daraufhin, dass seine Zwangsarbeiterinnen Essen sofort verlassen müssen. Sie mussten an jenem 17. März zu einem Sonderzug nach Bochum marschieren, wobei sie von SS-Wachleuten und einem Verwaltungsangestellten der Firma Krupp geführt wurden. Von dort wurden die Häftlingsfrauen mit jüdischen männlichen Häftlingen aus Ungarn zusammen per Eisenbahn zum Konzentrationslager Buchenwald abtransportiert. Die Fahrt in 3.-Klasse-Wagen und Güterwaggons dauerte drei Tage. Die Frauen wurden auf einem weiteren Transport ins KZ Bergen-Belsen umgeleitet, wo sie am 22. März eintrafen. Dort waren sie unter anderem dem Typhus und Drohungen von Erschießungskommandos ausgesetzt. Viele Frauen aus dem Essener Arbeitslager überlebten Bergen-Belsen nicht. Eine größere, nicht genau bekannte Zahl erlebte jedoch noch die Befreiung des Konzentrationslagers durch die Engländer am 15. April 1945.[1] Sie wurden zunächst durch das Rote Kreuz nach Schweden gebracht, von wo aus manche nach Israel und andere in die USA abwanderten. Nur wenige sind nach Ungarn zurückgekehrt.

Sechs Frauen (namentlich: Gizella Israel, Rosa Katz, Agnes und Renée Königsberg sowie Elizabeth und Erna Roth) konnten in den Wirren eines Luftangriffs auf dem Weg vom Lager zur Arbeit vor dem Abtransport nach Bergen-Belsen flüchten. Einige Tage verbrachten sie im Keller eines zerstörten Gebäudes ohne Essen und Trinken. Dann kamen sie ins nahe gelegene Haus zu Familie Erna und Gerhard Marquardt. Sie konnten vier Wochen lang, bis zum Einmarsch der Amerikaner in Essen am 11. April 1945, versteckt gehalten werden. Zwei Frauen fanden bei dem Krupp-Mitarbeiter Gerhard Marquardt Zuflucht. Die anderen vier Frauen brachte er dem Lebensmittelhändler Fritz Niermann, der sie mit anderen russischen Zwangsarbeitern in seiner Wohnung in der Markscheide 50 in Essen-Altendorf versteckt hielt. Des Weiteren setzten die Nachbarin Erna Lippold, der Kruppmitarbeiter Karl Schneider und Niermanns Angestellte Gertrud Hahnen und Adolf Gatzweiler bei der Rettung ihr Leben aufs Spiel. 1988 ehrte der Staat Israel Fritz Niermann und Gerhard Marquardt mit der Auszeichnung Gerechte unter den Völkern für ihre mutige und selbstlose Hilfe, die sie selbst in Lebensgefahr brachte.[2]

Im Nürnberger Krupp-Prozess 1947/48 wurde das Lager Humboldtstraße als Ausdruck unmenschlicher Arbeitskräftepolitik und einer industriellen Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen gewertet, auch weil Krupp in Kenntnis des Ziels KZ Buchenwald veranlasste, dass die Jüdinnen Essen verlassen mussten.

Heutiger Zustand

Das ehemalige Areal des Arbeitslagers wurde in der Nachkriegszeit mit Mehrfamilienhäusern überbaut, die noch heute dort stehen.

1989 ließ die Stadt Essen an der Humboldtstraße / Ecke Regenbogenweg in Essen-Fulerum eine kleine Gedenktafel aufstellen, die auf die Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald, das Schicksal seiner hier untergebrachten Zwangsarbeiterinnen und auf die damals herrschenden, untragbaren Zustände hinweist. Diese Tafel ist Bestandteil der 5. Themenroute der Route der Industriekultur – Krupp und die Stadt Essen.

Das Haus in der Markscheide 50, in dem die sechs geflüchteten Frauen durch ihre Retter versteckt gehalten wurden, wurde im Rahmen eines städtebaulichen Projektes 2011 abgerissen. Die am Haus befindliche Gedenktafel wurde gesichert. An geeigneter Stelle vor Ort soll auch künftig weiter an das Geschehene erinnert werden. [3]

Literatur

  • Jan Erik Schulte: Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945. Schoeningh Verlag, 2004, ISBN 3506717431, S. 188 bis 192.
  • Ulrich Herbert: Dachauer Hefte 2: Sklavenarbeit im KZ - Von Auschwitz nach Essen: Die Geschichte des KZ-Außenlagers Humboldtstraße. Dtv Verlag, 1993, ISBN 3423046074, S. 13 bis 34.
  • Ernst Schmidt: Lichter in der Finsternis : Gegner und Verfolgte des Nationalsozialismus in Essen. Klartext Verlag, Essen 2003, ISBN 3898612805, S. 328 bis 360.
  • Bruno Fischer: Ruhrgebiet 1933-1945: der historische Reiseführer. Links Christoph Verlag, 2009, ISBN 3861535521, S. 42.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karin Orth: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsanalyse. Hamburger Edition, 1999, ISBN 3930908523, S. 262 bis 269, 309 bis 313.
  2. Gedenktafel, vormals am Haus Markscheide 50 in Essen-Altendorf
  3. Lebensretter bleiben verewigt in: Lokalkompass Essen vom 18. August 2011; zuletzt gesichtet am 27. März 2012
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Vorlage:Navigationsleiste Route der Industriekultur - Themenroute 5: Krupp und die Stadt Essen
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