Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Verfassung der Fünften Französischen Republik

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die aktuelle französische Verfassung wurde am 4. Oktober 1958 ratifiziert und bisher 18-mal abgeändert, zuletzt am 4. Februar 2008. Sie wird auch als Verfassung der Fünften Französischen Republik bezeichnet und ersetzte die Verfassung der Vierten Republik, welche vom 28. Oktober 1946 stammt. Ihr Hauptinitiator war Charles de Gaulle, formuliert wurde sie von Michel Debré. Sie prägt maßgeblich das politische System Frankreichs.

Inhalt

Präambel und Artikel 1

Die Präambel erinnert an die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und die in der Präambel der Verfassung von 1946 niedergelegten wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die vom Conseil constitutionnel in einem Urteil zur Vereinigungsfreiheit[1] zusammen mit dem eigentlichen Verfassungstext von 1958 als Bloc de constitutionnalité bezeichnet wurden. Später wurde den Grundrechten von 1789 und 1946 die Umweltcharta von 2004 hinzugefügt.

Artikel 1 erklärt Frankreich zu einer unteilbaren, laizistischen, demokratischen und sozialen Republik. Er enthält außerdem den Gleichheitsgrundsatz und verpflichtet den Staat zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter.

Titel I: Über die Souveränität

In Artikel 2 werden bestimmte nationale Symbole wie Flagge und Hymne festgelegt; seit 1992 gehört hierzu auch die französische Sprache.

Artikel 3 enthält den Grundsatz der Volkssouveränität, die durch gewählte Repräsentanten und im Wege des Referendums ausgeübt wird. Entsprechend der französischen Tradition wird die Unteilbarkeit der Souveränität besonders hervorgehoben. Dieser Artikel enthält schließlich die wichtigsten Wahlrechtsgrundsätze.

Artikel 4 enthält zum ersten Mal in der französischen Geschichte eine Verfassungsbestimmung zur Stellung und zu den Rechten der Parteien.

Titel II: Der Staatspräsident

In Artikel 6 und 7 werden die Bestimmungen für die Wahl des Staatspräsidenten, die seit Verfassungsänderungen von 1962 als Direktwahl und von 2000 für fünf Jahre (vorher sieben) erfolgt, getroffen.

Außerdem enthält dieser Titel die Rechte und Aufgaben des Präsidenten, der aufgrund dieser Rechte im politischen System Frankreichs eine starke Stellung einnimmt. Hierzu gehören insbesondere:

  • das Recht den Premierminister und die Mitglieder der Regierung zu ernennen (Art. 8),
  • das Recht, den Vorsitz im Ministerrat zu führen (Art. 9),
  • die Ausfertigung und Verkündung der Gesetze, wobei dem Präsidenten insofern ein suspensives Vetorecht zusteht, als er eine erneute Beratung eines Gesetzes verlangen kann (Art. 10),
  • das Recht, das Volk im Wege des Referendums unmittelbar über Gesetzesvorschläge abstimmen zu lassen – dieser Artikel wurde 2008 um die Möglichkeit einer Initiative von einem Fünftel der Parlamentsmitglieder, unterstützt durch ein Zehntel der registrierten Wähler, ergänzt – (Art. 11),
  • das Recht, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen (Art. 12),
  • den Oberbefehl über das Militär zu führen (Art. 15),
  • 30 Tage lang unanfechtbare Vollmachten zur schleunigsten Sicherung der von den verfassungsmäßigen öffentlichen Gewalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten Mittel, falls „die Institutionen der Republik, die Unabhängigkeit der Nation, die Integrität ihres Staatsgebietes oder die Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen schwer und unmittelbar bedroht sind und wenn gleichzeitig die ordnungsgemäße Ausübung der verfassungsmäßigen öffentlichen Gewalten unterbrochen ist“ (Art. 16),[2]
  • das Begnadigungsrecht (Art. 17).

Titel III: Die Regierung

Dieser Titel enthält Bestimmungen über Stellung und Aufgaben der Regierung, die gegenüber dem Parlament verantwortlich ist (Art. 20), sowie des Premierministers. Durch die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament ist das politische System Frankreichs kein präsidentielles Regierungssystem, sondern hierfür wurde der Begriff semipräsidentielles Regierungssystem geprägt.

Art. 23 legt die Unvereinbarkeit eines Regierungsamtes mit einem Parlamentsmandat sowie mit jeder weiteren öffentlichen Funktion oder Berufstätigkeit fest.

Titel IV: Das Parlament

Das Französische Parlament besteht mit Nationalversammlung und Senat aus zwei Kammern, von denen die erste direkt und die zweite indirekt durch Mitglieder der parlamentarischen Vertretungen in Gemeinden, Departements und Regionen sowie die Mitglieder der Nationalversammlung bestimmt wird (Art. 24).

Weitere Artikel dieses Titels betreffen unter anderem die Wahlgesetze (Art. 25), die Stellung der Abgeordneten (Art. 26 und 27) sowie Verfahrensbestimmungen.

Titel V: Über die Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung

Art. 34 enthält einen abschließenden Katalog von Gegenständen der Gesetzgebung, was insofern eine Beschränkung der Stellung des Parlaments bedeutet, als alle anderen Regelungsgegenstände den Verordnungen der Regierung vorbehalten sind (Art. 37).

Art. 39 bis 47 betreffen das Gesetzgebungsverfahren, insbesondere

  • das Recht zur Gesetzesinitiative, das den Mitgliedern des Parlaments und dem Premierminister zusteht (Art. 39),
  • das gewöhnliche Gesetzgebungsverfahren (Art. 40 bis 45), in dem bei Uneinigkeit zwischen den Kammern nach einem Vermittlungsverfahren die Nationalversammlung das letzte Wort hat,
  • besondere Bestimmungen für Organgesetze, d. h. Ausführungsgesetze zu Verfassungsbestimmungen, (Art. 46) und
  • besondere Bestimmungen für Haushaltsgesetze (Art. 47 bis 47-2).

Art. 49 enthält Bestimmungen über das Misstrauensvotum und die Vertrauensfrage sowie die Möglichkeit, einen Gesetzesvorschlag mit der Vertrauensfrage in der Form zu verbinden, dass das Gesetz als angenommen gilt, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden ein Misstrauensvotum beantragt wird.

Titel VI: Über internationale Verträge und Abkommen

Ermöglicht werden die Aushandlung und Ratifizierung internationaler Abkommen sowie Verträge, welche mit der Europäischen Union in Verbindung stehen. Es ist unklar, ob die genaue Formulierung mit dem europäischen Recht vereinbar ist.

Titel VII: Der Verfassungsrat

Mit dem Verfassungsrat verfügt Frankreich in der Fünften Republik erstmals über ein Verfassungsgericht, dem jedoch zunächst im Wesentlichen die Wahlprüfung (Art. 58–60) sowie die Beilegung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Regierung und Parlament zukam. Erst 1974 erhielt auch eine Minderheit von 60 Abgeordneten oder Senatoren durch Art. 61 (2) die Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen vor deren Inkrafttreten vom Verfassungsrat feststellen zu lassen.

Die Möglichkeit einer rückwirkenden Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, die bereits in Kraft sind, im Wege der Richtervorlage wurde erst 2008 eingeführt (Art. 61-1).

Titel VIII: Über die rechtsprechende Gewalt

Die Bestimmungen dieses Titels garantieren eine unabhängige Justiz, und sie verbieten willkürliche Verhaftungen (Art. 66) sowie seit 2007 die Todesstrafe (Art. 66-1), die allerdings bereits 1981 abgeschafft wurde.

Titel IX: Der Hohe Gerichtshof

Dieser Titel enthält Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortung des Präsidenten (Art. 67) und das Amtsenthebungsverfahren (Art. 68)

Titel X: Über die strafrechtliche Verantwortung der Regierungsmitglieder

Die 1993 eingefügten Artikel 68-1 bis 68-3 enthalten Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortung der Regierungsmitglieder und einen hierfür eigens eingerichteten Gerichtshof.

Titel XI: Der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat

Dieses 1925 eingerichtete beratende Gremium erhielt mit der Verfassung von 1946 erstmals Verfassungsrang, der auch 1958 bestätigt wurde. Früher als Wirtschafts- und Sozialrat bezeichnet, wurde sein Zuständigkeitsbereich durch die Verfassungsreform von 2008 um das Sachgebiet Umwelt erweitert.

Titel XI bis: Der Ombudsman

Das Amt des Ombudsmanns, der zum Schutz der Grundrechte von jedermann angerufen oder von sich aus tätig werden kann, wurde in Frankreich 2008 eingeführt.

Titel XII: Über die Gebietskörperschaften

Dieser Titel wurde im Rahmen der Dezentralisierung mehrfach überarbeitet. Er legt insbesondere auch besondere Rechte der Überseegebiete fest.

Titel XV: Über die Europäische Union

Art. 88-1 bestimmt, dass Frankreich an der Europäischen Union mitwirkt.

Weiterhin geregelt werden das passive Wahlrecht der EU-Bürger an den Kommunalwahlen oder das Verfahren beim Beitritt neuer Mitgliedstaaten.

Titel XVI: Über die Verfassungsänderung

Die Verfassung legt auch die Möglichkeiten, sie selbst abzuändern fest: Dies ist entweder durch ein Referendum oder durch einen parlamentarischen Prozess mit Einwilligung des Präsidenten möglich. Normalerweise laufen solche Anträge wie folgt ab: Die Abänderung muss im gleichen Wortlauf von beiden Kammern des französischen Parlaments akzeptiert werden, daraufhin muss sie entweder von einer einfachen Mehrheit in einem Referendum oder von einer Dreifünftelmehrheit in beiden Kammern gemeinsam angenommen werden. De Gaulle umging diesen Mechanismus jedoch schon 1962 und veranlasste direkt ein Referendum über eine von ihm vorgeschlagene Verfassungsänderung, welche auch angenommen wurde. Dieses Vorgehen wurde damals sehr kontrovers diskutiert. Der Conseil constitutionnel entschied jedoch, dass ein Referendum „der unmittelbare Ausdruck der Volkssouveränität[3] sei, erklärte sich für nicht zuständig für die inhaltliche Beurteilung von durch Referendum angenommenen Gesetzen und ließ somit die Verfassungsänderung zu.

Literatur

  • La Constitution. Introduite et commentée par Guy Carcassonne. Paris: Seuil.
  • Frédéric Monera: L’idée de République et la jurisprudence du Conseil constitutionnel. Paris: L.G.D.J., 2004.

Einzelnachweise

  1. Entscheidung 71-44 DC
  2. Verfassung vom 4. Oktober 1958. (PDF; 195 KB) Conseil constitutionnel, abgerufen am 1. Juli 2018 (mit Neufassungen infolge der Verfassungsänderung vom 21. Juli 2008).
  3. Entscheidung 62-20 DC

Weblinks

Vorlage:Navigationsleiste Verfassungen der Staaten Europas

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Verfassung der Fünften Französischen Republik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.