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Prosopagnosie

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Prosopagnosie [ˈpʁozoːpˌagnoˈziː] (von altgriechisch τὸ πρόσωπον tò prósōpon „das Gesicht“ und ἡ ἀγνωσία hē agnōsía „Nichterkennen“), Gesichtserkennungsschwäche oder Gesichtsblindheit bezeichnet die Unfähigkeit, die Identität einer bekannten Person anhand ihres Gesichtes zu erkennen. Es handelt sich also um eine Form der visuellen Agnosie.

Krankheitsbild

Das Krankheitsbild wurde erstmals 1947 durch den deutschen Neurologen Joachim Bodamer beschrieben. Er berichtete über drei Patienten, die nach einer Gehirnverletzung außerstande waren, das Pflegepersonal (und teils auch die eigenen Verwandten) wiederzuerkennen. Bodamer prägte auch den Begriff Prosopagnosie. Ins Deutsche wird er üblicherweise mit Gesichtsblindheit übertragen.

Prosopagnosie wird in drei verschiedene Typen unterschieden:

Ursache

Verletzungen im ventralen Pfad zwischen Okzipital- und Temporallappen, z. B. durch einen Schlaganfall oder Unfall, können eine Prosopagnosie hervorrufen. In diesem Bereich liegt der Gyrus fusiformis, dessen Fusiform Face Area (FFA) – insbesondere auf der rechten Körperseite – an der Erkennung von Gesichtern beteiligt ist. Formen der Prosopagnosie können auch vererbt werden.[1] Die genetische Ursache der Krankheit ist allerdings noch unbekannt.[2]

Häufigkeit

Bei einer Untersuchung im Jahr 2005 im Raum Münster an 689 Schülern und Studenten wurde eine Prävalenz von 2,47 % (17 von 689) der erblichen Form festgestellt.[3]

Umgang mit der Erkrankung

Prosopagnostiker können problemlos einzelne Merkmale des Gesichts erkennen und zum Teil auch Personen anhand einzelner Gesichtsmerkmale wie Wimpern oder Zahnstellung erkennen. Andere Merkmale wie Stimme, Hände, Gangart, besondere Kleidung oder Frisuren werden auch zur Erkennung von Personen benutzt.[4] Je nach Art der Prosopagnosie können Betroffene unterschiedliche Informationen aus Gesichtern schließen.

Apperzeptive Prosopagnostiker können nicht das Alter und Geschlecht aus dem Gesicht erschließen, auch fällt ihnen das Erkennen von Emotionen schwer. Weiterhin sind sie nicht in der Lage, Gleich-Verschieden-Urteile über Gesichter zu fällen.

Assoziative Prosopagnostiker können Gleich-Verschieden-Urteile fällen, das Alter und Geschlecht erkennen. Semantische Informationen (z. B. wer ist die Person oder welchen Beruf hat die Person) können sie ebenso wenig wie apperzeptive Prosopagnostiker abrufen. Die Leistungen, zu denen kongenitale Prosopagnostiker fähig sind, sind deutlich variabler.

Kongenitalen Prosopagnostikern, also Menschen mit angeborener Prosopagnosie, braucht nicht bewusst zu sein, dass sie eine Prosopagnosie haben, da diese Tatsache schwer zu glauben ist. Zum Vergleich: Ein Kind, das eine Rot-Grün-Blindheit hat, wird in den allermeisten Fällen nicht plötzlich zu der Erkenntnis kommen, dass alle Menschen um es herum bestimmte Farben auseinanderhalten können, bei denen es selbst keinen Unterschied sieht. Vielmehr wird das Kind leicht verwirrt bei der Zuordnung von Farben wirken, sehr bald aber einfach auswendig wissen, dass Erwachsene erwarten, dass es die Frage nach der Farbe des Rasens mit „grün“ beantwortet, dass das obere Licht einer Ampel „rot“ ist usw. Wenn dennoch nahezu alle Rot-Grün-Blinden heute von dieser Blindheit wissen, so liegt das an den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, bei denen routinemäßig auch danach gesucht wird. Die kongenitale Prosopagnosie hingegen ist selbst den meisten Ärzten völlig unbekannt.

Die Symptomatik kann, wenn sie sich manifestiert, leicht mit Autismus und Asperger-Syndrom verwechselt werden, tritt auch sehr häufig als Komorbidität bei Autismus auf. Nahezu alle Kinder mit Prosopagnosie entwickeln unbewusst Strategien, um mit der Störung umzugehen: Erkennung von Menschen an Stimme, Kleidungsgewohnheiten, Statur, Bewegung. Prosopagnostische Kinder profitieren stark von einer frühen Diagnose, da Bezugspersonen ihnen so bei der Entwicklung dieser Strategien helfen können. Eine Behandlung der kongenitalen Prosopagnosie selbst ist nicht bekannt.

Siehe auch

  • Apraxie – eine motorische Störung
  • Bálint-Syndrom – räumliche Aufmerksamkeitsstörung, bei der unter anderem nur Teilaspekte von Bildern wahrgenommen werden, sodass eine Prosopagnosie entstehen kann
  • Capgras-Syndrom – von der älteren Forschung mit der Prosopagnosie assoziiertes Syndrom, bei dem man glaubt, nahe Lebensgefährten seien durch identisch aussehende Doppelgänger ersetzt worden.
  • N170Ereigniskorreliertes Potential, welches maßgeblich die Verarbeitung von Gesichtern repräsentiert
  • Pareidolie
  • Phonagnosie– Unfähigkeit, die Identität von Personen anhand ihrer Stimme zu erkennen
  • Thatcher-Illusion

Literatur

  • M. Behrmann, G. Avidan: Congenital Prosopagnosia: face-blind from birth. In: Trends in Cognitive Sciences. 9, 2005, S. 180–187.
  • T. Grüter, M. Grüter: Prosopagnosia in Biographies and Autobiographies. In: Perception. 36, 2007, S. 299–301, Volltext (PDF; 79 kB).
  • T. Grüter, M. Grüter, C. C. Carbon: Neural and genetic foundations of face recognition and prosopagnosia. In: Journal of Neuropsychology. 2, 2008, S. 79–97, PMID 19334306.
  • H. Toghi, K. Watanabe, H. Takahashi, H. Yonezawa, K. Hatano, T. Sasaki: Prosopagnosia without topographagnosia and object agnosia associated with a lesion confined to the right occipitotemporal region. In: Journal of Neurology. 248, Jul 1994, S. 470–474, PMID 7964914.
  • Martina Grüter: Die Genetik der kongenitalen Prosopagnosie. (PDF) Dissertation. Universität Münster, 2004, abgerufen am 11. Mai 2017.
  • Gerald Traufetter: Welt voller Fremder. In: Der Spiegel. Nr. 24, 2003 (online).

Weblinks

Wiktionary: Prosopagnosie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Forschung

Dokumentationen

Seiten von Betroffenen und für Betroffene, Erfahrungsberichte

Test

Einzelnachweise

  1. M. Grueter, T. Grueter, V. Bell, J. Horst, W. Laskowski, K. Sperling, P. W. Halligan, H. D. Ellis, I. Kennerknecht: Hereditary prosopagnosia: the first case series. In: Cortex. 43 (6), Aug 2007, S. 734–749. PMID 17710825.
  2. Was Gesichter verraten. In: Quarks & Co. 13. März 2012, 21:00, WDR
  3. I. Kennerknecht, T. Grueter, B. Welling, S. Wentzek, J. Horst, S. Edwards, M. Grueter: First report of prevalence of non-syndromic hereditary prosopagnosia (HPA). (PDF) In: Am J Med Genet. Part A 140A. 2006, S. 1617–1622, doi:10.1002/ajmg.a.31343, PMID 16817175.
  4. Volker Faust: Flyer Psychische Gesundheit 146: Gesichts-Blindheit (Prosopagnosie). Stiftung Liebenau, Mensch – Medizin – Wirtschaft, Meckenbeuren-Liebenau, 2019. (Gesichts-Blindheit im Alltag).
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