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Pilates

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Pilates (Begriffsklärung) aufgeführt.

Pilates, auch Pilates-Methode genannt, ist ein systematisches Ganzkörpertraining zur Kräftigung der Muskulatur, primär von Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur. Das Pilatestraining kann auf der Matte und an speziell entwickelten Geräten stattfinden. Erfunden hat es der Deutsche Joseph Hubert Pilates (1883–1967). Er nannte seine Methode zunächst Contrology, da es bei Pilates darum geht, die Muskeln mit Hilfe des Geistes zu steuern.

Da „Pilates“ kein geschützter Begriff ist und eine einheitlich festgeschriebene Ausbildung fehlt, gibt es weltweit viele unterschiedlich arbeitende Pilatestrainer.

Geschichte

Joseph Hubert Pilates arbeitete als junger Mann als Brauerei-Gehilfe. 1912/1913 ging er nach England. Nach eigenen Angaben arbeitete er dort mit seinem Bruder Frederick als Zirkusartist und die beiden traten als „Römische Gladiatoren“ auf. Allerdings ist dies nicht belegt. Pilates schlug sich dann vermutlich mit einer Vielzahl von Jobs durch.[1] Als Deutscher wurde er zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Großbritannien interniert. In dieser Zeit entwickelte er das Konzept eines ganzheitlichen Körpertrainings, welches zu einer guten Konstitution und Haltung beitragen sollte, und zwar zunächst für mit ihm internierte Soldaten.[2]

Eine typische Übung
Eine weitere Übung

Nach seiner Rückkehr aus England hielt sich Pilates ungefähr in der Zeit von 1920 bis 1925 in Hamburg auf. Dort trainierte er wohl die Hamburger Polizei in Selbstverteidigung und unterrichtete auch verschiedene Privatklienten. In dieser Zeit fing er wohl auch mit der Erfindung der Pilates-Maschinen an.

1926 wanderte er in die USA aus. Mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Clara, die er auf dem Schiff nach Amerika kennengelernt hatte,[3] eröffnete er ein Trainingsstudio – auf Anregung von Rudolf von Laban im Gebäude des New York City Ballets, was die Nähe der Methode zum Tanz erklärt.

In den frühen 1960er-Jahren zählten viele New Yorker Tänzerinnen zu ihren Kunden, wodurch die einst für Männer entwickelte Trainingsmethode nach und nach eine immer weiblichere Wahrnehmung bekam.[4]

1965 eröffnete Joseph Pilates ein zweites Pilates-Studio im Henri Bendel-Kaufhaus in New York, das in der West 57th Street lag.[5] Bendel hat laut den Prozessakten zum Pilates-Namensstreit, solange Clara Pilates lebte, ihr für den Betrieb des Studios ein Honorar gezahlt. Das Studio wurde von 1967 bis 1972 von der von Joseph Pilates ausgebildeten Naja Cori betrieben. Ab 1972 bis zur Schließung des Studios 1988 war Kathy Grant Leiterin des Studios.

1967 starb Pilates im Alter von 84 Jahren, ohne ein Testament zu hinterlassen oder die Nachfolge und Weiterführung seiner Arbeit geregelt zu haben. Zu seiner Lebzeit eröffneten lediglich zwei seiner Schüler eigene Pilates-Studios, Bob Seed und Carola Trier.[6] In den 1990er Jahren wurde Pilates zum Wellness-Trend und von immer mehr Fitnessstudios und anderen Anbietern aufgegriffen. Für das Fortleben seiner Ideen sorgten Schüler, die eigene Studios eröffneten und die Methode weiterentwickelten.

Die Methode

Grundlagen

Die Pilates-Methode ist ein ganzheitliches Körpertraining, in dem vor allem die tief liegenden, kleinen und meist schwächeren Muskelgruppen angesprochen werden, die für eine korrekte und gesunde Körperhaltung sorgen sollen. Das Training umfasst Kraftübungen, Stretching und bewusste Atmung. Es ist bedingt auch zur Rehabilitation nach Unfällen geeignet. Wichtig ist eine fachliche Einführung in die Methode, um Bewegungs- und Haltungsfehler zu vermeiden. Generell ist die Verletzungsgefahr jedoch eher gering.

Angestrebt werden die Stärkung der Muskulatur, die Verbesserung von Kondition und Bewegungskoordination, eine Verbesserung der Körperhaltung, die Anregung des Kreislaufs und eine erhöhte Körperwahrnehmung. Grundlage aller Übungen ist das Trainieren des so genannten „Powerhouses“, womit die in der Körpermitte liegende Muskulatur rund um die Wirbelsäule gemeint ist, die so genannte Stützmuskulatur. Die Muskeln des Beckenbodens und die tiefe Rumpfmuskulatur werden gezielt gekräftigt. Alle Bewegungen werden langsam und fließend ausgeführt, wodurch die Muskeln und die Gelenke geschont werden. Gleichzeitig wird die Atmung geschult.

Anfänger sollten das Training nach Ansicht von Anbietern mit einer Einzelstunde bei einem klassisch ausgebildeten Trainer beginnen und danach zu Geräten wechseln, die sie bei der exakten Ausführung der Übungen unterstützen. Pilates hat die fünf klassischen Geräte (Reformer, Cadillac, Chair, Barrel, Spine Corrector) erfunden, um den Schülern eine Unterstützung bei der Ausführung der Übungen zu geben. Das weit verbreitete Mattentraining wird erst für Fortgeschrittene empfohlen. Die rund 500 Pilates-Übungen wechseln ab zwischen Dehnung und Kräftigung der Muskulatur.

Wichtige Prinzipien

Der Begriff Pilates-Prinzipien wurde erstmals in dem 1980 veröffentlichten ersten Buch über Pilates The Pilates Method of Physical and Mental Conditioning erwähnt.[7] Joseph Pilates selbst verwendete das Wort Prinzipien übrigens nicht. Die Prinzipien sind also etwas, was später aus der Methode extrahiert wurde. Die sechs Prinzipien wurden später in anderen Büchern über Pilates nahezu gleichlautend verwendet.[8] Die sechs Prinzipien, die Friedman & Eisen beschreiben, sind:

  • Konzentration – concentration
  • Zentrierung – centering
  • Kontrolle – control
  • Atmung – breathing
  • Präzision – precision
  • Fluss – flowing movement

Später wurden diese oft um weitere Prinzipien ergänzt. Hier eine Beschreibung der häufig genannten Prinzipien:[9]

Kontrolle

Ein wesentlicher Grundsatz des Trainings ist die kontrollierte Ausführung aller Übungen und Bewegungen. Dadurch sollen auch die kleineren „Helfermuskeln“ gestärkt werden.

Konzentration

Mit Hilfe von Konzentration sollen Körper und Geist in Harmonie gebracht werden. Jede Bewegung soll mental kontrolliert werden, die Aufmerksamkeit soll ganz auf den Körper gerichtet sein. Um die Konzentrationsfähigkeit während der Übungen behalten zu können, wird beim Pilates grundsätzlich auf Alkohol oder andere berauschende Mittel verzichtet.

Atmung

Bewusste Atmung spielt bei Pilates eine wichtige Rolle. Sie soll Verspannungen entgegenwirken und die Kontrolle über den Körper erhöhen. Deshalb wird die Atmung in das Zwerchfell trainiert.

Zentrierung

Mit Zentrierung ist die Stärkung der Körpermitte gemeint, das so genannte Powerhouse, das vom Brustkorb bis zum Becken reicht und alle wichtigen Organe enthält. Die Stärkung der Powerhouse-Muskulatur kräftigt vor allem den Rücken und kann sich bei Rückenschmerzen positiv auswirken.

Entspannung

Bewusste Entspannung soll helfen, Verspannungen aufzufinden und zu lösen. Entspannung ist bei Pilates jedoch nicht das Gegenteil von Körperspannung.

Fließende Bewegung

Alle Übungen werden in fließenden Bewegungen ausgeführt, ohne längere Unterbrechungen. Es gibt keine abrupten isolierten Bewegungen.

Power Engine, Powerhouse

Die Terminologie Power Engine stammt von Moshé Feldenkrais. Power Engine bezeichnet ein muskuläres Netzwerk, das die grundsätzliche Stabilität und Kontrolle in der lumbopelvischen Region bereitstellt. Es besteht aus dem Beckenbodenmuskel, Transversus, Multifidus, Zwerchfell, den Muskeln der inneren Oberschenkel und den Muskeln rund um die Sitzknochen. Die Power Engine wird aktiviert, wenn man die tiefen Bauchmuskeln und den Beckenbodenmuskel (das Tiefenmuskulaturkorsett) quasi aushöhlt, indem man den Nabel in einer Reißverschlussbewegung, vom Schambein zum Brustbein, in Richtung Rückgrat zurückzieht. Dabei werden die Fersen, die Hinterseite der inneren Oberschenkel, die Tiefenmuskulatur des unteren Rückens und die Muskel rund um den Sitzknochen und das Steißbein aktiviert, ohne die natürliche Atemfunktion zu beeinflussen, also ohne den Brustbereich zu kontrahieren oder die Luft anzuhalten. Die Power Engine bietet nicht nur Kontrolle und Stabilität in der lumbopelvischen Region, sondern hebt im Sitzen den Oberkörper und bringt den Schwerpunkt des Körpers in seine höchste, also effizienteste Position. Im Stehen streckt sie den Körper bidirektional und reduziert das Gewicht im oberen Körper. Im Liegen ebenso, und auch hier wird der Schwerpunkt des Körpers auf seine höchste und effizienteste Position gebracht. Die Power Engine öffnet die vertikale Dimension des Körpers bidirektional, indem sie das Becken zur Erde hin bindet und das Rückgrat zum Himmel streckt, wie einen Baum, wenn man das Becken als Wurzeln und das Rückgrat als Stamm sieht.[10]

Posterior laterale Atmung

Posterior Lateral Breathing erleichtert die bibasale Expansion der Rippen. Um diese Atmung zu beherrschen, müssen zuerst die Rippen erweitert und wieder losgelassen werden, ohne dabei das Atmen zur Hilfe zu nehmen. Die Ein- und Ausatmung erfolgt dann instinktiv als Antwort auf die Expansion und das Loslassen der Rippen. Das kann folgendermaßen gemacht werden: Platzieren Sie Ihre Hände auf den unteren Rippen, so dass die Daumen auf den hinteren Rippen liegen. Entspannen Sie dann den oberen Bauchbereich und erweitern Sie Ihre Rippen zur Seite hin gegen den sanften Druck Ihrer Hände. Nun lassen Sie die Rippen wieder los, indem Sie den Bereich um die Schlüsselbeine „schmelzen“ lassen. Sie können das auch mit einem Handtuch um den unteren Brustkorb machen. Sie werden es nicht schaffen, die Rippen effektiv zu dehnen, wenn Sie die Bauchmuskulatur angespannt haben, oder die Rippen wieder loszulassen, wenn Sie vorher nicht gedehnt waren. Danach machen Sie das Gleiche nochmal und konzentrieren sich diesmal bewusst auf das Ein- und Ausatmen. Das Einatmen erweitert die Rippen lateral, posterior und superior im Verhältnis 60:30:10, wenn es einfach kommen gelassen wird. Das fühlt sich hauptsächlich wie eine Aktivität im Rückenbereich an. Das Ausatmen erfolgt graduell, zuerst durch langsames, sanftes Nachlassen der Spannung im oberen Brust- und Brustbeinbereich, ohne dabei zu einem Kollaps der vorderen Rippen zu führen. Sie endet in einer Aktivierung der Power Engine.[10]

Anwendungen

Die Mehrheit der bestätigten Forschungen auf dem Gebiet der Dysfunktionen der unteren Rücken- und Beckenbodenmuskulatur belegen, dass Probleme der unteren Rückenmuskulatur stark mit einer geometrischen Funktionsstörung des Tiefenmuskulatur-Korsettsystems (englisch deep muscle corset system, abgekürzt DMCS) korrelieren.

Das DMCS ist eine „muskuläre Synergie“[11] aus dem Musculus transversus abdominis, den tiefen Fasern des Musculus Multifidus Lumborum, dem Zwerchfell und der Beckenbodenmuskulatur. Es wird auch „Power Engine“ (power house) – das „Kraftwerk“ des Körpers genannt. Das DMCS stellt segmentale Stabilität im Becken und in der Wirbelsäule her, indem es intervertebrale (d. h. zwischen den einzelnen Wirbeln) und segmentale Bewegungen des Beckens verhindert.[12]

Kritik

Vielfach wird kritisiert, dass die Bezeichnung Pilates-Trainer nicht geschützt ist. Zahlreiche Trainer hätten nur einen Wochenend-Crashkurs absolviert. Stattdessen sei eine umfassende Ausbildung notwendig, um Kenntnisse über die Risiken des Pilatestrainings zu erlernen. Es gebe jedoch keine einheitlichen Richtlinien für die Ausbildung. Vorsicht sei bei diversen Übungen bei Übergewichtigen geboten. Wer unter chronischen oder akuten Erkrankungen leidet, sollte grundsätzlich seinen Arzt um Rat fragen. Gefährlich seien unter anderem Entzündungen jeder Art, akute Bandscheibenvorfälle und Osteoporose mit Extremstellungen der Wirbelsäule. [13][14]

Ausbildung

Fachkräfte aus dem Sport- und Therapiebereich haben die Möglichkeit einer Pilates-Ausbildung bzw. -Fortbildung, hierzu zählen Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Masseure, medizinische Bademeister, Sporttherapeuten, Trainer (A-Lizenz), Bewegungstherapeuten, Ergotherapeuten, Dipl.-Sportlehrer, Sportwissenschaftler, Reha-Trainer und Gymnastiklehrer. Für den Status eines Präventions-Trainers nach § 20 SGB V ist eine Beantragung des Kurs-Konzeptes bei der Zentralen Prüfstelle Prävention (ZPP) notwendig, die in Absprache mit dem Deutschen Pilates Verband e. V. (DPV) folgende Rahmenbedingungen verlangt: Eine Mitgliedschaft im Deutschen Pilates Verband e.V. und eine Anerkennung der Pilates-Mattenausbildung durch die ZPP setzt eine Ausbildung von mindestens 60 Zeitstunden Präsenzunterricht an 8 Unterrichtstagen (Unterrichtszeit max. 7,5 Std., zzgl. 1,5 Std. Pause) und 15 Stunden Hospitation voraus. Darüber hinaus muss der Antragsteller – vor allem Physiotherapeuten – nachweisen, dass er in der Lage ist, sachkundig, kompetent und professionell Übungsgruppen anzuleiten. Dies erfolgt in Form einer "Lehrbefähigungs-Bescheinigung" nach erfolgter Lehrprobe. Ausbildungen werden von Physiotherapie-Verbänden und von auf Pilates-Ausbildungen spezialisierten Anbietern angeboten.[15]

Weblinks

 Commons: Pilates – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. "Hubertus Joseph Pilates - The Biography" von Esperanza Aparicio & Javier Pérez, 2013, ISBN 978-84-15409-81-6
  2. Eva Rincke: Joseph Pilates: Der Mann, dessen Name Programm wurde. Verlag Herder, 2015, ISBN 978-3-451-31295-3.
  3. http://www.pilatesinsight.com/pilates/clara-pilates.aspx
  4. Christo Förster: Sie nannten ihn Uncle Joe. Abgerufen am 12. März 2016.; Arnd Krüger: Geschichte der Bewegungstherapie. In: Präventivmedizin. Springer Loseblatt Sammlung, Heidelberg 1999, 07.06, S. 1–22.
  5. Berkshire Eagle Thursday, 21. Oktober 1965, S. 25
  6. Leo Baeck Institute – Guide to the Papers of Carola S. Trier
  7. The Pilates Method of Physical and Mental Conditioning von Philip Friedman & Gail Eisen, 1980.
  8. Sean P. Gallaghe, Romana Kryzanowska: The Pilates Method of Body Conditioning. 1999.
  9. wellnissimo.de – Die 7 Grundprinzipien des Pilates
  10. 10,0 10,1 Charleston Samu Rai Marquis: Untere Rückenprobleme. Geometrische Malfunktion des tiefen Muskelkorsetts (online in englisch).
  11. siehe Synergist (Muskel)
  12. malfunction of the deep muscle corset system (DMCS), bei bodyhood.at
  13. Pilates kann den Körper straffen – aber auch schaden, Die Welt, 27. Dezember 2012. Abgerufen am 26. Januar 2016.
  14. Kann Pilates zu Rückenschmerzen führen?, Brigitte, 23. November 2007. Abgerufen am 26. Januar 2016.
  15. Deutsche Pilates-Verband e. V. (DPV), Abgerufen am 15. November 2017
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