Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Pietro Aretino

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Datei:Pietro Aretino.jpg
Henschke (nach Tizian): Pietro Aretino

Pietro Aretino (* 20. April 1492 in Arezzo; † 21. Oktober 1556 in Venedig) war ein italienischer Schriftsteller und Dichter der Renaissance.

Er verfasste Theaterstücke, religiöse Erbauungsbücher, erotische Sonette zu den modi des Marcantonio Raimondi sowie eine große Zahl von literarisch brillanten und kulturhistorisch ergiebigen Briefen. Aretino verkörpert den Typus eines unabhängigen, allein auf der Grundlage seiner geistigen Leistungen in einer höfischen Gesellschaft erfolgreichen sozialen Aufsteigers. Auf den Titelblättern seiner letzten Bücher nannte er sich Pietro Aretino durch göttliche Gnade ein freier Mann (Pietro Aretino per divina gratia huomo libero).

Leben

Jugend

Aretino wurde 1492 in Arezzo (Aretino heißt „aus Arezzo“) als Sohn eines Schusters und der Margherita (Tita) Bonci geboren, nach seinen eigenen Angaben war er Sohn eines Edelmannes. Über seine Jugend sind keine sicheren Daten bekannt. Er erhielt offenbar keine gute Schulausbildung und auch keinen Unterricht in der lateinischen Sprache. Im Alter von etwa 14 Jahren hat er sich in Perugia aufgehalten, wo er möglicherweise Malerei studierte, die örtliche Universität besuchte und erste literarische Werke verfasste. 1512 wurden Sonette von ihm zum ersten Mal in Venedig veröffentlicht.

Rom

Um 1517 ging er nach Rom, wo er auf Vermittlung des Bankiers Agostino Chigi eine Stelle bei Kardinal Giulio de' Medici bekam und auch Zugang zum Hof von Papst Leo X. erhielt. In den folgenden Jahren gewann er immer mehr an Einfluss und schloss Freundschaft unter anderem mit Raffael und Giulio Romano. Während des Konklaves von 1521 schrieb er die ersten seiner berüchtigten und gefürchteten Spottverse, genannt Pasquinate nach der Statue des Pasquino in der Nähe der Piazza Navona in Rom, an die solche anonymen Verse üblicherweise von Studenten angeheftet wurden. Aretino nutzte hier eine überlieferte Einrichtung, die sich bisher eher auf akademische und gelehrte Themen beschränkt hatte und gab ihr eine neue, satirische und antiklerikale Ausrichtung.

1522 bestieg der fromme und sittenstrenge Adrian von Utrecht als Papst Hadrian VI. den Thron, und Aretino zog es vor, sich einen Mäzen weit weg von Rom zu suchen. Die Wahl seines alten Förderers Giulio de' Medici als Papst Clemens VII. im Jahre 1523 veranlasste ihn zu einer Rückkehr nach Rom. Sein erster großer Erfolg als Autor kam 1525 mit der Veröffentlichung seiner obszönen Sonette, den sonetti lussuriosi, zu den Kupferstichen des Marcantonio Raimondi nach Giulio Romanos Zeichnungen. Sie kosteten ihn allerdings die Patronage des Papstes. Nach Todesdrohungen von Seiten der Opfer seiner lästerlichen Spott- und Schmähschriften und nach einem fehlgeschlagenen Attentat des Achille della Volta im Juli 1525 verließ Aretino Rom für immer. In der Folge hielt er sich im Umkreis des Federico II. Gonzaga in Mantua und des Condottiere Giovanni de' Medici, genannt Giovanni dalle Bande Nere, auf. Um sich die Gunst des Papstes für die Kardinalsernennung seines Bruders zu sichern, plante der Gonzaga ein Attentat auf Aretino. Aretino floh daraufhin nach Venedig, wo er eine Wohnung in einem Palast am Canal Grande bezog.

Venedig

Datei:PietroAretinoTitian.JPG
Tizian: Pietro Aretino, 1545 (Palazzo Pitti, Florenz)

Dort verfasste er zunächst eine gegen den Papst gerichtete satirische Schrift über den Sacco di Roma und einen Friedensappell an Kaiser Karl V. In Venedig bekam er schnell Zugang zur Oberschicht, er genoss die Protektion des Dogen Andrea Gritti und schloss Freundschaft mit Tizian und Sansovino. Die im Venedig des frühen 16. Jahrhunderts blühende Druckkunst schuf für Aretinos literarische Tätigkeit und die schnelle und allgemeine Verbreitung seiner Schriften und Briefe die idealen Bedingungen. Er mischte sich mit seiner spitzen Feder in die politischen Angelegenheiten der verschiedenen Republiken und Staaten ein und hatte Kontakte sowohl zum deutschen Kaiser als auch zum französischen König Franz I. Von Venedig aus startete er Bettelaktionen unter anderem an die politischen Kontrahenten, die ihn beide in der Hoffnung, er möge dem politischen Gegner möglichst viel Schaden zufügen, den jeweiligen Mäzen aber schonen, großzügig subventionierten. Aretino selbst nannte sich condottiere della penna, Kondottiere der Feder, d.h. er verkaufte seine literarischen Dienste an den, der am besten zahlte. Briefe und Artikel mit dieser Mischung von Schmeicheleien, gezielten Enthüllungen, Schmähungen, versteckten und offenen Drohungen, die gelegentlich den Tatbestand der Erpressung erfüllen, zirkulierten überall in Italien. Ab 1535 versah er seine Druckerzeugnisse mit dem Motto: Veritas odium parit (die Wahrheit brütet Hass aus.) Ariost nannte ihn die Geißel der Fürsten. Aus Briefen von Aretino an Michelangelo ist bekannt, dass er sich als Berater für das theologische Konzept des Altargemäldes in der Sixtinischen Kapelle angeboten hat. Michelangelo wollte aber von inhaltlichen Vorgaben so weit wie möglich frei sein. Der beleidigte Aretino bezichtigte den Künstler daraufhin der Homosexualität.

Ab 1538 gab er in Abständen Sammlungen dieser Briefe als Bücher heraus. Daneben veröffentlichte er Viten von Heiligen, für die er im Zusammenhang der Auseinandersetzungen Roms mit der Reformation Luthers einen Markt erkannte. Außerdem gab es eine reiche Produktion von Satiren, Polemiken und Theaterstücken. Aretino gelang es, allein durch seine literarische Tätigkeit ein beachtliches Einkommen zu erwirtschaften. Zwischen 1550 und 1551 verfasste er die ternali zum Ruhm des Papstes Julius III. und macht sich Hoffnungen auf einen Kardinalshut, die sich aber nicht erfüllten.

Aretino ist am 21. Oktober 1556 in Venedig gestorben, wahrscheinlich an einem Schlaganfall, der Legende nach soll er bei einem Lachanfall vom Stuhl gefallen sein und sich dabei den Hals gebrochen haben. Nach seinem Tod wurden seine Werke von Papst Paul IV. auf die erstmals zusammengestellte Liste der verbotenen Bücher Index Librorum Prohibitorum gestellt.

Das literarische Werk

Bereits in Perugia verfasste Aretino seine ersten Gedichte, die 1512 und 1513 gedruckt wurden. Es sind Kanzonen in der damals beliebten Manier des Petrarca, die Aretino später so gründlich verspottet und parodiert hat. Diese Gedichte waren für ihn in Rom eine gute Empfehlung in den höfischen Kreisen. Um 1525 veröffentlichte er drei panegyrische Kanzonen zum Ruhm von Papst Clemens VII.

Zwischen 1524 und 1525 kamen die so genannten sonnetti lussuriosi heraus, denen Aretino seinen Ruf als Klassiker pornographischer Literatur verdankt. Aretino verfasste zu den erotischen Zeichnungen des Giulio Romano, die von Marcantonio Raimondi in Kupfer gestochen worden waren, jeweils ein Sonett, das sich durch naturalistische Genauigkeit, Grobheit und primitive Deutlichkeit in der Beschreibung der körperlichen Liebe auszeichnet. Von der Raffinesse, dem Witz und der Eleganz seiner späteren erotischen Texte ist er hier noch weit entfernt.

Ab 1525 begann er mit seiner Komödie La cortigiana, einer Parodie auf Baldassare Castigliones Buch Il Cortegiano. Er zeigt die Abenteuer von Messer Maco aus Siena, der nach Rom reist, um Kardinal zu werden. Als er sich dort in eine Frau verliebt, muss er feststellen, dass er nur als cortegiano, als Mann des Hofs, bei ihr eine Chance hat. Er nimmt Unterricht bei einem Schwindler, der ihn die Tugenden eines Hofmanns lehrt: Er lernt zu täuschen und zu betrügen und sitzt für Stunden vor dem Spiegel. Im Stil seiner Pasquill entzaubert Aretino die Zustände an den Höfen seiner Zeit, die Sitten der Höflinge, denunziert die verbreitete Heuchelei und die herrschenden literarischen und philosophischen Moden, wie den Platonismus oder Petrarkismus.

Zwischen 1533 und 1536 verfasste Aretino zwei Fassungen seiner Ragionamenti. Sie gehören zur Gattung der Hetärengespräche. Die Prostituierten Nanna und Antonia unterhalten sich über die Zukunft und über die optimale Lebensweise von Nannas Tochter. Nanna, die in ihrem Leben Nonne, Ehefrau und Dirne gewesen ist, kommt während des Gesprächs zu dem Schluss, dass sich die Fähigkeiten und Begabungen einer Frau nur in einem Leben als Dirne ausreichend entfalten könnten, nur hier ergäbe sich für die Frau die optimale Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben sei es aber, sich nicht in die Männer zu verlieben, um nicht von diesen betrogen und ausgenutzt zu werden. Aretino parodiert in seinen Ragionamenti zeitgenössische Tugendlehren und mokiert sich über die Idealisierung der Frau, wie sie in der Nachfolge Petrarcas in der in Italien verbreiteten Literatur üblich war.

Datei:Aretino humanita de Christo.jpg
Aretino:I tre libri della humanità di Christo, Venedig 1536

Um die gleiche Zeit arbeitete er an seinem Theaterstück Il Marescalco, in dem sein Mäzen, der Herzog von Mantua, persönlich als deus ex machina auftritt. In der Komödie geht es um einen homosexuellen Höfling, der auf keinen Fall heiraten will und dem die Vorteile einer Ehe von verschiedenen Seiten auf komische Weise nahegebracht werden. Die Braut, mit der er durch den Herzog vermählt wird, stellt sich schließlich erfreulicherweise als hübscher Jüngling heraus.

In der Folge veröffentlichte Aretino mehrere Werke mit religiösem Inhalt, so eine Leidensgeschichte Jesu und die sieben Bußpsalmen Davids, sowie Lebensgeschichten der Jungfrau Maria, der Heiligen Katharina und des Thomas von Aquin, die beiden letzten als Auftragsarbeiten des kaiserlichen Statthalters del Vasto. Zwischen 1542 und 1546 brachte er zwei Komödien und seine einzige Tragödie, den Orazio heraus.

Die Briefe

1538 veröffentlichte Aretino den ersten Band einer sechsbändigen Sammlung von mehr als dreitausend seiner Briefe, die als gedruckte Einzelstücke schon öffentlich zugänglich waren. Herausgeber war sein Freund, der Drucker Francesco Marcolini, der auch einige seiner dichterischen Werke veröffentlicht hatte. Aretino verfasste seine Briefe nicht mehr wie die Humanisten in Latein sondern in der Volkssprache volgare. Sein Briefwechsel mit den Großen seiner Zeit dokumentiert eine Periode tiefgreifenden sozialen Wandels in Italien, die geprägt war von den Spannungen und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und dem Römisch-deutschen Kaiser, den politischen Verwerfungen in der Folge der Reformation in Deutschland und einer allgemeinen Destabilisierung des Gleichgewichts zwischen den italienischen Höfen. Aretinos Briefe an die Großen seiner Zeit zeigen durch die unverschleierte, unbefangene und mitunter zynische Sichtweise des Autors, durch seine wache und engagierte Anteilnahme am politischen Geschehen, an der Kunst und der Literatur, am Klatsch und an allerlei Intrigen ein farbiges Bild seiner Zeit. Wie es das Motto auf seinen Büchern ausdrückt, fühlte er sich der „Wahrheit“ verpflichtet und betrachtete sich in einem politischen System, das den einzelnen in wirtschaftlicher, politischer und geistiger Abhängigkeit hielt, als freier Mann.

Aretino in Kunst und Literatur

  • Georg Büchner: soll unbestätigten Gerüchten zufolge kurz vor seinem Tod ein Drama über Aretino verfasst haben. Das Manuskript soll dann von Louise Wilhelmine Jaeglé, seiner Verlobten, nach dessen Tod verbrannt worden sein, angeblich aufgrund atheistisch geprägter Stellen im Drama. Wahrscheinlicher ist, dass Büchner in Zürich ein Manuskript zur Reinschrift oder Korrektur aus der Hand gegeben hat und darüber starb.
  • Gustav Regler: Aretino, Freund der Frauen, Feind der Fürsten. Roman, 1955.
  • Tizian: Pietro Aretino, 1545, Galleria Pitti, Florenz
  • Johann Gottlieb Henschke: Pietro Aretino. Punktierbild nach Tizian, 1820.
  • Marcantonio Raimondi: Porträt des Pietro Aretino, Kupferstich.
  • Anselm Feuerbach: Der Tod des Dichters Pietro Aretino, 1854, Basler Kunstmuseum.
  • Adolf Wichmann: Pietro Aretino liest einer Gesellschaft im Garten Tizians zu Venedig aus seinen Werken vor. 1865 [1]

Literarische Werke

Ausgaben

  • Edizione nazionale delle opere di Pietro Aretino. Hrsg. Enrico Malato. 7 Bände. Rom 1992-2005.
deutsch
  • Pietro Aretino: Die Gespräche des göttlichen Pietro Aretino (übersetzt von Heinrich Conrad), Insel Taschenbuch 2570, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-458-34270-0. (Zuerst 1903 unter dem Titel Die Gespraeche des goettlichen Pietro Aretino als zweibändige Ausgabe im Insel-Verlag Leipzig in einer Auflage von 850 Exemplaren für Subskribenten erschienen.)
  • Pietro Aretino: Stellungen: vom Anfang und Ende der Pornografie, Originaltitel: I modi, übersetzt von Thomas Hettche, DuMont, Köln 2003, ISBN 3-8321-7836-8 (deutsch und italienisch).
  • Pietro Aretino: Die sündigen Klosterschwestern, Nachdruck der Original-Ausgabe von 1932, Melchior, Wolfenbüttel 2009, ISBN 978-3-941555-30-3.

Literatur

  • Christopher Cairns: Pietro Aretino and The Republic of Venice : researches on Aretino and his circle in Venice, 1527 - 1556. Florenz 1985.
  • Paula Findlen: "Humanismus, Politik und Pornographie im Italien der Renaissance" in: Lynn Hunt (Hrsg.): Die Erfindung der Pornographie. Obszönität und die Ursprünge der Moderne. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1994, S. 44-131
  • Hösle, Johannes: Pietro Aretinos Werk. Berlin 1969.
  • Hermann Kesten: Pietro Aretino - Ein Journalist in Italien, in: Lauter Literaten, München 1966.
  • Josef Rattner, Gerhard Danzer: Pietro Aretino - Ein Star-Journalist, Pornograph und progressiver Schriftsteller. In: Eros und Sexus - Ihre Befreier von 1500 bis 2000, Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3703-0, S. 9-20.
  • Thiele-Dohrmann, Klaus: Kurtisanenfreund und Fürstenplage - Pietro Aretino und die Kunst der Enthüllung. Düsseldorf/Zürich 1998
  • Waddington, Raymond B. : Aretino's Satyr: Sexuality, Satire, and Self-Projection in Sixteenth-Century Literature and Art. University of Toronto Press, Toronto 2003.

Weblinks

 Commons: Pietro Aretino – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Pietro Aretino aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.