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Paul Léon

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Paul Léopoldovitch Léon (geboren 1893 im Kaiserreich Russland; gestorben Anfang April 1942 im KZ Auschwitz) war ein polnisch-französischer Soziologe und Sekretär von James Joyce.

Leben

Paul Léon stammte aus dem polnischen Teil des Russischen Kaiserreichs. Er studierte Soziologie und Philosophie und wurde Professor.[1] Er floh 1918 und kam 1921 nach Frankreich. Er war jüdischer Herkunft und sprach sieben Sprachen.[2] Er forschte über Rousseau und Benjamin Constant. Er heiratete Lucie Noel, und sie bezogen 1925 eine bürgerliche Wohnung in der Rue Casimir-Périer, kurz vor der Geburt ihres Sohnes Alex.[2][3] Lucie war eine Schwester von Alex Ponizovski, der wiederum mit Vladimir Nabokov befreundet war. 1938 las Nabokov mit ihr die Korrektur seines ersten englischsprachigen Werks The Real Life of Sebastian Knight. Lucie schrieb über Mode für die New York Herald Tribune und sorgte damit für den Familienunterhalt.[2]

Léon traf James Joyce zum ersten Mal 1928 und war von dessen Arbeit fasziniert. Ab 1930 stellte er sich als unbezahlter Sekretär dem Schriftsteller zur Verfügung, der bald in Léons Wohnung aus- und einging.[4] Im Winter 1930/31 schrieben sie dort zusammen mit Philippe Soupault eine französische Übersetzung von Anna Livia Plurabelle.[2][5] Bei Léon erledigte Joyce ansonsten eher seine Korrespondenz, die Arbeit an seinem work in progress Finnegans Wake leistete er eher allein in seiner Wohnung. Léons enorme Sprachkenntnisse wurden allerdings auch gebraucht.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich flohen Léon und seine Ehefrau Lucie, wie auch die Familie Joyce, nach Saint-Gérand-le-Puy (im Kanton Saint-Pourçain-sur-Sioule). Mit Joyce sah er dort noch die Erstausgabe von Finnegans Wake nach Druckfehlern durch. Da sie ihren persönlichen Besitz weitgehend in der Wohnung in der rue Casimir-Périer zurückgelassen hatten, ging Léon mit seiner Familie, als ihnen das Geld ausging, am 4. September 1940 wieder zurück nach Paris, in den von den Deutschen besetzten Teil Frankreichs. Er kümmerte sich nun darum, die persönlichen Gegenstände Joyces aus dessen Wohnung sicherzustellen. Seinen eigenen Briefwechsel mit Joyce stopfte er in 19 braune Umschläge und gab sie an Gerald O'Kelly de Gallagh (1890–1968), den stellvertretenden Geschäftsträger der irischen Botschaft, die Umschläge blieben dort bis 1946 in (relativer) Sicherheit und gelangten dann bestimmungsgemäß in die National Library of Ireland. Als am 7. Mai 1941 wegen der Mietschulden der Vermieter Joyces Wohnung eine Versteigerung des Mobilars erzwang, konnte Léon mit geliehenen 20.000 Francs den Großteil der Erstausgaben und anderer wichtiger Habseligkeiten der Familienangehörigen ersteigern. Bis Ende des Jahres 1941 gelang es Lucie und Paul Léon, die meisten Koffer und Pakete mit den Joyce-Büchern und Papieren bei Freunden und bei Anwälten unterzustellen. Ihre eigene Wohnung in der rue Casimir-Périer wurde nun wiederholt von der Gestapo und der Kollaborationspolizei durchsucht.

Im August 1941[1] wurde Paul Léon im Sammellager Drancy inhaftiert, im Dezember wurde er in das KZ Royallieu verlegt. Die irische Regierung lehnte eine Intervention, die von Giorgio Joyce erbeten worden war, ab.[2] Am 27. März 1942 kam er mit einem Sammeltransport in das KZ Auschwitz, wo er ermordet wurde. Lucie Léon-Noel und Alex überlebten die Verfolgung in Monaco[2], und sie wohnte danach weiterhin in der Pariser Wohnung, als Gisele Freund sie 1964 dort besuchte und Fotografien von dem literaturhistorischen Ort machte.[6]

Die Inhalte der nach dem Krieg von Maria Jolas übernommenen Koffer sollten im Oktober 1949 in der Galery La Hune zugunsten von Nora Joyce versteigert werden, was aber en bloc nicht gelang. Schließlich übernahm 1950 die University at Buffalo für 10.000 USD den gesamten Bestand. In der National Library of Ireland lagerten nun die Briefe von Joyce an Léon und Léons Karbonpapier-Durchschläge der von ihm für Joyce getippten Briefe, zum Beispiel an dessen Mäzenin Harriet Shaw Weaver. In seinem Testament selbst gab es die Bestimmung, das sein Nachlass 50 Jahre geschlossen bleiben sollte, er aber schon vorher für den Gebrauch der Joyce-Familie geöffnet werden konnte. Demzufolge wurde Stephen Joyce, Neffe von Joyces Tochter Lucia, Zugang gewährt, der nach Lucias Tod 1982 Briefe entnahm und sie mit anderen Beständen verbrannte. Lucie Léon-Noël hatte ihrerseits bestimmt, dass der Nachlass von Léon 50 Jahre nach ihrem Tod (der war dann 1990) nicht geöffnet werden sollte. Der Nachlass wurde aber 1992 geöffnet und der Literaturwissenschaft zur Verfügung gestellt.

Eine für Paul Léon signierte Ausgabe des Ulysses erzielte 1967 bei einer Auktion 1.050 USD.[7] Im Dubliner James Joyce Centre wurde 1998 ein „Paul Leon Exhibition Room“ mit Möbeln aus der Pariser Wohnung eingerichtet, darunter der Sessel, in dem Joyce saß, wenn er dort arbeitete.[2]

Schriften

  • Nicholas II, Emperor of Russia, 1868-1918. Lettres de Nicholas II et de sa mère. Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen von Paul L. Léon. Paris : S. Kra, 1928
  • Lettres de Madame de Staël à Benjamin Constant; publiées pour la première fois en original par Madame la Baronne de Nolde. Vorwort Gustave Rudler. Einführung und Anmerkungen von Paul L. Léon. Paris : S. Kra, 1928
  • Benjamin Constant. Paris : Rieder, 1930
  • Le Problème du contrat social chez Rousseau. Paris : Sirey, 1935
  • N. S. Timacheff: Introduction à la sociologie juridique. Übersetzung nach dem englischen Manuskript unter der Mitarbeit von Paul-L. Léon. Paris : A. Pedone, 1939
  • In memory of James Joyce, in: Poésie, 5, 1942, S. 35 [vermutlich in Französisch]; wieder in: Maria Jolas (Hrsg.): A James Joyce Yearbook, Paris : Transition Press, 1949, S. 116-125[8]

Literatur

  • Catherine Fahy: Foreword to The James Joyce Paul Léon Papers : a catalogue. Dublin : National Library of Ireland (nicht eingesehen)
  • Lucie Noël: James Joyce and Paul L. Leon. The story of a friedship. A proceeding of the James Joyce Soc. delivered in part at the meeting of November 18, 1948. New York : Gotham Book Mart, 1950 (nicht eingesehen)
  • Carol Loeb Shloss: Lucia Joyce : to dance in the wake. New York : Farrar, Straus and Giroux, 2003 ISBN 0374194246
  • Robert H. Deming (Hrsg.): James Joyce : the critical heritage. 2. 1928 - 1941 London : Routledge & Paul, 1970 (nicht eingesehen)
  • Robert H. Deming: A bibliography of James Joyce studies. 2. Auflage. Boston, Mass. : Hall, 1977, ISBN 0-8161-7969-7
  • Seed Cake for Tea. Interview mit Lucie Noël-Léon, in: Irish Independent, 13. Februar 1965 (nicht eingesehen)
  • Maria Jolas: The little known Paul Léon, in: Marvin Magalaner: A James Joyce miscellany, New York, 1959, S. 225-233 (nicht eingesehen)
  • Joseph Prescott: Two manuscripts by Paul L. Léon concerning James Joyce, in: Modern fiction studies, Volume II, Nummer 2 (Mai 1956), S. 71-76

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 A. Nicholas Fargnoli; Michael Patrick Gillespie: James Joyce A to Z : the essential reference to the life and work. New York, NY : Facts On File, 1995, ISBN 0-7475-2409-2, S. 131f.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 In memory of true friendship. Interview mit Alex Leon, in: The Irish Times, 29. Oktober 1998
  3. James Joyce Brief an Maria Jolas, am 7. September 1940, in: Richard Ellmann: James Joyce. Selected letters. London : Faber and Faber, 1975 ISBN 0-571-09306-X S. 406f.
  4. Paul Léopoldovitch Léon (1893–1942), bei BNF
  5. Philippe Soupault: A propos de la traduction d'Anna Livia Plurabelle, in: Nouvelle Revue Française, Mai 1931
  6. Gisèle Freund, V. B. Carleton: James Joyce in Paris: his final years. London : Cassell, 1966, S. 102f.
  7. Robert H. Deming: A bibliography of James Joyce studies, 1977, Nr. 4158
  8. Robert H. Deming: A bibliography of James Joyce studies, 1977, Nr. 1596
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Paul Léon aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.