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Jean Jaurès

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Jean Jaurès
Denkmal für Jean Jaurès in Carmaux

Jean Jaurès (geb. 3. September 1859 in Castres, Tarn, Frankreich; gest. 31. Juli 1914 in Paris) war ein französischer sozialistischer Politiker und Historiker. Jaurès, einer der bekanntesten Vertreter des Reformsozialismus am Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich, wurde unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 31. Juli 1914, von einem französischen Nationalisten ermordet.

Leben

Der Sohn eines bürgerlichen Textilhändlers schlug eine akademische Laufbahn ein. Er besuchte das bekannte Pariser Gymnasium Lycée Louis-le-Grand und studierte dann an der Pariser Elitehochschule École normale supérieure. Er gehörte bei verschiedenen Auswahlverfahren zu den landesweit Jahrgangsbesten und kam nach seiner Ausbildung in seine Heimatgegend zurück, wo er anfangs Lehrer des Lycée in Albi war und kurz darauf 1883 als Dozent für Philosophie an die Universität in Toulouse berufen wurde. Ab 1885 engagierte er sich in der Politik und wurde für das gemäßigte republikanische Lager in die Nationalversammlung gewählt. Nach seiner gescheiterten Wiederwahl 1889 nahm er wieder seine Lehrtätigkeit auf, promovierte, arbeitete bei der Zeitung La Dépêche du Midi, später beim Midi Socialiste mit und widmete sich nun der Lokalpolitik, wo er sich langsam immer stärker dem sozialistischen Lager zuwandte.

Ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung war sein Einsatz für die 1892 streikenden Minenarbeiter von Carmaux, gegen die 1500 Soldaten mobilisiert worden waren. Unter dem Druck des Streiks und der von Jaurès hergestellten Öffentlichkeit entschied die zum Schiedsrichter bestellte Regierung im Streit zugunsten der Arbeiter. Der Marquis de Solages, Eigentümer der Mine und zugleich Abgeordneter in der Nationalversammlung, trat von seinem politischen Amt zurück, und Jean Jaurès wurde im folgenden Jahr auf den freigewordenen Sitz in die Nationalversammlung gewählt.

Von 1893 bis 1914 war Jaurès mit einer vierjährigen Unterbrechung linksrepublikanischer Abgeordneter in der Nationalversammlung. Er galt als glänzender Redner mit rhetorischem Geschick. Unter anderem forderte er die Revision des Dreyfus-Prozesses (vgl. Dreyfus-Affäre).

Während derselben Zeit war Jaurès allerdings auch mit akademischen Studien beschäftigt, darunter einer 1901 veröffentlichten, aus französischer Sicht bemerkenswert neutralen, aber heute fast unbekannten Analyse der Gründe des Deutsch-Französischen Krieges von 1870–1871 (s. u., Werke [Auswahl]).

1902 gehörte Jaurès zu den Mitgründern der Französischen Sozialistischen Partei (nicht PS). Zusammen mit Aristide Briand gründete er 1904 deren Parteizeitung L’Humanité und leitete sie bis zu seinem Tod. Sie wurde später zum Sprachrohr der PCF.

1905 wurde Jaurès Präsident der von ihm, Jules Guesde und Édouard Vaillant wesentlich geprägten Vereinigung sozialistischer Gruppen in der Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO). Seine Vorstellung vom Sozialismus, der auf einer christlich-humanistischen Grundlage beruhte und eine Veränderung der Gesellschaftsordnung auf parlamentarisch-demokratischem Wege anstrebte, brachte ihn in Konflikt mit dem revolutionären marxistischen Flügel der SFIO. Das Programm der SFIO war demnach ein Kompromiss verschiedener Strömungen und enthielt sowohl marxistische Ideen und ein Bekenntnis zum Klassenkampf als auch reformerische Ziele.

Als einer der profiliertesten Verfechter des Reformsozialismus auf humanistisch-pazifistischer Grundlage setzte sich Jaurès am Vorabend des Ersten Weltkrieges leidenschaftlich für die Sache des Pazifismus und gegen den drohenden Krieg ein. Bei Friedensdemonstrationen und im Parlament trat er für eine politische Verständigung mit Deutschland ein. Dafür war er bei der politischen Rechten verhasst.

Tod und Nachwirkung

Unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 31. Juli 1914, wurde Jean Jaurès in einem Pariser Café bei einem Attentat von dem französischen Nationalisten Raoul Villain ermordet. Nach dem siegreichen Krieg und entsprechend langer Untersuchungshaft wurde der Mörder des Kriegsgegners am 29. März 1919 von einem Cour d'assises (Geschworenengericht) freigesprochen. Zudem wurden die Kosten der Witwe Jaurès’ aufgebürdet.

Jaurès’ Denken wurde von so unterschiedlichen Personen wie Pierre J. Proudhon, Auguste Blanqui, Karl Marx, Henri de Saint-Simon, Auguste Comte, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Ferdinand Lassalle oder Pjotr Alexejewitsch Kropotkin geprägt.

1924 wurde der Leichnam Jean Jaurès’ ins Panthéon umgebettet. Im Gedenken an ihn, an seinen entschlossenen Einsatz für den Frieden und an die Verheerungen des Ersten Weltkrieges haben sehr viele Kommunen in Frankreich Straßen und Plätze nach ihm benannt. In Paris sowie in Lille und Toulouse tragen zudem U-Bahn-Stationen seinen Namen. Auch in Berlin bekam ein Abschnitt der im Ortsteil Waidmannslust des Bezirks Reinickendorf liegenden Cyclopstraße am 1. November 1987 den Namen Jean-Jaurès-Straße. In Wien wurde 1919 die Jaurèsgasse und eine 1925–1926 errichtete kommunale Wohnhausanlage Jean-Jaurès-Hof benannt.

Jacques Brel widmete ihm ein Chanson mit dem Titel Jaurès (1977). Die Sozialistische Partei Frankreichs ehrt ihn, indem sie ihrer politischen Stiftung den Namen „Fondation Jean-Jaurès“ gab.

Zitate

Être fidèle à la tradition, c'est être fidèle à la flamme et non à la cendre.
(„Einer Tradition treu zu sein, bedeutet, der Flamme treu zu sein und nicht der Asche.“)

Werke (Auswahl)

  • Discours parlementaires, 1904.
  • Histoire socialiste de la révolution française.
  • La guerre franco-allemande (1870–1871) (Der französisch-deutsche Krieg 1870–1871). In: Histoire socialiste ..., Bd. 11, J. Rouff, Paris 1901. 496 Seiten. Digitalisat (bislang nicht auf deutsch).

Literatur

  • Max Beer: Jean Jaurès. Sein Leben und Wirken. Verlag Internationale Korrespondenz, Berlin-Karlshorst 1915.
  • Victor Schiff (Hrsg.): Die Stimme aus dem Grabe. Reden von Jean Jaurès. Berlin 1919.
  • Helmut Hirsch: Jean Jaurés als Historiker. In: derselbe: Denker und Kämpfer. Gesammelte Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a. M. 1955, S. 149–181.
  • Urs Brand: Jean Jaurès. Internationalist und Patriot. In: Persönlichkeit und Geschichte, Bd. 73, Musterschmidt Verlag, Göttingen, 1973.
  • Heinz Abosch: Jean Jaurès. Die vergebliche Hoffnung. Hrsg. von Martin Gregor-Dellin und Reinhard Merkel, Piper, München 1986, ISBN 3-492-05202-6 (formal falsche ISBN).
  • Ulrike Brummert (Hrsg.): Jaurès. Frankreich, Deutschland und die Zweite Internationale am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Narr, Tübingen 1989, ISBN 3-87808-793-4.
  • Valérie Lecoulant: Jaurès, historien de la révolution française. Editions du Musée d'histoire vivante, Montreuil 1993.
  • Henri Guillemin (Hrsg.): L'arrière-pensée de Jaurès. Édition d'Utovie, Bats 2000, ISBN 2-86819-723-X.
  • Matthias Lemke: Republikanischer Sozialismus. Positionen von Bernstein, Kautsky, Jaurès und Blum. Campus Verlag, Frankfurt a. M./New York, 2008, ISBN 978-3-593-38600-3.
  • Jean-Pierre Rioux: Jean Jaurès. Perrin, Paris 2006, ISBN 2-262-01295-4.
  • Hans-Martin Lohmann: Marxismus. Campus Verlag (Campus Einführungen), Frankfurt a. M. 2001, S. 71&nsbp;f., ISBN 3-593-36777-7.

Weblinks

 Wikisource: Jean Jaurès – Quellen und Volltexte (Französisch)
 Commons: Jean Jaurès – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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