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Heimkehrer

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Heimkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Berlin (März 1948)
A.E.I.O.U.-Heimkehrerstraße in Wiener Neustadt
Ein zurückgekehrter deutscher Kriegsgefangener identifiziert den Sohn dieser Frau (1955).
Die Tübinger Heimkehrertafel mit den Namen der verurteilten Kriegsverbrecher Otto Abetz und Eugen Steimle

Als Heimkehrer im Sinne dieses Artikels werden Kriegsgefangene und Internierte des Zweiten Weltkrieges bezeichnet, die nach Deutschland und Österreich zurückkehren konnten.

Überblick

Schätzungsweise drei Millionen deutsche und österreichische Soldaten waren von 1941 bis 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten.

In der Fünften Konferenz von Moskau vereinbarten die Außenminister der Alliierten am 23. April 1947, dass bis dahin noch nicht freigelassene Kriegsgefangene bis Ende 1948 in ihre Heimat zurückkehren sollten.[1]

Die Zahlen der noch in Kriegsgefangenschaft gehaltenen deutschen Soldaten wurden wie folgt angegeben:

Der sowjetische Außenminister Molotow gab außerdem bekannt, dass 1.003.974 Kriegsgefangene bis zu diesem Zeitpunkt in ihre Heimat entlassen worden seien.[2]

Man einigte sich schließlich auf die Freilassung der Gefangenen. Tatsächlich waren aber nach Berechnung der britischen Alliierten bis Ende 1948 mehrere Hunderttausend noch in sowjetischen Lagern[1], vorgeblich wegen der massiven Kriegsschäden, die ihr Territorium erlitten hatte und die die Kriegsgefangenen mit ihrer Arbeitskraft beheben sollten. Entsprechend dieser Doktrin wurden zunächst vor allem kranke und nicht mehr arbeitsfähige Gefangene freigelassen. 1949 änderte sich die Freilassungspolitik: Nicht mehr die Arbeitsfähigkeit war entscheidend, sondern die politische und ideologische Einstufung aus sowjetischer Sicht. Ab diesem Zeitpunkt wurden viele Gefangene in Massenprozessen zu Kriegsverbrechern erklärt. Erst 1955/1956 ließ die Sowjetunion die letzten deutschen Kriegsgefangenen frei.[3] Im Heimkehrerlager Gronenfelde bei Frankfurt (Oder)[4] wurden sämtliche Kriegsgefangene aus dem Osten aufgenommen. Die Gesamtzahl vom 27. Juli 1946 bis zum letzten Transport am 3. Mai 1950 betrug 1.125.508 Heimkehrer. Die ersten Transporte kamen vor allem aus Ungarn, Polen und Rumänien, erst später aus der Sowjetunion. Am hessischen Grenzbahnhof Herleshausen wurden am 16. Januar 1956 die letzten aus sowjetischen Lagern heimkehrenden Kriegsgefangenen in Empfang genommen.[5]

Ungefähr zwei Millionen Gefangene kehrten aus der Sowjetunion zurück. Damit gelten ca. 1,3 Millionen Gefangene als verstorben oder vermisst[6] (→ Verluste unter den Kriegsgefangenen).

Als „Spätheimkehrer“ werden vom Gesetzgeber alle ehemaligen Kriegsgefangenen bezeichnet, die nach dem 31. Dezember 1946 entlassen wurden. Für diesen Personenkreis gab es nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz eine Entschädigung von 30 DM je Gefangenschaftsmonat ab dem 1. Januar 1947; der Entschädigungsbetrag für spätere Jahre nach 1949 betrug 60 DM pro Gefangenschaftsmonat.

Die Behandlung der Heimkehrer in Deutschland erfuhr einen Wandel. Während die ersten Freigelassenen aus der Sowjetunion noch meist feierlich empfangen wurden, ließ die Aufmerksamkeit schnell nach. In der DDR war den ehemaligen Gefangenen zudem verboten, über ihre Lagererlebnisse zu berichten, um kein schlechtes Licht auf die Sowjetunion zu werfen. In der Bundesrepublik wuchsen im Verlauf des Wirtschaftswunders die Schwierigkeiten mit Wiedereingliederung in Gesellschaft und Berufsleben.

In seiner Silvesteransprache 1949 ermahnte Bundespräsident Theodor Heuss seine Mitbürger, „gerade den späten Heimkehrern eine sonderliche Stütze zu geben, damit ihre Hoffnung auf das neue und freie Leben nicht in Enttäuschungen zerrieben werde.“ [7]

Verband der Heimkehrer

Der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands, gegründet 1950, machte auf die Situation der Kriegsgefangenen und Internierten aufmerksam und setzte sich für deren Freilassung ein. Er unterstützte die Heimkehrer bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Die „Heimkehr der Zehntausend“

Die Mutter eines Kriegsgefangenen dankt Bundeskanzler Konrad Adenauer nach seiner Rückkehr aus Moskau am 14. September 1955 auf dem Flughafen Köln/Bonn.
Westdeutsche Briefmarke (1953) zum Gedenken deutscher Kriegsgefangener

Die Frage nach dem Schicksal der Gefangenen gehörte zu den drängendsten Problemen der deutschen Öffentlichkeit der Nachkriegsjahre. Mit zahlreichen Denkmälern und Demonstrationen wurde immer wieder auf dieses Schicksal hingewiesen.

Ein besonders emotionales Thema war damals die „Heimkehr der Zehntausend“ (ab 7. Oktober 1955) aus sowjetischer Gefangenschaft via Lager Friedland und Herleshausen mit folgender politischer Vorgeschichte:

Im Juni 1955 hatte die sowjetische Botschaft in Paris mit der dortigen deutschen Botschaft Kontakt aufgenommen und eine Einladung an Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Moskau übergeben. Angesichts Adenauers konsequenter, auch militärischer Westbindung war diese Einladung eine Sensation. Am 8. September 1955 flog Adenauer mit seiner Delegation aus 141 Personen, darunter Hans Globke und Carlo Schmid, zu einem Staatsbesuch in die Sowjetunion. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch knapp 10.000 frühere deutsche Wehrmachts- und Waffen-SS-Soldaten sowie rund 20.000 politisch inhaftierte Zivilisten in sowjetischer Gefangenschaft.

Bereits vor seiner Abreise kündigte Adenauer an, die Heimkehr der Gefangenen werde das wichtigste Thema in Moskau sein. Weitere Verhandlungspunkte waren der Fortbestand der Westverträge und Möglichkeiten der Wiedervereinigung.[8] Allerdings hatte die sowjetische Führung das Problem der Kriegsgefangenen in der Vorbereitung des Staatsbesuchs nicht offiziell erwähnt, sondern vor allem auf eine mögliche Aufnahme diplomatischer Beziehungen hingewiesen (→ Alleinvertretungsanspruch). Vermutlich war auf sowjetischer Seite intern die Freilassung der Gefangenen bereits als Gegenleistung diskutiert worden. In der sowjetischen Bevölkerung war eine Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen äußerst unpopulär.

Die Verhandlungen zwischen der Adenauer-Delegation und der sowjetischen Seite mit Nikita Chruschtschow wurden zwar von den Geschehnissen im Zweiten Weltkrieg überschattet; dennoch kam es am 12. September relativ schnell zu einer Einigung über die Rückkehr der 10.000 Kriegsgefangenen und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Freilassung der Zivilinternierten wurde kurz vor dem Ende der Gespräche persönlich zwischen Adenauer und Nikolai Bulganin vereinbart. In der Führung der DDR wurde die Einigung zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion kritisiert, da sie nicht mit der gewünschten Anerkennung des ostdeutschen Staates durch die Bundesrepublik verbunden war.

Die von Hans Reichelt vertretene These, dass sich die Regierung der DDR seit 1946 für die Freilassung der Kriegsgefangenen einsetzte, wurde von Karl Wilhelm Fricke als durch die Forschung nicht gestützt verworfen.[9]

Am 7. Oktober 1955 kamen die ersten 600 Heimkehrer der „Zehntausend“ in Friedland an. Bundespräsident Heuss kam wenige Tage später selbst in das Grenzdurchgangslager, um die ehemaligen Soldaten und Zivilinternierten willkommen zu heißen. Er vertrat dabei den an Grippe erkrankten Kanzler Adenauer.[10]

Siehe auch

Literatur

Sachliteratur

  • Elena Agazzi, Erhard Schütz (Hrsg.): Heimkehr: eine zentrale Kategorie der Nachkriegszeit. Geschichte, Literatur und Medien. Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-53379-4
  • Hans Reichelt: Die deutschen Kriegsheimkehrer – Was hat die DDR für sie getan? Berlin 2008, ISBN 978-3-360-01089-6
  • Wolfgang Buwert (Hrsg.): Gefangene und Heimkehrer in Frankfurt (Oder)
  • Svenja Goltermann:
  • Helmut Hirthe: Das Heimkehrerlager in Frankfurt-Gronenfelde, in: Jürgen Maerz (Hrsg.): Wir waren damals 19, Frankfurt (Oder) 1995
  • Helmut Hirthe: Das Heimkehrerlager Gronenfelde – wichtige Station auf dem Weg in ein neues Leben, in: Wolfgang Buwert (Hrsg.): Gefangene und Heimkehrer in Frankfurt (Oder), Potsdam 1998. ISBN 3-932502-10-8
  • Werner Kilian: Adenauers Reise nach Moskau. Freiburg im Breisgau u. a. 2005, ISBN 3-451-22995-1
  • Arthur L. Smith: Die vermisste Million. Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg. Oldenburg, München 1992 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 65), ISBN 3-486-64565-X
  • Dieter Riesenberger (Hrsg.): Das Deutsche Rote Kreuz, Konrad Adenauer und das Kriegsgefangenenproblem. Die Rückkehr der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion (1952–1955). Donat-Verlag, Bremen 1994 (Schriftenreihe Geschichte und Frieden, Bd. 7), ISBN 3-924444-82-X
  • Dieter Riesenberger: Das Ringen um die Entlassung deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion (1952–1955), in: Dieter Riesenberger: Den Krieg überwinden. Donat-Verlag, Bremen 2008, ISBN 978-3-938275-44-3, S. 324–339

Künstlerische Bearbeitungen

Zahlreiche literarische Werke, vor allem Romane[12] nahmen Heimkehrerschicksale auf.

Weblinks

 Commons: Heimkehrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Heimkehrer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Kriegsgefangene - Jeder Fünfzehnte, In: Der Spiegel, Heft 2/1949 vom 8. Jan. 1949, Abruf 31. Juli 2017
  2. Alexander Fischer/Klaus Hildebrandt/Hans-Peter Schwarz et al. (Hrsg.): Dokumente zur Deutschlandpolitik, II. Reihe, 1. Januar bis 31. Dezember 1950. Veröffentliche Dokumente – Unveröffentlichte Dokumente (Sondereinband), Bd. 3, München 1998, S. 455.
  3. Heiner Emde: „Vor 50 Jahren - Endstation Lager“, in: FOCUS Magazin Nr. 27 (1995) vom 3. Juli 1995, Abruf 31. Juli 2017
  4. Rösch, Rückblick auf das Heimkehrerlager Gronenfelde bei Frankfurt/Oder, 15. Mai 1950, hier nach Abschrift von Historischer Verein zu Frankfurt (Oder), Mitteilungen Frankfurt (Oder), Heft 2 1998, S. 38.
  5. Siegfried Löffler: Heimkehr an einem sonnigen Herbstsonntag, in: Werratal-Bote. 16. Jg. Nr. 48 vom 2. Dezember 2005, S.8f.
  6. http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/gefangenschaft/index.html
  7. Florian Huber, Hinter den Türen warten die Gespenster, Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit, S. 117.
  8. Christoph Arens, KNA: Als Adenauer über 10 000 Schicksale verhandelte. In: Südkurier vom 10. September 2016, S. 5.
  9. FAZ-Rezension des Buches von Hans Reichelt (2008)
  10. Florian Huber, Hinter den Türen warten die Gespenster, Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit, S. 116.
  11. randomhouse.de
  12. Vgl. Bettina Clausen, Der Heimkehrerroman. In: Mittelweg 36, Jahrgang 5, 1993, S. 57 ff.
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