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Falsche Verdächtigung

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Die falsche Verdächtigung (oder auch: Falschverdächtigung) ist ein Ehrdelikt nach § 164 des deutschen StGB. Vergleichbare Straftatbestände anderen Namens gibt es auch in Österreich und der Schweiz.

Falsche Verdächtigung in Deutschland

Wortlaut

Die Strafnorm lautet wörtlich:


§ 164 Falsche Verdächtigung

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

Rechtsgut

Diese Strafrechtsnorm schützt als Rechtsgüter nach herrschender Meinung sowohl erstens die Rechtspflege und die Strafverfolgungsorgane vor unnötiger Inanspruchnahme als auch zweitens die einzelne (verdächtigte) Person vor Strafverfolgungsmaßnahmen, die sie unberechtigt treffen könnten. In der Literatur werden und wurden dagegen Ansichten vertreten, wonach jeweils nur eine dieser beiden Schutzrichtungen beabsichtigt sei (sogenannte Rechtspflegetheorie bzw. Individualrechtstheorie).[1]

Aus der erstgenannten Meinung wird überwiegend geschlossen, dass derjenige, der falsch verdächtigt wird, nicht strafbefreiend einwilligen könne,[2] da es für die Strafwürdigkeit ausreiche, wenn auch nur einer der beiden Schutzzwecke (hier: die Rechtspflege) beeinträchtigt werde (sogenannte Alternativitätstheorie[3]).

Objektiver Tatbestand

Man kann nach dem Gesetzeswortlaut nur einen „anderen“ falsch verdächtigen. Tätigkeiten, die den Täter selbst in Verdacht bringen, könnten höchstens als Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) strafbar sein. ‚Falsch‘ ist eine Verdächtigung, wenn sie objektiv nicht wahr ist.[4] Ist die Verdächtigung allein subjektiv unwahr, objektiv aber wahr, führt dies zur Straffreiheit, da der Versuch dieses Vergehens nicht strafbar ist. Um den Tatbestand zu verwirklichen, ist es notwendig, dass das angezeigte/verdächtigte Verhalten zumindest ausreichend konkret und geeignet ist, einen bestimmten Täter erkennen zu lassen.

Verdächtigen: § 164 Absatz 1

Eine Verdächtigung im Sinne des Abs. 1 kann durch Behaupten von falschen Tatsachen geschehen; aber auch jedes andere Verhalten, das einen falschen Verdacht verursacht oder verstärkt, reicht aus. Den Straftatbestand erfüllen jedoch nicht das bloße Äußern von Vermutungen (z. B. Ich traue Herrn Meyer eine solche Tat zu oder Die Täterbeschreibung passt auf Frau Müller oder Die Tat hat vermutlich Herr Schneider begangen, weil er von Beruf Lkw-Fahrer ist und zu der Tat ja von der Polizei nach einem Lkw-Fahrer gefahndet wird) oder falsche Schlussfolgerungen aus richtigen Tatsachenbehauptungen. Es besteht ein in der Bevölkerung weit verbreiteter Irrglaube, wonach man sich der Falschen Verdächtigung strafbar machen würde, wenn man einen Verdacht gegenüber z. B. der Polizei äußert und dieser Verdacht sich sodann nicht erhärtet (vgl. unten zur Tatbestandsvoraussetzung wider besseres Wissen im Abschnitt Subjektiver Tatbestand). Für den Tatbestand von Absatz 1 muss die verdächtigte Tat darüber hinaus eine rechtswidrige Tat im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB („Straftat“ im weiteren Sinne) oder eine dienstpflichtwidrige Handlung sein. Daher sind beispielsweise Ordnungswidrigkeiten nicht umfasst. Ferner muss die Verdächtigung gegenüber einer Behörde oder einer der genannten Amtspersonen oder öffentlich erfolgen. Der Behördenbegriff erstreckt sich dabei nicht nur allein auf die Gebietsgrenzen der Bundesrepublik Deutschland, sodass auch die Falschverdächtigung vor ausländischen Behörden den Straftatbestand verwirklichen kann.

Aufstellen von Behauptungen: § 164 Absatz 2

Absatz 2 kann nur durch die spezielle Tathandlung des Aufstellens einer „sonstige[n] Behauptung tatsächlicher Art“ (kommunikativ, wie beispielsweise mündlich oder schriftlich) verübt werden. Im Gegensatz zu Absatz 1 ist hier nicht bloßes Hervorrufen eines Verdachts (wie durch Manipulation von Indizien) strafbar. Es ist nach Absatz 2 allerdings nicht nötig, dass der Verdacht einer Straftat oder eines Dienstvergehens gegen den anderen hervorgerufen wird, sondern es reicht aus, dass die Behauptung „geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen“. In der Tatbestandsalternative des Absatzes 2 wird neben der Tathandlung gegenüber den Behörden des Absatzes 1 auch das ‚öffentliche‘ Behaupten unter Strafe gestellt. Insofern genügt es für eine falsche Verdächtigung nach Absatz 2, wenn jemand (öffentlich) so konkrete Behauptungen aufstellt, dass beispielsweise ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen einen anderen eingeleitet werden könnte.[5]

Verhältnis der Absätze zueinander

Sofern eine Handlung die Tatbestandsmerkmale beider Absätze erfüllt, erfolgt eine Bestrafung nur aus Absatz 1.[6]

Subjektiver Tatbestand

Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes bzw. Vorsatzes muss sicheres Wissen über die Unwahrheit der Verdächtigung beim Täter des § 164 StGB vorliegen, d. h. es muss erwiesen sein, dass der Täter seine Behauptung wider besseres Wissen gegen den Verdächtigten aufgestellt hat. Selbst jemand, der wider besseres Wissen ein falsches Beweismittel oder Beweisanzeichen für die rechtswidrige Tat eines anderen vorbringt, erfüllt den Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB laut Bundesgerichtshof nicht, wenn der andere die rechtswidrige Tat (möglicherweise) begangen hat.[7][8] So ist der Tatbestand der falschen Verdächtigung im Sinne des § 164 StGB grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die unwahre Beschuldigung auf eine rechtswidrige Tat gerichtet ist, von der der Täter weiß, dass der Bezichtigte sie tatsächlich nicht begangen hat.[9]

Eine Ansicht in der Literatur fordert zudem die zielgerichtete Absicht des Täters hinsichtlich der Einleitung eines neuen Verfahrens. Die wohl überwiegende Meinung lässt aber auch hier das sichere Wissen genügen.[10]

Besonderheiten

Auch wenn der Täter die (aktive) falsche Verdächtigung verursacht, um seine eigene Bestrafung zu verhindern, bleibt es grundsätzlich bei der Strafbarkeit. Allerdings darf man beispielsweise behaupten, man sei nicht gefahren, selbst wenn damit zwangsläufig ein bestimmter anderer (z. B. der Beifahrer) verdächtig wird. Selbst, dass man sich in einer solchen Situation dadurch strafbar machen könne, dass man ausdrücklich behauptete, der andere sei der Täter (also im Beispiel, der Beifahrer sei gefahren), wird bestritten[11]. Der falsch Verdächtigte muss ferner hinreichend individualisierbar sein, andernfalls kommt nur § 145d Abs. 2 StGB in Betracht. So genügt eine Anzeige gegen Unbekannt oder gegen eine nur nebulös beschriebene oder angedeutete Person nicht als Tatbestand für § 164 StGB.

Die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung kann auf Antrag des Verletzten gemäß § 165 StGB öffentlich bekanntgegeben werden.

Historisches

Der 2. Absatz wurde unter der Herrschaft des Nationalsozialismus 1933[12] angefügt, um die weit verbreitete Denunziation von missliebigen Mitbürgern mit dem Ziel der Einlieferung in Konzentrationslager bzw. in andere Formen der sogenannten „Schutzhaft“ oder dem Ziel einer sonstigen politischen Verfolgung einzudämmen.[13] Die vom Täter angestrebten staatlichen Maßnahmen wurden vom bis dahin allein geltenden 1. Absatz nicht erfasst, da sie nicht auf angeblich begangenen rechtswidrigen Taten beruhten.

Weblinks

Paul Krell, Gedanken zur Straflosigkeit von Beschuldigtenlügen bei den §§ 145d, 164 StGB [1]

Einzelnachweise

  1. Vormbaum in: Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch (= NK), 2. Auflage, 2. Band, Baden-Baden 2005 (ISBN 3-8329-0904-4) § 164 Rn 10 mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtspflegetheorie und zur herrschenden Meinung.
  2. Ruß in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar (= LK), Berlin, 11. Aufl., 5. Band (ISBN 3-89949-288-9), § 164 Rn 2.
  3. Vertreter der Alternativitätstheorie z. B. BGHSt 14, 242, 244 f.; vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 51. Aufl., § 164 Rn 2; BGHSt 5, 68;
  4. Vormbaum in: NK § 164 Rn 49 mit Nachweisen zu Differenzierungen innerhalb dieser allgemeinen Meinung.
  5. Ruß in: LK § 164 Rn 22.
  6. Vormbaum in: NK § 164 Rn 77.
  7. Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 1. September 1987, Az. 5 StR 340/83; in: BGHSt 35, 50 = NJW 1988, 81 = NStZ 1988, 176 = MDR 1988, 66
  8. OLG Rostock vom 8. November 2004; in: NStZ 2005, 335
  9. OLG Düsseldorf vom 30. September 1998, Az. 1 Ws 491/98
  10. So Ruß in: LK § 164 Rn 31; dagegen: Vormbaum in: NK § 164 Rn 62 ff.
  11. Vormbaum in: NK § 164 Rn 28; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Auflage, München 2006 (ISBN 3-406-51729-3), § 164 Rn 5; vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 51. Auflage, § 164 Rn 3 m.w.N.
  12. Durch das Gesetz vom 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 295).
  13. Vormbaum in: NK § 164 Rn 2 ff.: auch allgemein zur Rechtshistorie.
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