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Erfüllung (Recht)

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Die Erfüllung im Rechtssinne ist das Erlöschen eines Schuldverhältnisses, indem die geschuldete Leistung bewirkt wird.

Allgemeines

Das deutsche Zivilrecht beruht auf dem Grundsatz, dass die aus einem Vertrag gegenseitig oder einseitig eingegangenen Leistungsverpflichtungen auch erbracht werden müssen (Pacta sunt servanda, „Verträge sind zu erfüllen/einzuhalten“). Aus der Leistungstreuepflicht folgt die generelle Verpflichtung des Schuldners, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen.[1] Ein Vertrag ist demnach als erfüllt anzusehen, wenn die gegenseitig versprochenen Leistungen auch tatsächlich erbracht worden sind. Der Kaufvertrag als häufigste Vertragsform des Alltags sieht in § 433 BGB die Verpflichtung des Verkäufers vor, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben und ihm hieran das Eigentum zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). Der Käufer wiederum hat den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die Sache zu übernehmen (Abs. 2). Wurden diese „vertragstypischen Pflichten“ beidseitig erbracht, ist der Kaufvertrag erfüllt.

Voraussetzungen der Erfüllung

Die Erfüllung ist im Schuldrecht in den §§ 362 bis § 397 BGB im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung nur fragmentarisch geregelt. Die Legaldefinition in § 362 Abs. 1 BGB besagt lediglich, dass ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung bewirkt worden ist. Nicht gesagt wird hierbei, durch wen die geschuldete Leistung zu erbringen ist. Das wird in der Regel der Schuldner selbst sein, doch können auch Dritte dessen geschuldete Leistung für ihn erbringen (§ 267 Abs. 1 BGB); dem Gläubiger darf mithin gleichgültig sein, wer erfüllt. Lediglich in Ausnahmefällen ist die Leistung vom Schuldner persönlich zu erbringen (§ 613, § 664 Abs. 1 BGB). Mit Schuldverhältnis wiederum sind rechtsgeschäftliche (wie der Kaufvertrag), gesetzliche (wie die ungerechtfertigte Bereicherung) oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse (wie Culpa in contrahendo) gemeint. Unter geschuldete Leistung werden außer Geldschulden alle anderen Leistungen (wie die Warenlieferung beim Kaufvertrag) verstanden. Schuldbefreiend ist im Regelfall nur die Leistung an den Gläubiger. Unter bewirkt schließlich wird in der Regel noch nicht die Vornahme der Leistungshandlung verstanden, sondern erst der Eintritt des Leistungserfolges.[2]

Die Rechtswirkungen einer Erfüllung treten mithin nur ein, wenn

  • der wirkliche Schuldner
  • die richtige Schuld
  • zur rechten Zeit
  • am rechten Ort
  • dem richtigen Gläubiger
  • in der richtigen Art und Weise
  • bewirkt hat

(so genannte „obligationsmäßige Leistung“).

Tilgungsbestimmung

In einigen Fällen gilt die Leistung nur als bewirkt, wenn der Schuldner seinen Tilgungswillen einer bestimmten Schuld zum Ausdruck bringt. Das ist erforderlich bei der Leistung durch einen anderen als den Schuldner (Fremdtilgungswille; § 267 Abs. 1 BGB) und wenn auf eine Vielzahl von gleichartigen Forderungen desselben Gläubigers geleistet wird und die Leistung zur Gesamttilgung nicht ausreicht (§ 366 Abs. 1 BGB). Im letzten Fall gibt es eine gesetzliche Auslegungsregel (§ 366 Abs. 2 BGB), wonach im Zweifel erst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden die geringer gesicherte oder unter mehreren gleich sicheren die für den Schuldner lästigere getilgt wird.

Theorie der realen Leistungsbewirkung

Im Rahmen der Rechtsnatur der Erfüllung hat die Rechtswissenschaft vier Theorien entwickelt,[3] von denen die Theorie der realen Leistungsbewirkung von der herrschenden Meinung übernommen wird. Der BGH hat zwar ersichtlich nie ausdrücklich hierzu Stellung genommen, jedoch bringen einzelne BGH-Urteile zum Ausdruck, dass auch er dieser Theorie folgt.[4] Nach dieser Theorie weist die Erfüllung keinerlei subjektive Tatbestände auf;[5] vielmehr genügt allein die tatsächliche Erbringung der geschuldeten Leistung für den Eintritt der Erfüllung. Wegen der fehlenden Normierung weiterer Voraussetzungen in § 362 Abs. 1 BGB sei die rein objektive Herbeiführung des Leistungserfolgs entscheidend und reiche für die Erfüllungswirkung aus.[6] Das entspricht auch dem Gesetz, das von „bewirkter Leistung“ ausgeht.

Erfüllungsarten

Wird nicht die „obligationsmäßige Leistung“ erbracht, sondern die Erfüllung besteht in einer nicht vertragsgemäßen Leistung, können verschiedene Erfüllungsarten unterschieden werden.

Erfüllungssurrogate

Erfüllungssurrogate führen wie die Erfüllung zum Erlöschen der Schuld. Zu den Erfüllungssurrogaten gehören die Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB), die Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB), die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) und der Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB). Umstritten ist, ob die Leistung an Erfüllungs statt tatsächlich ein Erfüllungssurrogat darstellt, da ein Teil der Literatur die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) versteht, der sofort erfüllt wird.[7]

  • Bei der Leistung an Erfüllungs statt erbringt der Schuldner nicht die vertraglich vorgesehene Leistung (etwa Geld), sondern eine andere Leistung (etwa gleichwertige Waren). Darin liegt zunächst keine vertragsgemäße Erfüllung. Der Gläubiger kann jedoch diese Ersatzleistung annehmen (§ 364 Abs. 1 BGB). Nimmt er sie an, stehen ihm bei Sach- und Rechtsmängeln die gleichen Rechte wie einem Käufer zu (§ 365 BGB).
  • Hinterlegung: Bei der Hinterlegung leistet der Schuldner nicht an den vertraglichen Gläubiger, sondern er hinterlegt seine Geldschuld zum Zwecke der Erfüllung beim zuständigen Amtsgericht. Hinterlegen kann man nicht grundsätzlich, sondern muss die Voraussetzungen beachten.
  • Aufrechnung: Die Aufrechnung kann zum Zwecke der Erfüllung eines Schuldverhältnisses durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung genutzt werden. Um aufrechnen zu können, müssen wiederum die Voraussetzungen vorliegen.
  • Erlass: Ein Erlassvertrag hebt die Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner auf. Der Schuldner wird leistungsfrei, obwohl er vom Gläubiger eine Gegenleistung erhalten hat. Eine Unterform ist das so genannte „negative Schuldanerkenntnis“, bei welchem der Gläubiger durch Vertrag mit seinem Schuldner anerkennt, dass eine Forderung nicht (mehr) besteht (§ 397 Abs. 2 BGB).

Leistung erfüllungshalber

Auch eine Leistung erfüllungshalber ist zunächst keine Erfüllung im Rechtssinn. Eine Leistung erfüllungshalber liegt vor, wenn dem Gläubiger ein Gegenstand überlassen wird, aus dem er seine Befriedigung suchen soll (etwa Abtretung einer Forderung). Die Erfüllung des Schuldverhältnisses tritt erst ein, wenn dem Gläubiger aus dem erfüllungshalber überlassenen Gegenstand tatsächlich Mittel zufließen; bis dahin bleibt seine Forderung vollständig bestehen (§ 364 Abs. 2 BGB).

Zu dieser Kategorie gehören insbesondere die Bezahlung einer Geldschuld durch Begebung eines Schecks oder Wechsels. In diesen Fällen geht der Schuldner eine neue Verbindlichkeit (Scheck- oder Wechselverbindlichkeit) ein, um seine Schuld beim Gläubiger zu erfüllen. Die mit Scheck oder Wechsel bezahlte Schuld bleibt solange bestehen, bis dem Gläubiger der Scheck- oder Wechselbetrag auf seinem Konto endgültig gutgeschrieben wurde. Der Hinweis „Eingang vorbehalten (E. v.)“ auf dem Kontoauszug stellt noch keine endgültige Gutschrift dar; erst mit Einlösung des Schecks oder Wechsels durch den Schuldner ist auch dessen Hauptschuld erloschen.

Auslegung

Ob die Vertragsparteien eine Leistung an Erfüllungs statt oder eine Leistung erfüllungshalber gewollt haben, ist bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung durch Auslegung zu ermitteln. Für diese Auslegung stellt § 364 Abs. 2 BGB eine Auslegungsregel für den Fall auf, dass die Leistung des Schuldners darin besteht, dass er dem Gläubiger gegenüber eine neue Verbindlichkeit (z.B. durch Hingabe eines Schecks oder eines Wechsels) eingeht. Das Gesetz geht in diesem Fall im Zweifel davon aus, dass die Leistung erfüllungshalber erfolgen soll.

Erfüllung von Geldschulden

Das Gesetz kennt nur die Erfüllung der Geldschulden durch Geldzahlung, obwohl auch diese Form nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Barzahlung ist nach traditionellem Verständnis die „eigentlich“ geschuldete Leistung des Geldschuldners und führt daher durch Übereignung des Bargelds zur Erfüllung der Geldschuld.[8] Durch die weite Verbreitung von Girokonten mit der Möglichkeit des unbaren Zahlungsverkehrs kann in Ausnahmefällen eine Barzahlung als Erfüllungsleistung auch ausgeschlossen werden (vertraglich in Arbeits- und Mietverträgen; durch Gesetz etwa in § 224 Abs. 3 Satz 1 AO, § 51 Abs. 1 BAföG, § 117 Abs. 1 Satz 2 ZVG).[9]

Die Banküberweisung stellt eine Zahlung durch Buchgeld dar, das kein gesetzliches Zahlungsmittel ist und daher keinen Annahmezwang beim Gläubiger auslöst.[10] Die Zahlung durch Banküberweisung mittels Buchgeld ist bis heute im Hinblick auf die Erfüllungsthematik umstritten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Empfängerbank nicht „Dritter“ im Sinne des § 362 Abs. 2 BGB ist, sondern lediglich als Zahlstelle des Gläubigers fungiert.[11] Das erforderliche Einverständnis des Gläubigers zu einer Überweisung kann stillschweigend in der Bekanntgabe seines Girokontos auf Geschäftsbriefen oder Rechnungen gesehen werden. Bei einer Banküberweisung wird der zur Erfüllung erforderliche Leistungserfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den geschuldeten Geldbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält[12] Das ist der Fall, wenn der überwiesene Betrag dem Gläubigerkonto gutgeschrieben wird[13] und der Gläubiger alleinige Verfügungsbefugnis über das Konto besitzt (also Einzelkonto oder „Oder-Konto“ beim Gemeinschaftskonto). Die herrschende Meinung sieht im bargeldlosen Zahlungsverkehr eine Leistung an Erfüllungs statt,[14] weil nicht das geschuldete Bargeld, sondern Buchgeld gezahlt wurde. Die Leistung an Erfüllungs statt erfordert eine Abrede zwischen Gläubiger und Schuldner (§ 364 Abs. 1 BGB), die konkludent durch Kontoangabe erfolgen kann. Durch die Leistung an Erfüllungs statt tritt Tilgungswirkung ein.[15]

Da die bloße Leistungshandlung (Bargeld: Übergabe, Überweisung: Erteilung eines Überweisungsauftrags an die Bank des Schuldners) für die Erfüllung nicht ausreicht, muss der Leistungserfolg eintreten (Bargeld: Eigentumserwerb am Geld durch den Gläubiger, Überweisung: endgültige Gutschrift des Buchgeldes auf dem Girokonto des Gläubigers mit dessen freier Verfügung).[16]

Sonstiges

Die Erfüllung ist hingegen weder explizit und insbesondere weder im Dienstrecht noch im Verwaltungsrecht geregelt. Das führte zu zahlreichen Streitfällen gegenüber Dienstleistern und gegenüber Behörden wegen bloßen Bemühens und unzureichender Suffizienz. Seit entsprechender Ergänzung kann nach dem in Deutschland seit dem 1. Januar 2002 geltenden neuen Schuldrecht stattdessen auf die Pflichtverletzung nach § 280 BGB verwiesen werden.

Literatur

  • Kretschmar: Die Erfüllung. 1906.
  • Stierle: Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen. 1980.
  • Schnauder: Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen. 1981.
  • Joachim Gernhuber: Die Erfüllung und ihre Surrogate. Mohr Siebeck, Tübingen 1994 (2. Aufl.), ISBN 3-16-145976-8.
  • Felix Maultzsch: Die Grenzen des Erfüllungsanspruchs aus dogmatischer und ökonomischer Sicht. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). 207. Bd., 2007, S. 530−563.
link=http://de.wikipedia.org/Wikipedia:Hinweis Rechtsthemen Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Einzelnachweise

  1. BGHZ 11, 80, 83 ff.; 90, 302, 308; BGH WM 1995, 1288, 1289
  2. BGHZ 87, 156 162
  3. nämlich Vertragstheorie, Zweckvereinbarungstheorie, Theorie der finalen Leistungsbewirkung und Theorie der realen Leistungsbewirkung
  4. Gesa Kim Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, 2013, S. 30
  5. Ausnahme ist die notwendige Tilgungsbestimmung
  6. Gesa Kim Beckhaus, a.a.O., S. 31
  7. so etwa Joachim Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 1994, § 10, 3; Eike Schmidt/Gert Brüggemeier, Zivilrechtlicher Grundkurs, 6. Auflage 2002, S. 133
  8. BGH NJW 1986, 875, 876
  9. Guido Toussaint, Das Recht des Zahlungsverkehrs, 2009, S. 11
  10. Guido Toussaint, a.a.O., S. 11
  11. BGHZ 72, 316, 318
  12. BGH NJW 199, 210
  13. BGHZ 103, 143, 146 = NJW 1988, 1320
  14. Peter Schlechtriem, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 2005, S. 185
  15. Peter Schlechtriem, a.a.O., S. 185
  16. nach Guido Toussaint, a.a.O., S. 13
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