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Bahnhofsmission

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum Kunstprojekt von Christoph Schlingensief siehe Bahnhofsmission (Projekt).
Mitarbeiter der Bahnhofsmission im Leipziger Hauptbahnhof

Die Bahnhofsmission (Bahnhofsozialdienst in Österreich) ist eine christliche Hilfsorganisation mit kostenlosen Anlaufstellen auf 105 Bahnhöfen in Deutschland. Weitere Bahnhofsozialdienste mit ähnlichen Aufgabenfeldern existieren in Frankreich, der Schweiz, in Großbritannien und weiteren Ländern Europas.

Hilfsangebote

Die Bahnhofsmissionen in Deutschland bieten ihre Hilfe grundsätzlich jedem Menschen anonym und kostenlos an und dies ggf. auch zu Tageszeiten, an denen andere soziale Hilfen nicht verfügbar sind. Das Hilfsangebot ist niederschwellig, für seine Nutzung sind weder bestimmte persönliche Voraussetzungen noch bestimmte Problemlagen erforderlich. Religiös motivierte Seelsorge steht nicht immer im Vordergrund, sondern eher praktische Handreichungen ungeachtet der eigenen Weltanschauung; gleichwohl sind Kreuz und Bibel durchaus in einer Bahnhofsmission zu finden. Das Hilfsangebot variiert zum Teil sehr stark und reicht meist von kleineren Hilfen (Pflaster, Fahrplanauskünfte, Hilfe beim Ausfüllen von Antragsformularen, Kaffee) über Reisehilfen (für Blinde, ältere Menschen, Kranke und Behinderte, Menschen mit Kinderwagen, alleinreisende Kinder) bis hin zu verweisenden sozialen Hilfen (Vermittlung in Therapieeinrichtungen, Vermittlung an die zuständigen Ämter und Behörden, Vermittlung einer Unterkunft). Sofern örtlich gegeben, können in einigen Städten (z. B. in Fürth) alleinstehende, wohnungs- und mittellose Männer entweder über die Stadt als Kostenträger bis zu drei Tage in den Durchgangszimmern der Bahnhofsmission übernachten, oder, falls die Voraussetzungen erfüllt sind, auf Kosten des Regierungsbezirks dort bis zu eineinhalb Jahre wohnen bleiben.

Während einzelne Bahnhofsmissionen über ausgebildete Sozialarbeiter verfügen und dementsprechende Hilfen anbieten können, stehen anderen Bahnhofsmissionen ausschließlich ehrenamtlich Mitarbeitende zur Verfügung. Bahnhofsmissionen an größeren Orten beschäftigten darüber hinaus Mitarbeitende im Rahmen von Zusatzjobs, Bürgerarbeit, eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) oder des Bundesfreiwilligendienstes (BFD).

Über die bei weiten Bevölkerungsteilen bekannten Hilfen hinaus machen einige Bahnhofsmissionen spezielle Angebote, beispielsweise für Straßenkinder, Prostituierte und Senioren oder alleinreisende Kinder in den Zügen.

Geschichte

Eines von vielen Eingangsschildern

Geschichte der Bahnhofsmission in Deutschland

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Die erste evangelische Bahnhofsmission wurde 1894 in Berlin durch den Pfarrer Johannes Burckhardt gegründet. Ursprünglich wurde sie eingerichtet, um Frauen Schutz und Hilfe zu bieten, die im Zuge der Industrialisierung in die Städte zogen. Die Frauen suchten nach Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt als Arbeiterinnen in Fabriken der Metall- und Blechindustrie oder in Anstellungen als Dienstmädchen zu verdienen. Dabei gerieten viele Mädchen und junge Frauen an unseriöse Vermittler mit zweifelhaften Absichten, die ihnen Unterstützung zusicherten, was aber nicht selten in Ausbeutung und/oder Prostitution endete.

Bereits seit 1882 unterstützten Frauen in Deutschland ratsuchende Mädchen bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft. Diese Frauen hatten sich nach dem Vorbild der aus der Schweiz stammenden Bewegung „Freundinnen junger Mädchen“ organisiert. In Zusammenarbeit mit lokalen Trägern wurden vor Ort erste Bahnhofsmissionen als Beistand für junge Frauen und gegen den Mädchenhandel gegründet.

Trägerverein der Evangelischen Deutschen Bahnhofsmission war der Internationale Verein der Freundinnen junger Mädchen unter der Protektion von Kaiserin Auguste Viktoria. Trägerverein der Katholischen Bahnhofsmission war der Deutsche Nationalverband der katholischen Mädchenschutzvereine. Auch der Jüdische Frauenbund war auf diesem Gebiet tätig.

Bereits einige Jahre später erweiterte die Bahnhofsmission das Angebot um allgemeine Hilfen für Reisende. In dieser Zeit betrieben die Evangelische und die Katholische Kirche strikt getrennte Bahnhofsmissionen. 1897 eröffnete in München die erste katholisch-evangelische Bahnhofsmission.

1910 wurde schließlich die Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland (KKBM) gegründet,[1] die die Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Bahnhofsmission verstärkte. Auf diese Weise entstand die erste und somit älteste ökumenische Struktur auf dem Gebiet der offenen sozialen Arbeit. 1911 warben die Bahnhofsmissionen in den Zugabteilen der 3. und 4. Klasse jedoch erstmals mit gemeinsamen Plakaten für ihre Arbeit. 1912 gab es in 90 deutschen Städten Bahnhofsmissionen.

Der Erste Weltkrieg brachte eine Zäsur: Der internationale Frauenhandel kam zum Erliegen und Deutschland fiel als Transitland für diese Zwecke aus. Neues Tätigkeitsfeld der Bahnhofsmissionsarbeit wurde die Betreuung Arbeitsloser und von Frauen, die als Munitionsarbeiterinnen in andere Städte verpflichtet wurden. Nach dem Weltkrieg betreuten die Bahnhofsmissionen Flüchtlinge, Vertriebene und zurückkehrende Soldaten. Erstmals wurden neben ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die von nun an verstärkt Fort- und Weiterbildungen erfuhren, auch hauptamtliche Arbeitskräfte in den Bahnhofsmissionen eingesetzt. In den Jahren vor der Machtergreifung waren es Landhelfer, alleinreisende Kinder und arbeitslose Jugendliche, auf die sich das Augenmerk der Bahnhofsmissionen am meisten richtete. Auf Grund der Gleichschaltung der Hilfsorganisationen und der Verdrängung der Arbeit konfessioneller Einrichtungen während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Arbeit der Bahnhofsmissionen massiv eingeschränkt. 1939 wurden die Bahnhofsmissionen in der Zeit des Nationalsozialismus endgültig verboten. Die Aufgaben übernahm die NS-Frauenschaft.

Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen einige Bahnhofsmissionen ihre Arbeit wieder auf, vielfach in provisorischen Unterkünften, beispielsweise in ausgedienten Eisenbahnwaggons auf den Bahnhofsgeländen.

Das zweite Verbot der Bahnhofsmissionen fand in den 1950er Jahren statt. Es betraf die Einrichtungen in der DDR unter dem Vorwurf der Spionage für den Westen.

Ab den 1960er Jahren erweiterten die Bahnhofsmissionen ihr Hilfsangebot in der Bundesrepublik verstärkt um Reisehilfen für ältere Menschen, denen es oftmals schwerfällt, allein umzusteigen. Während der 1970er Jahre gehören immer öfter Arbeitslose zur Klientel der Bahnhofsmissionen; sie vermitteln keine Arbeitsplätze, bieten aber Hilfe bei den unterschiedlichsten Folgeerscheinungen der Arbeitslosigkeit (z. B. Alkoholkrankheit, Überschuldung).

Ebenfalls ab den 1970er Jahren kamen Aussiedler und Asylbewerber zur Klientel hinzu.

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze stellte eine besondere Herausforderung bei der Betreuung der Reisenden speziell an ehemaligen Grenzbahnhöfen dar. In der Folge wurden auch auf wichtigen Bahnhöfen in den neuen Bundesländern Büros eingerichtet, während sie an der nicht mehr existenten Grenze meist geschlossen wurden.

Geschichte der Bahnhofsmissionen/Bahnhofsozialdienste in Österreich

Die Bahnhofsmission wurde als älteste Institution der Tiroler Caritas Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet. Sie musste im Ersten Weltkrieg ihren Dienst einstellen. Nach dem Krieg nahmen die Bahnhofsmissionen die Arbeit wieder auf.

Wie in Deutschland war der Schwerpunkt der Arbeit damals der Schutz und die Betreuung von jungen Frauen, die vom Land auf der Suche nach Arbeit in die Stadt kamen und Unterkunft und Unterstützung brauchten.

Die Bahnhofsmissionen als katholische Einrichtung hatten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten das gleiche Schicksal wie die Bahnhofsmissionen im restlichen Deutschen Reich – auch in Österreich mussten sie schließen.

1946 bauten die Caritas-Socialis-Schwestern die Bahnhofsmission wieder auf. Die Folgen des Krieges bestimmten das Arbeitsbild (Übernachtungen, Essensausgabe, Hilfe für Frauen am Bahnhof usw.). In den 50er Jahren verlor die Mädchenarbeit immer mehr an Bedeutung. Dagegen trat die Arbeit mit Obdachlosen, Arbeitssuchenden und Reisenden in den Vordergrund. 1975 wurde die Bahnhofsmission in den Bahnhofsozialdienst (BSD) umbenannt.

Infolge von Einsparungen musste der Bahnhofsozialdienst seine Erreichbarkeit rund um die Uhr immer weiter einschränken. Inzwischen stehen die verbliebenen Stationen Innsbruck Hbf und Salzburg Hbf nur noch zu normalen Geschäftszeiten zur Verfügung.

Organisation in Deutschland

Die Bahnhofsmission wird gemeinsam von der evangelischen und katholischen Kirche mit ihren Organisationen Diakonie, Caritas und IN VIA sowie deren regionalen und lokalen Unterorganisationen betrieben.

Die Bahnhofsmissionen in Deutschland sind in folgenden Verbänden organisiert:

  • Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland (bundesweit, ökumenisch)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Katholischen Bahnhofsmissionen in Deutschland (bundesweit, katholisch)
  • Verband der Deutschen Evangelischen Bahnhofsmission e.V. (bundesweit, evangelisch)
  • Diözesan-/Landesverbände IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit e.V. oder Diözesan-Caritasverbände (regional, katholisch)
  • Landesgruppen der Evangelischen Bahnhofsmission (regional, evangelisch)

Finanzierung

Die Arbeit der Bahnhofsmissionen wird überwiegend aus regionalen und städtischen Zuschüssen, kirchlichen Mitteln und aus direkten Spendenmitteln finanziert. Auf regionaler Ebene werden einige Bahnhofsmissionen beispielsweise von dem Regierungsbezirk, in dem die jeweilige Bahnhofsmission liegt, finanziell unterstützt (z. B. für Nürnberg der Regierungsbezirk Mittelfranken).[2][3] Außerdem fördert die Deutsche Bahn die Arbeit der Bahnhofsmission u. a. durch die kostenlose Überlassung von Räumen.[4]

Die Bahnhofsmission verfügt als einzige Institution über das Recht, ohne größeren Verwaltungsaufwand an Bahnhöfen in Deutschland Spenden zu sammeln.

Das breite Spektrum der Arbeit und die teilweise ausgedehnten Öffnungszeiten der Einrichtungen erfordert vorrangig der Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die etwa 90 Prozent der bundesweit über 2.000 in den Bahnhofsmissionen helfenden Kräfte stellen.

Unter dem Motto EinFach spenden kennzeichnete die Deutsche Bahn im Jahr 2013 in elf Hauptbahnhöfen sowie zwei Berliner Bahnhöfen Gepäckschließfächer, deren Einnahmen komplett der Bahnhofsmission zugutekommen sollten.[5]

Literatur

  • Bernd Lutz, Bruno Nikles, Dorothea Sattler (Hg.): Der Bahnhof. Ort gelebter Kirche. Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2013, ISBN 978-3-7867-2995-2.
  • Bruno Nikles: Soziale Hilfe am Bahnhof. Zur Geschichte der Bahnhofsmission in Deutschland (1894–1960). Lambertus, Freiburg im Breisgau 1994, ISBN 3-7841-0738-9
  • Wolfgang Reusch: Bahnhofsmission in Deutschland 1897–1987. Lang, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-631-40547-2.
  • Wolf-Dietrich Talkenberger: Nächstenliebe am Bahnhof. Zur Geschichte der Bahnhofsmission in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR. Wichern-Verlag, Berlin 2003.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Theodor Schober: Bahnhofsmission. In: Helmut Burkhardt und Uwe Swarat (Hrsg.): Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. 1, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1992, ISBN 3417246415, S. 170.
  2. Konzeption. (PDF) Bahnhofsmission München, März 2009, abgerufen am 25. Februar 2017.
  3. Bahnhofsmission am Hauptbahnhof am Limit. Merkur.de, 2. Mai 2014, abgerufen am 25. Februar 2017.
  4. Bahnhofmission: Pressemitteilung vom 9. Dezember 2013. Abgerufen am 13. Dezember 2013.
  5. Deutsche Bahn spendet Einnahmen aus Schließfächern an Bahnhofsmission. bahnhofsmission.de, 19. Dezember 2012, abgerufen am 26. Februar 2017.
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