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Vakuumfluktuation

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Vakuumfluktuationen, Quanten- und Nullpunktsfluktuation, sind Begriffe, die in Zusammenhang mit der Quantenfeldtheorie verwendet werden. Sie ist eng verwandt mit der Vakuumpolarisation. In populärwissenschaftlichen Artikeln wird der Begriff häufig auf die quantenmechanische Energie-Zeit-Unschärferelation oder auf virtuelle Teilchen reduziert.

Pionier der Vakuumfluktuation Shin’ichirō Tomonaga (1965)

Begriffsentstehung in der Quantenfeldtheorie

In der Physik versteht man unter Fluktuation die zufällige Änderung einer ansonsten bekannten konstanten oder schwingenden Systemgröße, wie zum Beispiel Fluktuation im Gravitationsfeld der Erde. In diesem Sinne ist jedoch die Vakuumfluktuation nicht zu verstehen. Das Vakuum ist in Raum und Zeit gleichmäßig und ändert sich überhaupt nicht.[1]

In den Formeln der Quantenfeldtheorie von Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli treten Unendlichkeiten auf, die von Richard Feynman und Julian Seymour Schwinger 1948 und etwas früher während des Krieges von Shin’ichirō Tomonaga durch Renormierung aufgelöst wurden. Im Zusammenhang mit den dabei entstehenden Termen entwickelten die Physiker die Vorstellung von Wolken aus virtuellen Teilchen, welche die nicht störungsbehafteten Teilchen der klassischen Theorie umgeben. In der Vorstellung können virtuelle Teilchen in einem sehr kurzen Zeitraum real und sofort wieder absorbiert werden. Durch die entstehende Fluktuation der Energie verändert sich die messbare Masse und Ladung der Teilchen. Somit ist diese Fluktuation in den beobachtbaren Teilchen wie Elektronen oder Photonen bereits enthalten und kann niemals isoliert betrachtet werden. Die virtuellen Teilchen haben daher keine physikalische Bedeutung, daher darf die Vakuumfluktuation auch nicht mit der Paarbildung verwechselt werden.[2]

Vakuumfluktuation in der experimentellen Praxis

In den letzten 10 Jahren (Stand 2021) gibt es mehr und mehr Experimente, die für sich in Anspruch nehmen, die Vakuumfluktuation gemessen zu haben, obwohl sie gemäß der Beschreibung von Hees keine Bedeutung haben sollten. Einige der Experimente sind im Folgenden aufgeführt. Mit der Nutzung des Begriffs Vakuumfluktuation setzt sich der Mathematiker Arnold Neumaier in einem Forumsbeitrag kritisch auseinander. Er betont, dass die Verwendung von Vakuumerwartungswerten kein Anhaltspunkt für Vakuumfluktuationen sind, da diese Erwartungswerte in allen Berechnungen auftreten werden, solange sie in einer störungstheoretischen Einstellung durchgeführt werden. In nicht störenden Gitterfeldtheoretischen Studien habe niemand die geringste Spur von Vakuumfluktuationen gesehen.[3]

Der Casimir-Effekt

In der Vergangenheit wurde insbesondere der Casimir-Effekt (Anziehungskräfte zwischen parallelen Metallplatten) als Beweis dafür angesehen, dass Vakuumfluktuationen bzw. virtuelle Teilchen eine eigenständige physikalische Bedeutung haben könnten. Robert L. Jaffe zeigte 2005, dass diese Effekte durch quantentheoretische Störungsrechnung auch ohne Vakuumfluktuationen hergeleitet werden können.[4] (Der Casimir-Effekt ergibt sich dabei bereits aus der Van-der-Waals-Wechselwirkung für Platten unendlicher Ausdehnung und Leitfähigkeit.) Auch Joseph Cugnon hat bestätigt, dass die Ursache des Casimir-Effekts eher mit der Van-der-Waals-Wechselwirkung zu erklären ist.[5]

Dynamischer Casimir-Effekt

Aus der Quantenfeldtheorie hat der Physiker Gerald T. Moore schon 1970 hergeleitet, dass virtuelle Teilchen, die sich in einem Vakuum befinden, real werden können, wenn sie von einem Spiegel reflektiert werden, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt.[6] Er wurde später auch dynamischer Casimir-Effekt genannt. 2008 zeigten Haro und Elizalde, dass dieser Effekt eher auf thermische Emission zurückzuführen sei.[7] 2011 hat ein Team von schwedischen Wissenschaftlern der Chalmers University of Technology die Idee eines schnell rotierenden Spiegels umgesetzt, indem sie ein SQUID fast auf den Nullpunkt abkühlten und es mit Hilfe eines äußeren Magnetfeldes vibrieren ließen. Sie detektierten dabei die für die Vakuumfluktuation typische Strahlung.[8][9][10]

Messungen mit sehr kurzen Laserimpulsen

2015 haben Physiker an der Universität Konstanz nach eigener Aussage Vakuumfluktuationen direkt nachgewiesen. Mit einem sehr kurzen Laserpuls im Bereich einer Femtosekunde wurden Effekte gemessen, die sich die Wissenschaftler nur mithilfe von Vakuumfluktuationen erklären können.[11][12] Leitenstorfer und Kollegen kommen zu dem Schluss, dass die beobachteten Effekte von virtuellen Photonen ausgelöst wurden.

Messungen supraleitender Bereiche in kondensierter Materie

Quantenphasenübergänge treten in kondensierter Materie auf, wenn beim absoluten Temperaturnullpunkt nicht temperaturartige physikalische Parameter wie Druck, die chemische Zusammensetzung oder ein Magnetfeld variiert werden. Der jeweilige Phasenübergang (zum Beispiel der Übergang von einem Isolator in einen Supraleiter) wird in dabei von Quantenfluktuationen und nicht von thermischen Fluktuationen ausgelöst.[13][14] Forscher der Bar-Ilan-Universität untersuchten extrem dünne Schichten eines Niob-Titan-Stickstoff-Supraleiters in der Nähe des absoluten Nullpunkts. Mittels eines SQUID wurde festgestellt, dass sich die supraleitenden Bereiche mit der Zeit verändern, also zeitlich und räumlich fluktuieren. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von Quantencomputern nützlich sein.[15][16]

Messungen an Gravitationswellendetektoren

2020 berichteten Wissenschaftler mittels LIGO erstmals Auswirkungen von Quantenfluktuationen auf makroskopische Objekte menschlicher Größenordnung gemessen zu haben – auf die Bewegung 40kg-schwerer Spiegel der LIGO-Observatium-Interferometer-Detektoren. Ziel der Untersuchungen ist die Verbesserung der Empfindlichkeit von Gravitationswellendetektoren, die zur Messung von Gravitationswellen gequetschtes Licht verwenden. Durch die Korrelation von Schrotrauschen und einem postulierten Quantenrauschen (im Artikel mit QRPN = "quantum radiation pressure noise" bezeichnet), konnte die Empfindlichkeit der Detektoren verbessert werden, woraus die Forscher die direkte Messung von Quantenfluktuation schlussfolgern.[17][18][19]

Populärwissenschaftliche Erklärungen

In populärwissenschaftlichen Artikeln wird Vakuumfluktuation unter Annahme von Nullpunktsenergie, die auch Vakuumenergie genannt wird, gelegentlich hergeleitet aus der Unschärferelation zwischen Zeit und Energie. Dabei wird manchmal der Eindruck vermittelt, dass diese Fluktuationen physikalische Effekte auslösen könnten.[20] Vakuumfluktuationen werden als Beleg dafür angeführt, dass das quantenmechanische Vakuum nicht im klassischen Sinne „leer“ ist. Vakuumfluktuationen werden gelegentlich als mögliche Erklärung für die Dunkle Energie angesehen, jedoch unterscheiden sich die errechneten Werte um den Faktor 10120.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Arnold Neumaier: The Physics of virtual particles. 28. März 2016. Abgerufen im Januar 2017.
  2. Hendrik van Hees: Introduction to Relativistic Quantum Field Theory. S. 127 ff.. Februar 2016. Abgerufen im Februar 2017.
  3. Arnold Neumaier: Vacuum Fluctuations in Experimental Practice. 19. Januar 2017. Abgerufen am 31. Januar 2019.
  4. R. L. Jaffe Casimir effect and the quantum vacuum. Physical Review D, 2005, 72. Jg., Nr. 2, S. 021301. {{{3}}}. In: arXiv.org
  5. Joseph Cugnon: The Casimir Effect and the Vacuum Energy: Duality in the Physical Interpretation. In: Few-Body Systems. 53.1-2 (2012), S. 181–188. ulg.ac.be (PDF)
  6. Gerald T. Moore: Quantum Theory of the Electromagnetic Field in a Variable-Length One-Dimensional Cavity. 1970-09
  7. Jaume Haro and Emilio Elizalde: Black hole collapse simulated by vacuum fluctuations with a moving semitransparent mirror. 2008-02 doi:10.1103/PhysRevD.77.045011.
  8. P. Delsing, F. Nori, T. Duty, J. R. Johansson, M. Simoen: Observation of the dynamical Casimir effect in a superconducting circuit. In: Nature. 479, Nr. 7373, 2011-11 ISSN 1476-4687, S. 376–379, doi:10.1038/nature10561.
  9. Rüdiger Vaas: Von nichts kommt nichts. Januar 2012. Abgerufen im November 2011.
  10. Maike Pollmann: Licht aus Vakuum erzeugt. November 2016. Abgerufen im Januar 2017.
  11. C. Riek, D. V. Seletskiy, A. S. Moskalenko, J. F. Schmidt, P. Krauspe, S. Eckart, S. Eggert, G. Burkard, A. Leitenstorfer: Direct sampling of electric-field vacuum fluctuations (PDF) Abgerufen im Januar 2017.
  12. Vakuumfluktuationen. Archiviert vom Original am 21. Januar 2017. Abgerufen im Januar 2017.
  13. Thomas Vojta: Quantum Phase Transitions. In: Computational Statistical Physics. Springer, Berlin, Heidelberg 2002-01-02, ISBN 978-3-642-07571-1, S. 211-226, doi:10.1007/978-3-662-04804-7_13.
  14. T. R. KIRKPATRICK, D. BELITZ: Quantum Phase Transitions in Electronic Systems. In: Electron Correlation in the Solid State. Imperial College Press, 1999-01-02, S. 297-370, doi:10.1142/9781860944079_0005.
  15. A. Kremen, H. Khan, Y. L. Loh, T. I. Baturina, N. Trivedi, A. Frydman, B. Kalisky: Imaging quantum fluctuations near criticality. In: nature physics. 14, 2018-08-20 S. 1205–1210, doi:10.1038/s41567-018-0264-z.
  16. Bar-Ilan University, 21.08.2018 – NPO: Quantenfluktuationen sichtbar gemacht. In: scinexx. MMCD NEW MEDIA, Düsseldorf (https://www.scinexx.de/news/technik/quantenfluktuationen-sichtbar-gemacht/).
  17. Yu Haocun L. McCuller M.Tse N.Kijbunchoo L. Barsotti N.Mavalvala: Quantum correlations between light and the kilogram-mass mirrors of LIGO. In: Nature. 583, Nr. 7814, 2020-07 ISSN 1476-4687, S. 43–47, doi:10.1038/s41586-020-2420-8, PMID 32612226.
  18. Quantum fluctuations can jiggle objects on the human scale (en). In: phys.org. Abgerufen am März 2021. 
  19. Prodbregar, Nadja: Quantenrauschen bewegt auch uns. , MMCD New Media, Düsseldorf, Juli 2020. Abgerufen am März 2021. 
  20. Henning Genz, Karlsruhe: Vakuum – 3.6 Fluktuationen. Abgerufen im Januar 2017.
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