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Stealthing

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Stealthing (von engl. stealth = List, Verstohlenheit, Heimlichtuerei) ist eine Form des Missbrauchs,[1] bei der ein Sexualpartner sein Kondom heimlich und ohne Einwilligung des anderen Partners entfernt und anschließend Geschlechtsverkehr ausübt. Die Praxis führt dazu, dass kein Safer Sex stattfindet und die Übertragung von Krankheiten und ggfs. eine Schwangerschaft möglich werden.[2] Bei homosexuellem Sex können auch Männer Opfer von Stealthing werden.[1]

Geschichte und Praxis

Stealthing wird in zahlreichen Internetforen thematisiert; laut der Journalistin Gunda Windmüller sei es ein vermeintlicher „Trend“. In einschlägigen Foren würden männliche User behaupten, das Abstreifen des Kondoms sei ihr ‚gutes Recht‘; wenn eine Frau mit einem Mann schliefe, müsse sie das „mit allen Konsequenzen tun“. Dagegen äußern zahlreiche Frauen die Überzeugung, diese Praxis missachte „nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern auch die sexuelle Autonomie der Opfer“.[1] Der Sexualstrafrechtler Joachim Renzikoswki widersprach der Behauptung, dass Stealthing ein Trend sei: Es handelt sich vielmehr um eine Straftat.[3]

Alexandra Brodsky, Juristin an der Yale University, hat Stealthing als „schwerwiegende Verletzung der Würde und Selbstbestimmtheit“ bezeichnet und will mit einer Studie zu dem Thema ein Bewusstsein für diese Art des sexuellen Missbrauchs schaffen.

Die im August/September 2010 gegen Julian Assange in Schweden erhobenen Vorwürfe drehten sich ebenfalls um Stealthing.[4]

Strafrecht

Schweiz

Im Jahre 2017 wurde erstmals in der Schweiz ein Mann aufgrund von Stealthing wegen Vergewaltigung zu 12 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Richter am Strafgericht Lausanne sahen es als strafrechtlich relevant an, dass die Frau „unfähig war, Widerstand zu leisten“ und dass sie „den Geschlechtsverkehr abgelehnt hätte, wenn sie bemerkt hätte, dass der Mann kein Präservativ mehr trug.“[5] In zweiter Instanz wurde er wegen Schändung verurteilt, bei gleichem Strafmaß.[6]

2019 sprach das Zürcher Obergericht einen Mann frei. Zwar hält das Gericht «Stealthing» grundsätzlich für strafwürdig und bezeichnet das Vorgehen des Mannes als moralisch verwerflich, doch es bewege sich in einer Gesetzeslücke. Den Tatbestand der Schändung sah das Gericht als nicht erfüllt. Das Urteil geht auf einen Vorfall vom Herbst 2017 zurück. Der damals 19-Jährige und die 18-jährige Frau lernten sich über eine Dating-Platform kennen. Nach dem Date gingen die beiden in die Wohnung der Frau, wo es zu einvernehmlichem Sex kam. Die Frau bestand jedoch darauf, dass der Mann ein Kondom verwendet. Damit war der Mann zunächst einverstanden. Während des Aktes entledigte er sich jedoch des Kondoms, ohne die Frau darüber zu informieren. Der genaue Hergang ist jedoch umstritten.[7][8]

Früher oder später muss das Bundesgericht ein Leiturteil fällen oder das Thema «Stealthing» der Politik übergeben.

Deutschland

Auch in der strafrechtlichen Literatur für Deutschland wird vertreten, dass Stealthing unter § 177 Abs. 1 StGB bzw. § 176 Abs. 4 StGB strafbar ist.[9][10] Nach anderer Ansicht hat sich der Täter zwar nicht nach § 177 StGB, jedoch wegen versuchter Körperverletzung sowie Beleidigung strafbar gemacht.[11] 2018 urteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten erstinstanzlich, dass Stealthing ein Sexueller Übergriff nach § 177, jedoch keine Vergewaltigung ist, und sprach 8 Monate auf Bewährung aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.[12]

Literatur

  • Alexandra Brodsky: ‚Rape-Adjacent‘: Imagining Legal Responses to Nonconsensual Condom Removal. Columbia Journal of Gender and Law 32 (2), April 2017. (Abstract)
  • Felix Herzog: "Stealthing": Wenn Männer beim Geschlechtsverkehr heimlich das Kondom entfernen. Eine Sexualstraftat? In: Stephan Barton, Ralf Eschelbach, Michael Hettinger, Eberhardt Kempf, Christoph Krehl & Franz Salditt (Hg.), Festschrift für Thomas Fischer, C. H. Beck, München 2018, S. 351–359.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Gunda Windmüller: Dieser sogenannte „Sex-Trend“ ist in Wahrheit Missbrauch. Welt.de
  2. Wenn ein Mann heimlich das Kondom abzieht, sollte das strafbar sein auf jetzt.de, abgerufen am 27. April 2017
  3. Nora Burgard-Arp: Stealthing: „Stellungwechsel, Gummi ab“ Zeit Campus vom 12. Januar 2018; abgerufen am 20. Dezember 2ß18
  4. stern.de
  5. Sex ohne Kondom – wegen Vergewaltigung verurteilt auf 20min.ch, zuletzt abgerufen am 7. Januar 2018
  6. Stealthing: „Foreneinträge erstaunlich grauslich und unverblümt“. In: derstandard.at. 14. Juni 2017, abgerufen am 7. April 2019.
  7. Zürcher Stealthing-Fall - Mann streift heimlich das Kondom ab: Gericht spricht ihn frei In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 28. November 2019
  8. «Stealthing», das heimliche Abziehen des Kondoms, ist moralisch «unterste Schublade», aber derzeit nicht strafbar (de). In: Neue Zürcher Zeitung, 28. November 2019. 
  9. Felix Herzog: "Stealthing": Wenn Männer beim Geschlechtsverkehr heimlich das Kondom entfernen. Eine Sexualstraftat? In: Stephan Barton, Ralf Eschelbach, Michael Hettinger, Eberhardt Kempf, Christoph Krehl & Franz Salditt (Hg.), Festschrift für Thomas Fischer, C. H. Beck, München 2018, S. 356 f.
  10. Thomas Michael Hoffmann: Zum Problemkreis der differenzierten Einwilligung (Einverständnis) des Opfers im Bereich des § 177 StGB nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 2016. In: NStZ. 2019 S. 16.
  11. Kevin Franzke: Zur Strafbarkeit des so genannten „Stealthings“. In: Bonner Rechtsjournal - Ausgabe 01/2019. Sandra Latzko, Lorenz Posch, Tanja Posch (Hrsg.), 7. Oktober 2019, S. 114 – 122, abgerufen am 14. Oktober 2019.
  12. 37-Jähriger wegen "Stealthing" verurteilt. In: SPON, 18. Dezember 2018
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Stealthing aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.