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Schnurkeramische Kultur

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Schnurkeramik
Zeitalter: Endneolithikum bzw. Chalkolithikum
Absolut: 2800 bis 2200 v. Chr.

Ausdehnung
etwa Rhein bis Dnepr/Dnipro
Leitformen

Amphoren und Becher mit Schnurverzierung, facettierte Äxte

Typische Schnurkeramik, die der Kultur den Namen gab, aus einem Grab in Kötzschen, Sachsen-Anhalt. Sie entsteht durch das geometrische Eindrücken von Schnüren in den halb gehärteten Ton. Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin.
Schnurkeramische Streitäxte, Schlossmuseum Linz

Als schnurkeramische Kultur (fachsprachlich kurz Schnurkeramik oder SK; besser Kultur mit Schnurkeramik, veraltet auch Streitaxt-Kultur) bezeichnet man zusammenfassend einen Kulturkreis der Kupfersteinzeit, am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden; weitere gemeinsame Merkmale sind die Bestattungssitten und die Streitäxte. Datierungen für Mitteleuropa reichen von ca. 2800 bis 2200 v. Chr.[1] Kulturen mit Schnurkeramik erstrecken sich bis in das nordmitteleuropäische Flachland und den südlichen Ostseeraum, wo sie forschungsgeschichtlich bedingt auch Einzelgrabkultur, weiter im Norden Bootaxtkultur genannt werden.

Forschungsgeschichte

Die Schnurkeramik (SK) wurde von Friedrich Klopfleisch als eigenständige Gruppe gegenüber der älteren Bandkeramik aufgestellt (1883/84) und nach der typischen Verzierung benannt. Alfred Götze definierte bereits 1891 eine ältere und eine jüngere Stufe. Götze rechnete allerdings auch noch die Rössener Keramik zur Schnurkeramik, die er an das Ende dieser Kultur setzte. In Böhmen hielt L. Pic (1899) die SK für gleichzeitig mit der Bandkeramik. Insgesamt hielt er die SK für älter als die Bandkeramik. Damit stand er im Gegensatz zu Otto Tischler in Königsberg, der die SK bereits 1883 an das Ende des Neolithikums gesetzt hatte. 1898 konnte K. Schumacher anhand der Stratigraphie süddeutscher Pfahlbausiedlungen zeigen, dass die Schnurkeramik an das Ende des Neolithikums und den Übergang zur Bronzezeit zu stellen war.

Verbreitung

Ausbreitung der Schnurkeramik (englisch Corded Ware)

Das Verbreitungsgebiet der Schnurkeramik erstreckte sich zeitweilig von der Schweiz und Mitteleuropa über Südskandinavien bis nach Zentralrussland. Die skandinavische Gruppe, die Äxte in Form eines Bootes benutzte, wird Bootaxtkultur genannt. Ein Ausläufer zwischen dem Baltikum und der oberen Wolga ist die Fatjanowokultur. In Dänemark weist die Ausbreitung des ältesten Typs der Streitaxt auf eine Konzentration in Mitteljütland, von wo aus später die dänischen Inseln erreicht wurden.

Gliederung

Die Schnurkeramik lässt sich in drei überregionale Gruppen unterteilen, die eine mehr oder weniger homogene Einheit bilden.

  • Die Südgruppe umfasst das Elsass, Süddeutschland, die Schweiz, Österreich, Böhmen, Mähren, Hessen, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
  • Die Nordgruppe ist mit der Standfußbecher-, Einzelgrab- und Haffküstenkultur gleichzusetzen. Sie kommt in West- und Norddeutschland, in den Niederlanden, Dänemark, Südschweden, im Küstenbereich von Polen, in Ostpreußen und dem Baltikum vor.
  • Die dritte Gruppe, die sich allerdings stark von den ersten unterscheidet, kann in Osteuropa lokalisiert werden.

Bestattungen

Grablegung

Typisch sind Einzelbestattungen in Hocklage unter Grabhügeln; d. h. die Toten wurden mit angezogenen Beinen auf der Seite liegend bestattet. Kennzeichnend für die Schnurkeramik ist eine konsequent „bipolare Bestattungsweise“. Das bedeutet, dass für Männer und Frauen entgegengesetzte Grablegungen üblich waren. Die Toten der mitteleuropäischen Schnurkeramik liegen meist in der Ost-West-Achse, dabei die Frauen linksseitig mit dem Kopf nach Osten, die Männer rechtsseitig mit dem Kopf nach Westen. Die sogenannte „Blickrichtung“ ist dabei Süden. Im östlichen Mitteleuropa (Kleinpolen) und Osteuropa (Ukraine) ist die dominierende Totenlage dagegen die Nord-Süd-Achse, die „Blickrichtung“ ist Osten. Auch hier gilt jedoch das Prinzip, dass Frauen stets linksseitig und Männer rechtsseitig in Hocklage bestattet wurden.

Abweichungen der geschlechtsdifferenzierten Grabsitte wurden selten beschrieben und können auf fehlerhafter Geschlechtsbestimmung beruhen.[2] Die traditionelle Bestimmung anhand anatomischer Merkmale an Schädel und Skelett ist wegen der Überlappung geschlechtsspezifischer Merkmale relativ unzuverlässig, wenngleich bis heute Standard in der Archäologie.[2] Im Jahre 2011 lag diese einem medienwirksam interpretierten Grab der SK aus Prag zugrunde, wo der Leichnam bei vermeintlich männlichem Geschlecht mit dem Kopf im Osten bestattet war.[3] Sofern noch genügend aDNA erhalten ist, bietet nur die Geschlechtsdiagnostik der DNA ein zuverlässiges Instrument der Bestimmung.

Grabbeigaben

Die unterschiedlich aufwendige Ausstattung der Grabbeigaben deutet auf eine soziale Differenzierung hin, die bereits im Jungneolithikum begonnen hat.[4] Typisch für Männergräber ist die Beigabe der Streitaxt, eines Bechers und/oder einer Amphore. Die Kanonisierung der Grabbeigaben ist in der frühen Phase der Schnurkeramik am größten, weshalb diese früher als „Einheitshorizont“ oder „A-Horizont“ bezeichnet wurde. Frauengräber enthalten statt der Streitaxt meist Schmuckgegenstände. Hier kommen als Gefäßformen neben Becher und Amphore auch Tassen oder Schüsseln vor. Insbesondere in Gräbern der späteren Schnurkeramiker werden auch Schmuckstücke oder Dolche aus Kupfer gefunden.

Nachbestattungen

Neben den eigens aufgeschütteten Grabhügeln gibt es auch Nachbestattungen in Megalithanlagen. In Mitteldeutschland ist die Nachbestattung in Großsteingräbern der Walternienburg-Bernburger Kultur (z. B. Schneiderberg bei Baalberge) und in Grabanlagen der Kugelamphorenkultur (z. B. Pohlsberg bei Latdorf) nachgewiesen. Außerdem wurden Teile älterer Grabanlagen sekundär verbaut, wie zum Beispiel der Menhir von Schafstädt in einer schnurkeramischen Steinkiste.

Siedlungen und Sachkultur

Keramikreste aus der Feuchtbodensiedlung im Umfeld des Kleinen Hafners auf der Baustelle Parkhaus Opéra in Zürich

Das Fehlen an Siedlungsfunden ließ zunächst auf eine nomadische Lebens- und Wirtschaftsweise ihrer Träger schließen. Bis heute sind Siedlungen gegenüber Gräberfeldern unterrepräsentiert, obwohl inzwischen klar ist, dass sich die Wirtschaftsweise der Schnurkeramiker nicht von anderen spät- und endneolithischen Kulturen unterscheidet.[5] Seit einigen Jahren belegen vermehrte Siedlungsfunde (u.a. Hausgrundrisse, Brunnenfunde) und Hinweise auf die Wirtschaftsweise (Getreidekörner, Abdrücke von Nutzpflanzen in Keramikgefäßen, Knochenfunde, Pflüge, Rindergespanne, Scheibenräder etc.), dass die Träger der Schnurkeramik sesshaft waren und Ackerbau und Viehzucht betrieben.

Ursprung und indogermanische Ethnizität

Sherratt (1977), stellvertretend für viele andere Forscher seiner Zeit, sah den Ursprung der SK eher als autochthone Entwicklung durch gesellschaftliche Veränderungen wie die Ausbildung eines neuen Prestigegütersystems. Heute wird, anschließend an die Interpretationen von Marija Gimbutas, eher von starken Einflüssen oder gar Zuwanderungen aus dem Raum der osteuropäischen Steppen (s. Kurganhypothese) ausgegangen [1]. Die frühesten Datierungen schnurkeramischer Gräber in Mitteleuropa liegen mit dem 29. Jh. aus Kleinpolen vor.[1] Ergebnisse aus Osteuropa sind derzeit noch unzureichend ausgewertet.

Die meisten Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Schnurkeramiker die gemeinsamen Vorfahren der späteren Germanen, Balten und Slawen (die Nordgruppe der Indogermanen, die sogenannte Slawogermanische Gruppe), eventuell auch der Kelten und der Italiker waren, und damit die älteste Einwanderergruppe der indogermanischen Sprachfamilie in Mitteleuropa darstellen.

Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur im Gegensatz zu den Vorgängern zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben. [6]

Literatur

Archäologie

  • David W. Anthony: Persistent identity and Indo-European archaeology in the western steppes. In Early contacts between Uralic and Indo-European: Linguistic and archaeological considerations. Helsinki 2001.
  • Jan K. Bertram: Schnurkeramik. In: H.-J. Beier; R. Einicke (Hrsg.): Das Neolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet und in der Altmark. Eine Übersicht und ein Abriß zum Stand der Forschung. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Band 4., Beier & Beran, Langenweißbach 1994, ISBN 3-930036-05-3, S. 229-242.
  • John Elof Forssander: Die schwedische Bootaxtkultur und ihre kontinentaleuropäischen Voraussetzungen. Lund 1933.
  • Martin Furholt: Die absolutchronologische Datierung der Schnurkeramik in Mitteleuropa und Südskandinavien. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 101. Habelt, Bonn 2003, ISBN 3-7749-3206-9
  • Alexander Häusler: Die östlichen Beziehungen der schnurkeramischen Becherkulturen. In: H. Behrens u. Friedrich Schlette (Hrsg.), Die neolithischen Becherkulturen im Gebiet der DDR und ihre europäischen Beziehungen. Veröff. Landesmuseum Halle 24. Dt. Verl. d. Wiss., Berlin 1969, 255-275. ISSN 0072-940X
  • Dirk Hecht: Das schnurkeramische Siedlungswesen im südlichen Mitteleuropa. Eine Studie zu einer vernachlässigten Fundgattung im Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Heidelberg 2007
  • Dirk Hecht: Siedlungen der Schnurkeramik im südlichen Mitteleuropa. Siedlungsverteilung und Hausbau. In: W. Dörfler/ J. Müller (Hrsg.): Umwelt – Wirtschaft – Siedlungen im dritten vorchristlichen Jahrtausend Mitteleuropas und Skandinaviens. Internationale Tagung Kiel 4.-6. November 2004. Offa-Bücher 84, Neumünster 2008, S. 253-263
  • Dirk Hecht: Das Siedlungswesen der Schnurkeramik im südlichen Mitteleuropa. Eine Studie zu einer vernachlässigten Fundgattung im Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/7313
  • Dirk Hecht: Die endneolithische Besiedlung des Atzelberges bei Ilvesheim (Rhein-Neckar-Kreis). Ein Beitrag zum endneolithischen Siedlungswesen am nördlichen Oberrhein. Heidelberg 2003, ISBN 3-8330-0778-8
  • Joachim Köninger, Helmut Schlichtherle: Zur Schnurkeramik und Frühbronzezeit am Bodensee. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 15, 1990, 149-173. ISSN 0071-9897
  • J.P. Mallory: In Search of the Indo-Europeans: Language, Archaeology and Myth. Thames & Hudson, London 1991 (Repr.), ISBN 0-500-27616-1
  • Johannes Müller (Hrsg.): Vom Endneolithikum zur Frühbronzezeit: Muster sozialen Wandels? Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 90. Habelt, Bonn 2003. ISBN 3-7749-3138-0
  • Johannes Müller: Zeiten ändern sich. in: Archäologie in Deutschland (AiD). 1999,2. ISSN 0176-8522
  • Johannes Müller, Timo Seregély (Hrsg.): Wattendorf-Motzenstein. Eine schnurkeramische Siedlung auf der Nördlichen Frankenalb. Naturwissenschaftliche Ergebnisse und Rekonstruktion des schnurkeramischen Siedlungswesens in Mitteleuropa. Endneolithische Siedlungsstrukturen in Oberfranken II. UPA 155, Bonn 2008, ISBN 978-3-7749-3553-2
  • Ulrich Ruoff: Die schnurkeramischen Räder von Zürich. In: Archäologisches Korrbl. 8, 1978, 275-283. MainzISSN 0352-734X(?!?!)
  • Timo Seregély: Wattendorf-Motzenstein: Eine schnurkeramische Siedlung auf der Nördlichen Frankenalb. Studien zum dritten vorchristlichen Jahrtausend in Nordostbayern. Endneolithische Siedlungsstrukturen in Oberfranken I. UPA 154, Bonn 2008, ISBN 978-3-7749-3552-5
  • Michael Stock: Die Schnurkeramik in Sachsen-Anhalt und Thüringen auf Grund der Grabgefäße. Alteuropäische Forschungen N.F. 2. Beier und Beran, Weissbach 1998, ISBN 3-930036-33-9.
  • Andrew Sherratt: Cups that cheer. In: Economy and society in prehistoric Europe: changing perspectives. Princeton University Press, Princeton 1997.
  • Christian Strahm: Die Dynamik der schnurkeramischen Entwicklung in der Schweiz und in Südwestdeutschland. In: Die kontinentaleuropäischen Gruppen der Kultur mit Schnurkeramik. Schnurkeramik-Symposium Praha-Stirin 1990. Praehistorica 19. Univerzita Karlova, Prag 1992, ISBN 80-7066-527-0, S. 163-177.
  • Roland R. Wiermann: Die Becherkulturen in Hessen. Glockenbecher – Schnurkeramik – Riesenbecher. Leidorf, Rahden 2004, ISBN 3-89646-792-1

Linguistik

  • Robert S.P. Beekes: Comparative Indo-European Linguistics. An Introduction. Benjamins, Amsterdam 1995, ISBN 1-55619-505-2
  • J.P. Mallory, Douglas Q. Adams (Hrsg.): Encyclopedia of Indo-European Culture. Fitzroy Dearborn, London 1997, ISBN 1-884964-98-2

Weblinks

 Commons: Schnurkeramik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Martin Furholt: Absolutchronologie und die Entstehung der Schnurkeramik. In: jungsteinsite.de, Artikel vom 16. Dezember 2003 (PDF; 5,2 MB)
  2. 2,0 2,1 Jo Sofaer: The Body as Material Culture: A Theoretical Osteoarchaeology. Cambridge University Press, 2006
  3. Schamane oder Transsexueller? Geheimnisvolles Grab aus der Kupfersteinzeit Website Radio Praha (abgerufen am 13. November 2012)
  4. Almut Bick: Die Steinzeit. Theiss WissenKompakt, Stuttgart 2006. ISBN 3-8062-1996-6
  5. D. Hecht: Das Siedlungswesen der Schnurkeramik im südlichen Mitteleuropa. Eine Studie zu einer vernachlässigten Fundgattung im Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. (Online)
  6. Massive migration from the steppe is a source for Indo-European languages in Europe
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