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Restrukturierung

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Restrukturierung oder Umstrukturierung (oder Turnaround) ist ein im Wirtschaftsleben vielfältig verwendeter Begriff, der als Sanierungsmaßnahme die Verbesserung der organisatorischen, betriebswirtschaftlichen oder Marktbedingungen eines Unternehmens oder schlimmstenfalls die Bewältigung einer Unternehmenskrise zum Inhalt hat. Bei Staaten und untergeordneten Gebietskörperschaften wird international ebenfalls von Restrukturierung („debt restructuring“) gesprochen, wenn bei hochverschuldeten Staaten die Umschuldung („debt exchange“) oder ein Schuldenerlass („debt relief“) gemeint ist. Umstrukturierung oder „Restrukturierung“ wird synonym als Euphemismus für die Entlassung oder sogar Massenentlassung von Beschäftigten eines Unternehmens oder einer Behörde benutzt.

Unternehmen

Im Idealfall nehmen Restrukturierungen erwartete künftige nachteilige Markt- oder Kostenentwicklungen im Unternehmen vorweg. Regelfall ist jedoch, dass Umstrukturierungen zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden, an dem Verluste bereits eingetreten sind; es wird nicht antizipiert, sondern reagiert.[1] Das Wesen von derartigen Sanierungsfällen ist häufig darin zu sehen, dass ein Unternehmen aus sich heraus nicht mehr sanierungsfähig ist und deshalb zur Stilllegung nur die Alternative der Umstrukturierung besteht.[2]

Mögliche Umstrukturierungsmaßnahmen können unter anderem wie folgt systematisiert werden:

  • Ausgliederung (Outsourcing) von Geschäftsbereichen bzw. Abteilungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören bzw. strukturell verlustbehaftet sind. Ziel ist die Vermeidung oder Verringerung von Verlusten.
  • Im Rahmen einer Geschäftsprozessoptimierung wird die Neugestaltung/Verschlankung der internen Prozessabläufe mit dem Ziel angestrebt, Zeit und Kosten zwischen Auftragseingang und Auslieferung („throughput“) zu sparen.
  • Änderung der Marktausrichtung, des Geschäftsmodells oder des Produktspektrums. Ziel ist ein marktfähigerer Produktmix, Umsatz- und Gewinnsteigerung.
  • Durch Hebung von Synergiepotenzialen und Abschaffung der Parallelproduktion sollen Kosten gesenkt werden, um Gewinnchancen zu erhöhen.

Waren diese Maßnahmen noch weitgehend betriebsinterner Natur, so wird bei Betriebsaufspaltung/Betriebsübergang/ Betriebsänderung eine höhere Ebene erreicht. Das Outsourcing ist ein klassischer Fall der Betriebsaufspaltung, der Betriebsübergang ist eine Umstrukturierung auf Unternehmensebene, während die Betriebsänderung eine Umstrukturierung auf Betriebsebene darstellt.[3] Allen Maßnahmen gemeinsam ist die Senkung der Kosten. Bei diesen stehen meist die Personalkosten im Vordergrund, sodass ein Umstrukturierungskonzept meist die Entlassung von Beschäftigten zum Inhalt hat.[4]

Neben dem häufigen Nicht-Erreichen der eigentlichen Ziele entstehen durch Restrukturierungen oftmals hohe psychische Belastungen: Unsicherheit über die eigene Zukunft, drohender Stellenabbau, neue Aufgaben und Anforderungen, verbunden mit Arbeitsverdichtung, führen zu einer hohen Stressbelastung der Beschäftigen (und auch der Führungskräfte). Der Bericht der europäischen Expertengruppe zu „health in restructuring/HIRES“ zeigt explizit den Zusammenhang von „überlebter“ Restrukturierung und gesundheitlichen Folgen.[5]

Auf EU-Ebene ist deshalb die Umstrukturierung von Unternehmen thematisiert, weil damit meist soziale Folgen durch Entlassungen verbunden sind. So soll Art. 154 AEUV den Ausgleich der Sozialpartner durch Dialog fördern, was insbesondere bei den sozialen Effekten von betrieblichen Restrukturierungsmaßnahmen (Entlassungen) erforderlich werden kann. Auf der Grundlage dieser Bestimmung hat die EMCC (European Monitoring Centre on Change) insgesamt 8 Restrukturierungsgründe bei Unternehmen identifiziert.[6]

Staaten

Bei hochverschuldeten Staaten wird von Restrukturierung gesprochen, wenn national und/oder international Maßnahmen ergriffen werden müssen, die eine Entlastung der Tilgungsstruktur, der Zinsaufwendungen oder gar einen Schuldenerlass im Rahmen einer Haushaltskonsolidierung zum Gegenstand haben. Die Restrukturierung ist insbesondere dann geboten, wenn einem Staat die Zahlungsunfähigkeit droht. Während der Schuldenerlass zu einer Verringerung der Staatsschulden führt, können bestehende kurzfristige Schulden in langfristige konsolidiert werden. Das hat einerseits eine Entzerrung der Tilgungsstruktur, andererseits möglicherweise auch eine Zinsentlastung zur Folge, solange keine inverse Zinsstruktur vorhanden ist. Die Schuldenlast eines Staates wird insbesondere dann problematisch, wenn durch Wirtschaftskrisen das Bruttoinlandsprodukt stark sinkt und deshalb einen kritischen Schwellenwert unterschreitet (siehe Staatsbankrott). Ferner kann ein hochverschuldeter Staat gezwungen sein, durch zunehmende Arbeitslosigkeit höhere Sozialausgaben zahlen zu müssen, die sein Haushaltsdefizit und damit die Verschuldung erhöhen. Bei hochverschuldeten Staaten stehen für eine Restrukturierung der IWF, der Londoner Club und der Pariser Club zur Verfügung. Ihre Restrukturierungshilfen sind teilweise mit harten Auflagen verbunden (Konditionalität), die einen mehr oder weniger starken Eingriff in die Souveränität bedeuten.

Bei hochverschuldeten EU-Mitgliedstaaten kommt zudem noch die – rein freiwillige – Hilfe durch die EU in Betracht, denn aufgrund einer ausdrücklichen No-Bail-out-Klausel (Art. 125 AEUV) ist sichergestellt, dass ein Euro-Teilnehmerland nicht für Schulden anderer Mitgliedstaaten automatisch haftet. In Art. 136 AEUV sind Mechanismen vorgesehen, die die Stabilität des Euro sichern sollen. Aus dieser Vorschrift sind der supranationale EFSF und seine Nachfolgeorganisation ESM entstanden, die hochverschuldeten Staaten wie Irland, Portugal und Griechenland mit Krediten zu tragbaren Zinsen zur Verfügung stehen. Die von der EFSF emittierten Anleihen werden durch die Mitgliedstaaten quotal garantiert. Dabei stellt eine Überbesicherung („over-collateralization“) sicher, dass diese Organisationen von den Ratingagenturen mit der Bestnote („top notch“) AAA geratet werden.

Wirkungen

Die Restrukturierung einer Verbindlichkeit kann nach den Bestimmungen der ISDA ein Kreditereignis darstellen, das eine Zahlungspflicht des Sicherungsgebers eines Credit Default Swaps auslöst. Voraussetzung ist, dass die Restrukturierung in den Definitionen des Kreditereignisses aufgezählt ist. Ist mithin im Rahmen einer Umstrukturierung eines Unternehmens auch ein Schuldenerlass oder bloß eine Stundung vorgesehen, muss die Gefahr eines Kreditereignisses berücksichtigt werden. Seine Folgen reichen von der Kreditkündigung durch Banken über die Cross-Default-Klausel zur sofortigen Fälligstellung aller Verbindlichkeiten bis hin zur Zahlungspflicht von Sicherungsgebern bei Credit Default Swaps.

Bei Unternehmen oder Staaten als Schuldner kann eine Restrukturierungsmaßnahme Gegenstand der Collective Action Clause sein. Voraussetzung ist, dass die betroffenen Schulden in Anleihen verbrieft sind, die diese Klausel enthalten oder unter ein Gesetz fallen, dass für diese Anleihen die Anwendung der Klausel vorsieht. Dann bindet die Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger auch die ablehnende Minderheit.

Restrukturierungen über eine Zinssenkung und Tilgungsstreckung führen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Verschuldungsquote, da Bankkredite in der Bilanz zum Nominalwert passiviert werden; sie verbessern aber die Tragfähigkeit der Verschuldung, weil der Schuldendienst geringer ausfällt.

Literatur

  • Ingo Hamm, Rudi Rupp: Mitbestimmung bei Veräußerung und Restrukturierung, Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte bei Betriebsänderungen, Bund-Verlag, Frankfurt, 2008, ISBN 978-3-7663-3721-4.
  • Ulrich Hommel, Thomas C. Knecht, Holger Wohlenberg: Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2006, ISBN 978-3-409-12654-0.
  • Frank Roselieb / Marion Dreher (Hrsg.), Von erfolgreichen Krisenmanagern lernen, Fallstudien zur Restrukturierung und zum Turnaroundmanagement, Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2008, ISBN 978-3-503-10090-3.
  • Oliver Haag: Umstrukturierung und Betriebsverfassung, Hartung-Gorre Verlag Konstanz, 1997, ISBN 3-89649-043-5.
  • Thomas Kieselbach, Claude Emmanuel Triomphe: Health in Restructuring (HIRES). Recommendations, National Responses and Policy Issues in the EU, 2009, ISBN 978-3-86618-498-5.
  • Peter Faulhaber, Norbert Landwehr, Hans-Joachim Grabow: Turnaround-Management in der Praxis, Campus-Verlag, Frankfurt am Main - New York 2009 ISBN 978-3-593390017.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. rund 68 % der deutschen Unternehmen haben den Restrukturierungsbedarf erst bei bereits eingetretener Ergebnis- bzw. Liquiditätskrise erkannt; Roland Berger Strategy Consultants, November 2003, Studie: Restrukturierung in Deutschland – früher, schneller, härter, aber noch nicht gut genug.
  2. BAG DB 1983, 2690, 2691.
  3. Wolfgang Balze/Wolfgang Rebel/Peter Schuck, Outsourcing und arbeitsrechtliche Restrukturierung von Unternehmen, 2007, S. 52.
  4. bei nahezu allen Restrukturierungen wird Personal abgebaut; Personalabbau ist damit die häufigste Maßnahme: Reduzierung Personalaufwand/Mitarbeiter-Abbau: bei 99 % aller befragten Unternehmen; Roland Berger Strategy Consultants, November 2003, Studie: Restrukturierung in Deutschland – früher, schneller, härter, aber noch nicht gut genug.
  5. B. Köper/G. Richter, Restrukturierung in Organisationen und mögliche Auswirkungen auf die Mitarbeiter, BAuA 2012.
  6. Restructuring, Eurofound, November 2010.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Restrukturierung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.