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Rechtskraft (Deutschland)

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Der Begriff Rechtskraft bezeichnet bestimmte Rechtswirkungen, die von einem gerichtlichen Urteil oder Beschluss ausgehen, sowie die Voraussetzungen, unter denen diese Wirkungen eintreten.

Die Wirkung der Rechtskraft lässt sich mit dem römischen Grundsatz „contra rem iudicatam non audietur“ wie folgt beschreiben: „Gegen eine entschiedene Sache wird man nicht gehört“. Ziel der Rechtskraft ist es, die Endgültigkeit richterlicher Entscheidungen wirksam werden zu lassen, um somit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit zu dienen. Die entgegenstehende Rechtskraft führt daher bei einer erneuten gleichartigen Klage oder einem erneuten gleichartigen Antrag zur Unzulässigkeit.

Grundsätzlich entfaltet nur der Tenor des Urteils Rechtskraft, also die gerichtliche Entscheidung selbst, nicht jedoch deren Begründung oder etwa Tatsachenfeststellungen. Tenor und Spruchteil sind aber, insbesondere bei abweisenden Urteilen, „im Lichte“ der Gründe zu interpretieren.

In Deutschland wird die Unanfechtbarkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen im Unterschied zu Österreich als Bestandskraft bezeichnet und ist deutlich von der Rechtskraft abzugrenzen. Zu unterscheiden ist zum einen zwischen formeller Rechtskraft und materieller Rechtskraft, zum anderen zwischen der Rechtskraftwirkung von Prozessurteil und Sachurteil.

Formelle Rechtskraft

Formelle Rechtskraft bedeutet Unanfechtbarkeit. Zulässige Rechtsmittel hindern den Eintritt der (formellen und materiellen) Rechtskraft (Suspensiveffekt). Zu den Rechtsmitteln zählen insbesondere Berufung und Revision. Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn es kein ordentliches Rechtsmittel mehr gegen die Entscheidung gibt (vgl. § 705 ZPO). Das ist der Fall, wenn die zur Einlegung von Rechtsmitteln Berechtigten die hierfür vorgesehene Frist verstreichen lassen, darauf verzichten (Rechtsmittelverzicht) oder ein solches nicht vorgesehen ist, insbesondere, weil die letzte Instanz entschieden hat. Dass außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Verfassungsbeschwerde noch eingelegt werden können, hindert die Rechtskraft nicht.[1]

Die eingetretene formelle Rechtskraft kann nur ausnahmsweise nachträglich wieder entfallen. Bei unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist kann nachträglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand§ 233 ff. ZPO, §§ 44 ff. StPO) gewährt werden. Unter engen Voraussetzungen kann das Verfahren wiederaufgenommen werden (§§ 578 ff. ZPO, §§ 359 ff. StPO). Auch auf eine Verfassungsbeschwerde hin kann eine rechtskräftige Entscheidung aufgehoben werden, § 95 BVerfGG.

Materielle Rechtskraft

Materielle Rechtskraft bedeutet inhaltliche Bindungswirkung in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Sicht.[2] Sie setzt den Eintritt formeller Rechtskraft voraus und legt sämtliche Gerichte und die Parteien auch in späteren Prozessen auf die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge fest. Dies soll unter anderem sich widersprechende Urteile verhindern und Rechtssicherheit für die Parteien schaffen. Auf Dritte, die am Verfahren nicht beteiligt waren, erstreckt sich die Bindung dagegen grundsätzlich nicht (vgl. § 325 ZPO).

Im Zivilprozess ist es dann grundsätzlich nicht mehr erlaubt, dasselbe Begehren (denselben Streitgegenstand bzw. prozessualen Anspruch) noch einmal zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen (ne bis in idem). Außerdem ist in einem späteren Prozess, wenn sich die entschiedene Frage vorfrageweise für einen anderen Anspruch stellt (Präjudizialität), das Gericht an die Feststellung gebunden. Dabei erstreckt sich die Rechtskraft regelmäßig nur auf den erhobenen Anspruch; die Urteilsgründe erwachsen hingegen nicht in Rechtskraft (vgl. § 322 Abs. 1 ZPO).

Im Strafprozess führt die Rechtskraft des Urteils zu einem Strafklageverbrauch (Ne bis in idem), so dass eine nochmalige Verfolgung wegen derselben Tat ausgeschlossen ist.

Weiter müssen nach dem Grundgesetz (vgl. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Rechtsstaatsprinzip (vor allem Rechtssicherheit)) sämtliche Staatsorgane, insbesondere Verwaltungsbehörden, die materielle Rechtskraft beachten.[3]

Die Bestandskraft entfaltet im öffentlichen Recht bei Verwaltungsakten der Rechtskraft ähnliche Wirkungen. Das Verfassungsprozessrecht kennt außerdem Bindungswirkung gem. § 31 BVerfGG. Sie erfasst alle Gerichte und Behörden und reicht so über die Wirkungen der Rechtskraft hinaus.

Prozessurteil und Sachurteil

Prozessurteile sind Urteile, in denen die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Sie sind der formellen Rechtskraft fähig (etwa, wenn die Klagefrist versäumt wurde), ohne dass sie stets in materielle Rechtskraft erwachsen würden: Ein Mangel in der Postulationsfähigkeit zum Beispiel kann geheilt werden, indem der Bürger seine Klage, für die Anwaltszwang herrscht, nicht wieder selbst einlegt, sondern doch noch einen Rechtsanwalt beauftragt. Die materielle Rechtskraft eines Prozessurteils bezieht sich allein auf den Zulässigkeitsmangel, an dem das Gericht die Klage hat scheitern lassen.

Sachurteile sind Urteile, in denen über die zulässige Klage in der Sache und damit über die Begründetheit der Klage entschieden wird. Sie sind formeller und materieller Rechtskraft fähig. Es gilt das oben Gesagte.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Rechtskraft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellenangaben

  1. BVerfGE 103, 111 (139).
  2. BVerfGE 103, 111 (139) mit Verweis auf Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, S. 484 f.
  3. Rosenberg/Schwab/Gottwald, 16. Auflage, § 150 Rn.1, § 151 Rn.19
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