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Philosophia perennis

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum Blog siehe dessen Autor David Berger (Theologe).

Der Begriff Philosophia perennis (lat., „immerwährende bzw. ewige Philosophie“) oder Philosophia perennis et universalis bezeichnet die Vorstellung, der zufolge sich bestimmte philosophische Einsichten über Zeiten und Kulturen hinweg erhalten (perennieren). Dazu sollen Aussagen (etwa in Form von Prinzipien) zählen, die ewige, unveränderliche und universal gültige Wahrheiten über die Wirklichkeit, speziell den Menschen, die Natur und den Geist (bzw. Gott) ausdrücken. Vertreter der Philosophia perennis halten solche Aussagen prinzipiell für möglich und versuchen teilweise selbst, diese zeitgemäß zu formulieren. Die Grundannahme der Philosophia perennis ist, dass die Wahrheit selbst ewig und unwandelbar ist, da das Gegenteil undenkbar ist: "Wenn es keine (ewige) Wahrheit gibt, ist es (ewig) wahr, dass es keine (ewige) Wahrheit gibt."[1]. Unterschiede zwischen verschiedenen Richtungen gibt es in der Ansicht, auf welchem Weg man diese Wahrheiten erhalten kann. In der modernen Philosophiegeschichtsschreibung wird der Terminus meist nur noch bei einigen Neuthomisten und christlichen Philosophen verwendet, ist sonst aber größtenteils in die Kritik geraten.

Geschichte

Der Begriff wurde im 16. Jahrhundert vom italienischen Bischof Augustinus Steuchus geprägt. In seinem Buch De perenni philosophia libri X (Lyon, 1540) bezeichnet die Philosophia perennis „diejenigen Grundwahrheiten, die bei allen Völkern zu allen Zeiten vorhanden sein und zusammen die eine Wissenschaft aus dem einen Prinzip (Gott) ausmachen sollen.“

Die heutige Bedeutung des Begriffes wurde besonders von Leibniz geprägt. Er verstand seine Beiträge zur Philosophia perennis als einen zeitgemäßen Ausdruck ewiger und universaler Geist- und Naturgesetze. Ewige Wahrheiten werden seiner Auffassung nach nicht entwickelt, sondern sind von „den Alten“ schon vollständig ausgedrückt worden. Aufgabe der Philosophia perennis in diesem Sinn sei es, die Gemeinsamkeiten der Weisen, Propheten und Mystiker zu allen Zeiten und in allen Kulturen herauszuarbeiten und zeitgemäß zu formulieren.[2] Als Vertreter der Philosophia perennis in dieser Tradition werden auch die Philosophen Baruch Spinoza und Giordano Bruno bezeichnet.

Vertreter der Neuscholastik der katholischen Kirche sahen Ende des 19. Jahrhunderts die „ewigen Grundwahrheiten“ schon in der Synthese der platonischen und aristotelischen Philosophie, der christlichen Offenbarungslehre sowie der Lehre vom Logos durch Thomas von Aquin vollständig beschrieben. Die Philosophia perennis wird hier somit als ein Lehrgebäude der scholastischenVernunftreligion“ verstanden (vgl. auch Natürliche Theologie).

Die Philosophia perennis zwischen Philosophie, Religion und Mystik

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Für viele christliche Philosophen war und ist die Philosophia perennis aber eher ein allgemeiner thematischer Rahmen.[3] Seit dem 19. Jahrhundert versuchte man des Öfteren auch in der Anthropologie und vergleichenden Religionswissenschaft Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen und Religionen zu entdecken und allgemeine Grundannahmen zu rekonstruieren. Nach Hans Meyer (1884–1966)[4] soll die Philosophia perennis durch ein organisches Wachstum in einem gesellschaftlichen und intellektuellen Diskurs entwickelt werden. Für Aldous Huxley ist die Philosophia perennis die „konvergierende religiöse Weisheit aller Kulturen“[5].

Interesse an esoterischem Wissen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trug dazu bei, dass einige populäre Autoren „Philosophia perennis“ im Sinne einer irgendwie esoterischen oder mystischen Weisheit verstanden.[6] Vertreter einer Philosophia perennis rezipieren teilweise traditionelle Lehren wie etwa die Emanationslehre. Dies findet sich etwa bei einigen rationalistischen Autoren, darunter auch Leibniz. Zahlreiche moderne philosophische Ausrichtungen und Vorannahmen, etwa in empiristischen Strömungen, scheinen solchen Theorien zu widersprechen. Auch der bloße Versuch, „ewige Wahrheiten“ über die kulturellen und zeitlichen Unterschiede der religiösen und philosophischen Traditionen hinweg zu ermitteln, wird häufig kritisch gesehen. Vertreter der Philosophia perennis halten oft dagegen, dass eine Bestreitung ewiger Wahrheiten zu einem Relativismus oder Subjektivismus führe, was keine plausible Position sein könne.

Der US-amerikanische Autor Ken Wilber hat „die sieben wichtigsten Übereinstimmungen der immerwährenden Philosophie aller Zeiten, der allermeisten Kulturen, spirituellen Lehren, Philosophen und Länder“, folgendermaßen zusammengefasst:

  1. Der spirituelle GEIST (Gott, die höchste Wirklichkeit, die absolute Seinsheit, die Quelle, das Eine, Brahman, Dharmakaya, Kether, Tao, Allah, Shiva, Jahweh, Aton, Manitu …) existiert.
  2. Er muss innen gesucht werden.
  3. Die meisten von uns erkennen diesen GEIST nicht, weil sie in einer Welt der Sünde, Trennung und Dualität leben, in einem Zustand der Gefallenheit und Isolation.
  4. Es gibt einen Ausweg aus Sünde und Illusion, einen Pfad zur Befreiung.
  5. Wenn wir diesem Pfad bis ans Ende folgen, finden wir Wiedergeburt oder Erleuchtung, eine direkte Erfahrung des inneren GEISTES, eine letzte Befreiung.
  6. Diese letzte Befreiung bedeutet das Ende von Sünde und Leiden.
  7. Sie mündet in mitfühlendes und erbarmendes Handeln für alle Lebewesen.

Der Französische Soziologe Frédéric Lenoir greift in seinem Buch Die Seele der Welt: Von der Weisheit der Religionen die Idee auf und bindet sie in eine Geschichte von 7 Weisen ein, die zum Überleben der Menschheit 7 Grundsätze einer perennialen Philosophie oder Spiritualität zusammentragen.[7]

Kritik

Die These eines Fortbestehens desselben Gehalts über Zeiten, Paradigmen, Kulturen hinweg wird heute zumeist als hermeneutisch und historisch unhaltbar angesehen. Diese Auffassung war geschichtlich allerdings wirkmächtig und ist insofern, also als historisches Konstrukt, für die meisten Historiker ein wohlumgrenzter Forschungsgegenstand. In der Sache wird zumeist problematisch gefunden, dass für einige Befürworter einer Philosophia perennis Kriterien wie Alter und Kohärenz philosophischer Gehalte das Kriterium der Wohlbegründetheit ausstechen.[8] Zudem sind auch bestimmte inhaltliche Vorgaben heute weitgehend unplausibel oder zumindest hoch kontrovers, darunter teleologische Rahmenthesen und die Strukturiertheit der Wirklichkeit an sich in einer Ordnung entsprechend der aristotelischen Metaphysik. Bereits Nicolai Hartmann hatte aus ähnlichen Gründen den Akzent nicht auf Gehalte, sondern Probleme gelegt. Die Wende von neuscholastischen Engführungen zu einer zeitgemäßen Adaption des Problembezugs bringt beispielsweise Gottlieb Söhngen (der Lehrer Joseph Ratzingers und seinerzeit maßgebliche Autorität in der katholischen philosophisch-theologischen Grundlegung) so zum Ausdruck:

„Soll die Rede von einer Philosophia perennis besagen, ein bestimmter ‚Status‘ in der Philosophiegeschichte sei zu verewigen, z. B. die aristotelische Gedankenwelt des Thomas von Aquin, so wird philosophische Arbeit zum Ausgraben an Gräberpyramiden einer Gräberstadt und zu einer Art Grabmalpflege und Ahnengedächtnis. Das Ideal einer Philosophia perennis behält aber seinen rechten Sinn als regulative Idee, nicht als konstitutives Prinzip […]. Dem, der Philosophiegeschichte problemgeschichtlich zu lesen versteht, verbirgt sich in den sich wandelnden Problemstellungen und Problemlösungen nicht ihr dauernder Gehalt; aber dies Bleibende ist ein Ewiges, das sich in einer nie abreißenden geschichtlichen Entwicklung und einer Fülle sich auseinandersetzender und sich begegnender Problem- und Denkergestalten auszeitigt“[9].

Literatur

  • Paul Häberlin: Philosophia Perennis. Eine Zusammenfassung. Berlin-Göttingen-Heidelberg 1952.
  • Jürgen Mittelstraß: Art. Philosophia Perennis, in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 3, S. 130.
  • Wilhelm Schmidt-Biggemann, Philosophia perennis. Historische Umrisse abendländischer Spiritualität in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit. Frankfurt a. M. 1998.
  • H. Schneider: Art. Philosophia Perennis, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, B. 7, S. 898ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. lateinisch: "Si veritas non est, verum est, veritatem non esse." (Bonaventura: Das Sechstagewerk = Collationes in hexaemeron: lateinisch und deutsch. Nr. 4,1, Kösel, München 1979, ISBN 978-3-534-26977-8.)
  2. G.W. v. Leibniz, Brief an Des Bosses, 24. Dez. 1707 (II, 344)
  3. Nicolai Hartmann, Der philosophische Gedanke und seine Geschichte
  4. Hans Meyer, Das Wesen der Philosophie, 1936
  5. Aldous Huxley, The perennial Philosophy, 1945, dt. Die ewige Philosophie, München: Serie Piper 1987.
  6. So etwa Ken Wilber, Das Wahre, Schöne, Gute S. 54ff.
  7. Frédéric Lenoir: Die Seele der Welt: von der Weisheit der Religionen. München: Deutscher Taschenbuch Verl. 2014, ISBN 978-3-423-26012-1
  8. So etwa Heinrich M. Schmidinger: Philosophia perennis. In: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK). 4. Auflage. Band 8, Herder, Freiburg im Breisgau, Sp. 248f.
  9. Gottlieb Söhngen, Philosophische Einübung in die Theologie, Erkennen – Wissen – Glauben, Freiburg-München: Alber 2. Aufl. 1964 (1. A. 1955), 40f. Ebenso ders., Die Einheit in der Theologie: gesammelte Abhandlungen, Aufsätze, Vorträge, München: Zink, 12. Aufl. 1952
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