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Titus Livius

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Livius ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter Livius (Begriffsklärung) aufgeführt.

Titus Livius, Beiname auch Patavinus, (geb. wohl 59 v. Chr. in Patavium, dem heutigen Padua; gest. um 17 n. Chr. ebenda) war ein römischer Geschichtsschreiber zur Zeit des Augustus. Bei Quellenangaben wird sein Geschichtswerk mit der Angabe Liv. zitiert.

Leben

Über Livius’ Leben ist wenig bekannt. Er war anders als die meisten römischen Historiker (zum Beispiel Sallust oder Tacitus) nicht selbst politisch aktiv. Geboren wurde er im Jahr 59 v. Chr. – vielleicht auch schon 64 v. Chr. – in Patavium, dem heutigen Padua, das erst 49 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhielt. Dieser Stadt blieb er bis zu seinem Tod sehr verbunden, was sich sogar auf seinen Stil und seine Aussprache ausgewirkt haben soll. Dort erhielt er vielleicht auch seine grundlegende philosophische und rhetorische Ausbildung. Mit 28 Jahren, das heißt wahrscheinlich nach dem Bürgerkrieg, begab er sich nach Rom, das er zeit seines Lebens immer wieder in längeren Aufenthalten besuchte. In der Hauptstadt des Imperiums vervollständigte er seine wissenschaftliche Ausbildung, war unter anderem Lehrer des späteren Kaisers Claudius und begann dort auch mit seiner literarischen Tätigkeit – letztere im Maecenaskreis, in dem er sich während seiner Rombesuche aufhielt. Auch Augustus, der drei Jahre vor Livius starb, unterstützte und förderte den Schriftsteller. Livius bekleidete weder militärische noch öffentliche Ämter, was ihm die Möglichkeit gab, sich ganz auf seine schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren. Er war damit der erste römische Historiker, der ohne politische Erfahrung Geschichte schrieb. Gegen Ende seines Lebens kehrte er endgültig zurück nach Padua. Wohl im Jahr 17 n. Chr. – vielleicht auch 12 n. Chr. – starb er dort.

Geschichtswerk

Livius verfasste mit seinem Werk Ab urbe condita libri CXLII (lat. „Von der Gründung der Stadt an – 142 Bücher“) eine umfassende römische Geschichte von den Anfängen mit der Gründung Roms (der Legende nach im Jahr 753 v. Chr.) bis zum Tode des Drusus im Jahre 9 v. Chr. Von den ursprünglich 142 Büchern sind heute nur die Bücher 1–10 (Zeit von 753 v. Chr. bis 293 v. Chr.) und 21–45 (218 v. Chr. bis 167 v. Chr.) erhalten. Das Übrige – mehr als drei Viertel des Werkes – ist nur durch Inhaltsangaben (periochae), Auszüge (epitomae) oder Bruchstücke bekannt. Welche gigantische Arbeit hinter dem Werk steckt und mit welcher Geschwindigkeit Livius gearbeitet haben muss, beweist eine einfache Rechnung, die einen Durchschnitt von drei bis vier Büchern im Jahr ergibt.

Die erhaltenen Teile des Werkes gliedern sich in Gruppen zu je fünf Büchern, die sich wiederum zu übergeordneten Zehner- oder Fünfzehnergruppen zusammenschließen. Die ersten 45 Bücher teilen sich wie folgt auf:

  • 01–15: Frühgeschichte bis zum Vorabend des Ersten Punischen Krieges (265 v. Chr.), davon 1–5: Von der Königszeit bis zum Ende des Galliersturms
  • 16–30: Das Zeitalter der ersten beiden Punischen Kriege (264–202 v. Chr.), davon 21–30: der Zweite Punische Krieg
  • 31–45: Das Zeitalter der Kriege im Osten (201–167 v. Chr.), dargestellt in dreimal fünf Büchern

Die verlorenen Teile waren sehr wahrscheinlich nach den Epochen dominierender Persönlichkeiten gegliedert, wobei immer fünf Bücher eine Einheit bildeten. Nicht vollständig geklärt werden kann, ob Livius sein Werk bewusst mit dem 142. Buch, das heißt mit dem Tode des Drusus, beendet hat, oder ob er es bis zum 150. Band und dem Tod des Augustus fortsetzen wollte.

Quellen

Livius musste für seine umfassende Darstellung der römischen Geschichte viele Vorlagen auswerten, war aber an ihrer kritischen Prüfung nicht besonders interessiert. Für die Ereignisse auf Sizilien und im Osten des Reiches war der griechische Historiker Polybios ein hervorragender Gewährsmann, für jene in Rom, in Italien und für die Punischen Kriege folgte er römischen Geschichtsschreibern, die sich zum Teil als unzuverlässig erwiesen. Wenn er auch oft anmerkte, wo seine Vorlagen voneinander abwichen, so darf man hieraus doch nicht schließen, er habe ein kritisches Quellenstudium betrieben (wie viele antike Historiker verstand sich Livius eher als Schriftsteller denn als Wissenschaftler). Oft begnügte er sich damit, bei verschiedenen Überlieferungen von Sachverhalten dem Leser die Entscheidung zu überlassen. Livius verwendete kaum Dokumente, sondern stützte sich vielmehr auf sekundäre Quellen. Diese nannte er nur ab und zu, besonders bei umstrittenen Tatsachen, und zwar an erster Stelle die Hauptvorlage, an zweiter den Gewährsmann der Variante.

Was die Art und Weise der Quellenbenutzung betrifft, so war sein vorrangiges Interesse nicht Wahrheit im Sinne von Historizität, obwohl er als Quellen die Annalistik (senatorische Geschichtsschreibung, nach Konsulatsjahren geordnet) hinzuzog. In erster Linie war er als Mitglied des Maecenaskreises daran interessiert, die römische Selbsterneuerungsideologie, die Augustus offiziell in seine Politik aufgenommen hatte, zu propagieren. „Zusammenfassung des ideologischen Programms Livianischer Histografie: Römische Geschichte schreiben heißt, die bona exempla aufzuzeigen, die von echten Männern gegeben wurden, auf Grund von altüberkommener Lebensführung gegeben werden konnten...“ (Nachwort Robert Fege zu "ab urbe condita", Bd. 1, Reclam-Verlag, Stuttgart 2003). Dies entspricht einem Konzept der Geschichtsschreibung, das schon Platon in seiner Politeia propagiert.

Die Forderungen des Polybios, das heißt ein kritisches Dokumentenstudium, Autopsie der Schauplätze und eigene politische Erfahrung, erfüllte Livius in den erhaltenen Teilen nicht. Wie er die Zeitgeschichte behandelte, ist nicht bekannt.

Sprache und Stil

Livius folgte im Aufbau seiner Werke dem annalistischen Schema, die Ereignisse Jahr für Jahr abzuhandeln; das resultiert aus der Abfassungszeit wie aus dem Vorbild der Quellen. Sein erkenntnisleitendes Interesse (siehe unten unter dem Punkt Historiographische Tendenz) lässt jedoch Mythisches, Sagenhaftes, Historisches und schlichte Geschichtsfälschung ohne Hinweis nebeneinander gelten. So wird der Eindruck erweckt, das Berichtete sei tatsächlich so geschehen. Aufgrund seiner Rhetorenausbildung gelingt es ihm geschickt, den Leser auch emotional zu führen. Ein wichtiges Ziel dieser schriftstellerischen Methode ist es, den Leser zu erschüttern und sein Mitgefühl zu erwecken. Weitere wichtige Ziele des Autors sind Anschaulichkeit (er hebt oft Gespräche und Einzelleistungen hervor), Klarheit und Kürze. Letztere dient, im Wechsel mit Ausführlichkeit, der Hervorhebung großer Augenblicke. Des Weiteren gilt Livius als Autor dreier Zeitstufen: Er fühlte sich verpflichtet, der seiner Ansicht nach sittenlosen Gesellschaft seiner Zeit die Werte und Tugenden der Vergangenheit zu vermitteln, damit diese alten römischen Werte in Zukunft wieder zur Geltung kämen. Die direkte Rede spielt, wie generell in der antiken Historiographie, eine große Rolle. Nach Livius ist Geschichtsschreibung eine Aufgabe für Redner. Daher betrachtete er den großen Redner Cicero auch als Vorbild. Der Stil unterliegt innerhalb des Werkes einem Wandel. Am Anfang weist der Stil von Livius starke Eigentümlichkeiten auf, im Laufe der Zeit nimmt sein Stil jedoch immer mehr einen klassischen Charakter an. Der Stil verläuft vom hellenistisch-modernen am Beginn zum klassischen am Ende. Allerdings verwendete der Schreiber auch innerhalb des Werkes verschiedene Stile. So bildete er je nach Abschnitt kurze oder lange Sätze, um entweder annalistisch oder narrativ zu schreiben.

Eine antike Kritik an Livius’ Stil überliefert Quintilian an zwei Stellen seiner Institutio oratoria: Gaius Asinius Pollio „tadelt an Livius die Patavinitas“[1] und „ist der Meinung, bei Titus Livius, einem bewundernswert sprachmächtigen Mann, finde sich eine gewisse Patavinitas“[2]. Es muss sich dabei um eine auf Patavium, Livius’ Heimatstadt, bezogene Sprachkritik gehandelt haben.[3] Es ist aber weder klar, worin diese Patavinismen bestanden, noch ob Quintilian selbst wusste, was Pollio damit meinte.

Historiographische Tendenz

Um Livius’ Werk zu beurteilen, muss man seine Rolle in der politischen Welt des frühen augusteischen Roms berücksichtigen. Ähnlich wie sein Zeitgenosse Vergil, der mit der Aeneis einen römischen Gründungsmythos erfand, war Livius bestrebt, für die römische Gegenwart einen geschichtsphilosophisch-ideologischen Gesamtrahmen zu schaffen. Für Livius lag es in der natürlichen Ordnung der Welt, dass die Römer zur Herrschaft über alle anderen Völker bestimmt sind. Alle römischen Kriege wurden von ihm als gerecht (bellum iustum) bezeichnet, selbst wenn Zweifel an dieser Einschätzung auf der Hand liegen. Moralische Tugenden, vor allem fides, sind für Livius ausschließlich den Römern vorbehalten, selbst die Griechen (von anderen Völkern ganz zu schweigen) wurden als minderwertige Menschen betrachtet. Die Hervorhebung einzelner römischer Helden wie auch das Lob der frühen Königszeit diente offenbar dazu, Augustus als Kulminationspunkt der römischen Geschichte erscheinen zu lassen.

Nachwirkung

Die literarisch aufbereitete Darstellung des Livius hat fast völlig die Werke seiner Vorgänger verdrängt, aber der große Umfang seines eigenen Werkes gefährdete auch dessen Überlieferung. Schon im 1. Jahrhundert fertigte man Auszüge und Zusammenfassungen an. In der späten römischen Kaiserzeit und der Spätantike war es ohnehin üblich, umfangreiche Werke durch stark gekürzte Zusammenfassungen (sogenannte Epitomen) zu ersetzen. Davon war auch das Geschichtswerk des Livius betroffen. Es ist daher auch anzunehmen, dass der Großteil des Werkes bereits in der Spätantike verloren gegangen war, auch wenn er immer noch gerne gelesen wurde und als Autorität anerkannt wurde. Ende des 4. Jahrhunderts gab der heidnische Senator Quintus Aurelius Symmachus eine Edition des Werkes von Livius heraus, von der die Textgeschichte ausgeht, wie an der kopierten Subskription zu sehen ist.

Im Mittelalter geriet er nicht in völlige Vergessenheit, sondern es setzte sich der Trend fort, ihn als Autorität zu preisen, aber kaum wirklich zu lesen. Sein Werk war bereits nur noch fragmentarisch erhalten. Im 12. Jahrhundert war Livius kaum noch bekannt, er wurde erst während des Humanismus wieder mehr gelesen und kommentiert.

In der Renaissance hat Livius mit seinen Schilderungen der großen Vergangenheit Roms in Europa immer wieder Bewunderer gefunden und zu verschiedenartigen künstlerischen Nachgestaltungen angeregt, weil er große Gestalten und Schicksale der römischen Geschichte menschlich nah und zugleich typisierend zeichnete. Niccolò Machiavelli verfasste auf Basis der Erzählungen des Livius in seinem Hauptwerk Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (1513–1517) die erste neuzeitliche politisch-philosophische Analyse des Staatswesens.[4]

Ab dem 19. Jahrhundert bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lektüre ausgewählter Livius-Passagen ein fester Bestandteil des Lateinunterrichts in Deutschland. Gelesen wurde er in Sekunda (10. und 11. Klasse) vor allem unter dem Aspekt der als vorbildhaft dargestellten „römischen Tugenden“.[5] In den Lehrplänen für die Mittelstufe seit den 1970er Jahren spielt Livius nur noch eine untergeordnete Rolle.[6] In den letzten Jahren erschienene Textausgaben für die Oberstufenlektüre sind nicht mehr affirmativ angelegt, sondern sollen eine ideologiekritische Betrachtungsweise unterstützen.[7]

Textausgaben und Übersetzungen

  • Römische Geschichte. Lateinisch–deutsch. Hrsg. von Hans Jürgen Hillen und Josef Feix. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1974–2000. (Sammlung Tusculum)
  • Römische Geschichte - Von der Gründung der Stadt an. Übersetzt von Otto Güthling, hrsg. von Lenelotte Möller. Marix Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-86539-194-0. (Übersetzung aller erhaltenen Bücher sowie Inhaltsangaben der nicht erhaltenen Bücher)

Literatur

Weblinks

 Commons: Titus Livius – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: Titus Livius – Quellen und Volltexte
 Wikisource: Titus Livius – Quellen und Volltexte (Latein)

Anmerkungen

  1. 1,5,56: „reprendit in Livio patavinitatem“
  2. 1,8,3: „in Tito Livio, mirae facundiae viro, putat Pollio Asinius inesse quandam patavinitatem.“
  3. Kurt Latte: Livy’s Patavinitas. In: Classical Philology. Bd. 35, 1940, Nr. 1, S. 56–60.
  4. Christoph Wurm: Die Römer nicht bewundern, sondern nachahmen - Machiavelli als Leser des Titus Livius. In: Forum Classicum 4/2011, S. 278–284 (online; PDF).
  5. Stefan Kipf, Altsprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Buchner, Bamberg 2006, S. 148–169.
  6. Kipf, Altsprachlicher Unterricht, S. 372–373.
  7. Kipf, Altsprachlicher Unterricht, S. 438–439.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Titus Livius aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.