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Josephspfennig

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Das Gedankenexperiment vom Josephspfennig geht zurück auf den britischen Moralphilosophen, Geistlichen und Ökonom Richard Price und illustriert in der Zinsrechnung das im englischen Sprachraum als miracle of compound interest bekannte Wachstum eines über einen langen Zeitraum angelegten Vermögens durch Zinseszinsen.

Ursprung

Richard Price berechnete in seiner Schrift An Appeal to the Public on the Subject of National Debt im Jahr 1772 die schwer vorstellbaren Beträge, welche durch die Annahme von über lange Zeit gleichbleibendem schrittweise exponentiellen Wachstum aufgrund von Zinseszinseffekten rechnerisch erhalten werden, anhand eines zu Christi Geburt angelegten Pennys:

“Money bearing compound interest increases at first slowly. But, the rate of increase being continually accelerated, it becomes in some time so rapid, as to mock all the powers of the imagination. – One penny, put out at our Saviour’s birth to 5 per cent, compound interest, would, before this time, have increased to a greater sum, than would be contained in a hundred and fifty millions of earths, all solid gold. But if put out to simple interest, it would, in the same time, have amounted to no more than seven shillings and four pence half-penny.”

„Geld, das Zinseszinsen trägt, wächst anfangs langsam; da aber die Rate des Wachstums sich fortwährend beschleunigt, wird sie nach einiger Zeit so rasch, daß sie jeder Einbildung spottet. Ein Penny, ausgeliehen bei der Geburt unsers Erlösers auf Zinseszinsen zu 5 %, würde schon jetzt zu einer größeren Summe herangewachsen sein, als enthalten wäre in 150 Millionen Erden, alle von gediegenem Gold. Aber ausgelegt auf einfache Zinsen, würde er in derselben Zeit nur angewachsen sein auf 7 sh. 4 ½ d. [7 Shilling, 4 ½ Pence].[1]

Richard Price[2]

Im Anschluss schlug Price vor, die Regierung solle diesen Effekt nutzen, um ihre Finanzen zu verbessern.

Die von Price angewandte Zinsrechnung selbst war bereits den Babyloniern bekannt,[3] ein mathematisch verwandtes Beispiel zur Illustration der Auswirkungen exponentiellen Wachstums ist die Weizenkornlegende Sissa ibn Dahirs.

Beispielhafte Berechnung

Eine beispielhafte Rechnung für das Jahr 2000 zeigt die Größenordnung des exponentiellen Wachstums, wie Price sie beschrieben hat. Für die Berechnung geht man von folgenden Annahmen aus:

  • Josef von Nazaret legt den Betrag von 1 Euro-Cent am 25. Dezember im Jahre 0 an.
  • Das Geld wird für genau 2000 Jahre angelegt.
  • Die Geldanlage und die Zinsgewinne bleiben bis zum Ende des Zeitraums auf einem Sparkonto und werden mit 5 % verzinst.
  • Eine Feinunze Gold wiegt 31,1034768 g, die Erdmasse beträgt ungefähr 5,9722 · 1024 kg, die der Sonne ungefähr 1,9884 · 1030 kg.
  • Es wird der Goldpreis vom 25. Dezember 2000 den Berechnungen zugrunde gelegt (Schlusskurs): 295,63 € für die Feinunze Gold.[4]

Die Berechnung erfolgt mit der allgemeinen Formel für Zinseszins.

Ausgeschrieben sind das ungefähr 23.911.022.046.135.520.000.000.000.000.000.000.000.000 €.

Bei genanntem Goldkurs kostet 1 kg Gold ca. 9.504,73 €. Somit hätte das angesparte Kapital einen Gegenwert von ungefähr 2,52 · 1036 kg Gold, was 1,26 Millionen Sonnen aus purem Gold entspricht bzw. ungefähr 421,25 Milliarden Erden aus Gold. Die Werte beinhalten Ungenauigkeiten durch Rundungsfehler.

Eine Verzinsung ohne Zinseszins bei gleichem Zinssatz erbringt lediglich ein Endkapital von 1,01 €, also einen Zinsgewinn von 1 €.

Josephspfennig in der Literatur

In populären deutschsprachigen Veröffentlichungen wird das Rechenbeispiel oft als Josephspfennig oder Jesuspfennig bezeichnet, ausgehend von der Vorstellung, Josef habe zur Geburt Jesu einen Pfennig angelegt.

Als Beispiel zur Zinseszinsrechnung hat dieses Gedankenexperiment in die Lehrbuchliteratur Eingang gefunden, so zum Beispiel im Handbuch der Mathematik von 1879, herausgegeben von Oskar Schlömilch,[5] und in dem 2003 erschienenen Lehrbuch Analysis für Fachoberschulen von Karl-Heinz Pfeffer.[6]

Im Theaterstück Die Partisanen Gottes. Brakteatenspiel[7] greift Heinrich Malzkorn Ende der 1950er Jahre die Rechnung als Negativbeispiel auf. Am Vorabend der Französischen Revolution diskutieren die Figuren einige vorausdenkende spätantike und insbesondere hochgotische Geldsysteme, nämlich die im Zusatz zum Titel genannten Brakteaten. Die entscheidende Rede führt ein gegenüber der Amtskirche dissidenter Priester mit Blick auf die durch den Jesuspfennig finanziell und hier auch moralisch ausgelöste Schuld.

Im Roman Eine Billion Dollar von Andreas Eschbach erbt der Protagonist, ein junger Amerikaner italienischer Abstammung, 1995 ein Vermögen, das einer seiner Vorfahren 500 Jahre zuvor angelegt hatte. Mit der Verwaltung war eine Anwaltsfamilie betraut, die das Vermögen über Generationen betreut hat.

Kritik

Price berücksichtigte in seinen Überlegungen keine das Wachstum beschränkenden Randbedingungen, was ihm posthum diesen Spott (bzgl. seines Beispiels) im dritten Band des Kapitals einhandelte:

„Er macht den naiven Witz: ‚Man muß Geld borgen zu einfachen Zinsen, um es auf Zinzeszinsen zu vermehren.‘ […] Darnach wäre Pumpen überhaupt das sicherste Mittel der Bereicherung auch für Private. Aber wenn ich z. B. 100 Pfd.St. zu 5% jährlichem Zins aufnehme, habe ich Ende des Jahrs 5 Pfd.St. zu zahlen, und gesetzt, dieser Vorschuß daure 100 Millionen Jahre, so habe ich in der Zwischenzeit in jedem Jahr immer nur 100 Pfd.St. auszuleihen und ebenso in jedem Jahre 5 Pfd.St. zu zahlen. Ich komme durch diesen Prozeß nie dazu, 105 Pfd.St. auszuleihen, dadurch, daß ich 100 Pfd.St. aufnehme. Und wovon soll ich die 5% zahlen? Durch neue Anleihen, oder wenn ich der Staat bin, durch Steuern.“

Sonstiges

Bezugnehmend auf Prices Entdeckung des Zinseszinseffektes veranschaulicht Michael Hudson in seinem Artikel The mathematical economics of compound interest: A 4,000-year overview anhand eines historischen Beispiels den Unterschied zwischen errechnetem und tatsächlichem Vermögenswachstums durch Zinseszins.[3] Auf dieses Beispiel wird auch in der Encyclopædia Britannica von 1911 unter dem Stichwort Accumulation (Anhäufung) Bezug genommen:

“… the eccentric will of Peter Thellusson (1737–1797), an English merchant, who directed the income of his property, consisting of real estate of the annual value of about £5000 and personal estate amounting to over £600,000, to be accumulated during the lives of his children, grandchildren and great-grandchildren, living at the time of his death, and the survivor of them. The property so accumulated, which, it is estimated, would have amounted to over £. 14,000,000, was to be divided among such descendants as might be alive on the death of the survivor of those lives during which the accumulation was to continue. The bequest was held valid (Thellusson v. Woodford, 1798, 4 Vesey, 237). In 1856 there was a protracted lawsuit as to who were the actual heirs. It was decided by the House of Lords (June 9, 1859) in favour of Lord Rendlesham and Charles Sabine Augustus Thellusson. Owing, however, to the heavy expenses, the amount inherited was not much larger than that originally bequeathed.”

„… das exzentrische Testament von Peter Thellusson (1737–1797), einem englischen Kaufmann, der die Einkünfte seines Eigentums, bestehend aus Immobilien mit einem jährlichen Nutzen von 5000 £ und einem Privatvermögen von über 600.000 £, während der Lebzeiten seiner Kinder, Enkel und Urenkel, die zu dem Zeitpunkt seines Todes lebten und deren Hinterbliebener, anhäufen ließ. Das auf diese Weise angehäufte Eigentum, welches geschätzt über 14.000.000 £ betragen hätte, sollte dann zwischen denjenigen Nachkommen aufgeteilt werden, die noch am Leben sind zum Todeszeitpunkt des letzten der Hinterbliebenen, während deren Leben die Anhäufung stattfand. Das Vermächtnis wurde als gültig erachtet (Thellusson gegen Woodford, 1798, 4 Vesey, 237). 1856 wurde ein langwieriger Prozess zur Feststellung der tatsächlichen Erben geführt. Das House of Lords entschied (am 9. Juni 1859) zu Gunsten von Lord Rendlesham und Charles Sabine Augustus Thellusson. Den erheblichen Aufwendungen geschuldet war die Höhe des Erbes jedoch nicht viel größer als das ursprünglich hinterlassene Erbe.“

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Karl Marx – Friedrich Engels – Werke. Band 25: Das Kapital. Bd. III, Fünfter Abschnitt. Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983, S. 408 (mlwerke.de).
  2. Richard Price: An appeal to the public, on the subject of the national debt. (1772). The McMaster Collection. Paper 70. S. 19 (hdl.handle.net PDF; 5,79 MB).
  3. 3,0 3,1 3,2 Michael Hudson: The mathematical economics of compound interest: a 4,000-year overview. In: Journal of Economic Studies. Band 27, Nr. 4/5, 2000, doi:10.1108/01443580010341853, S. 344–363 (Part I, Part II).
  4. Goldpreis in EUR je Feinunze – Historische Kurse
  5. Oskar Xaver Schlömilch (Hrsg.): Handbuch der Mathematik. E. Trewendt, 1879, S. 183.
  6. Karl-Heinz Pfeffer: Analysis für Fachoberschulen. Ein Lehr- und Arbeitsbuch zur modernen Mathematik. 6. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2003, S. 167, Aufgabe 3.82.
  7. Malzkorn, Heinrich: Die Partisanen Gottes. Brakteatenspiel. Drama in 3 Akten um den Jäger von Kurpfalz.. Brüggen, S. 83 (ca. 1958).
  8. Karl Marx: Das Kapital. Band III, Kapitel 24 (mlwerke.de).
  9. Chisholm, Hugh, ed. (1911). "Accumulation". Encyclopædia Britannica (11. Ausgabe). Cambridge University Press. Seiten 125–126.
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