Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Gerichtsvollzieher (Deutschland)

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Gerichtsvollzieher (kurz: GV) ist Beamter der Justiz mit der Aufgabe, Urteile und andere Vollstreckungstitel zwangsweise zu vollstrecken sowie (auch außerhalb eines konkreten Gerichtsverfahrens) Schriftstücke zuzustellen. Er untersteht in seiner Funktion als Landesbeamter dienstrechtlich seinen jeweiligen Dienstvorgesetzten nach dem Beamtenrecht und als selbstständig entscheidendes Vollstreckungsorgan formellrechtlich dem Vollstreckungsgericht im Wege eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs.[1]

Das schweizerische Pendant ist das Betreibungsamt.

Aufgaben

Primäre Aufgabe des Gerichtsvollziehers ist die Beitreibung titulierter Geldforderungen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die in § 753 ZPO in Verbindung mit § 802 a ZPO benannt sind.

Zunächst wird der GV auf eine gütliche Einigung gem. § 802 b ZPO hinwirken (Zahlungsaufschub mit Einverständnis des Gläubigers oder Ratenzahlung, vgl. § 802b ZPO). Der Gerichtsvollzieher kann auch bewegliches Vermögen ‒ z. B. Bargeld, Kraftfahrzeuge, Schmuck ‒ pfänden (Sachpfändung). Allerdings hat er sich an die allgemeinen Pfändungsregelungen, insbesondere an das sog. Kahlpfändungsverbot (§§ 811 ff. ZPO) zu halten.

Nach § 802 a ZPO in Verbindung mit § 807 ZPO kann der GV nach einer erfolglosen – in der Amtssprache „fruchtlosen“ – Pfändung oder bei Vorliegen der anderen Voraussetzung nach § 807 ZPO dem Schuldner auf Antrag des Gläubigers die Vermögensauskunft (früher Offenbarungseid oder eidesstattliche Versicherung) abnehmen. Ein Antrag ist aufgrund des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung seit dem 1. Januar 2013 jedoch nicht mehr zwingend erforderlich. Vielmehr kann der GV nach § 802 a ZPO in Verbindung mit § 802 c ZPO auch von sich aus eine Vermögensauskunft des Schuldners einholen.

Bei der Vermögensauskunft muss über das Vermögen des Schuldners ein Verzeichnis erstellt werden. Zum Vermögen gehören alle körperlichen Gegenstände im Eigentum des Schuldners sowie Forderungen (§ 802c Abs. 2 ZPO). Der Schuldner hat sodann die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern. Mit der Abgabe der Erklärung des Schuldners wird dieser für zwei Jahre in das Schuldnerverzeichnis des jeweiligen Zentralen Vollstreckungsgerichts (ZenVG) eingetragen (§ 802k ZPO).

Zu den weiteren Aufgaben des Gerichtsvollzieher gehören unter anderem die Zwangsräumung von Wohnungen und Grundstücken, die Austauschpfändung, das Durchführen einer Kindeswegnahme, die Vollstreckung sonstiger Herausgaben und die förmliche Zustellung nicht notwendigerweise amtlicher Schriftstücke, die eine im Gesetz als Willenserklärung beschriebene Darstellung zum Ausdruck bringen.

Gepfändete Gegenstände kennzeichnet der Gerichtsvollzieher mit einem aufgeklebten Pfandsiegel, früher „Kuckuck“ genannt. Damit war der im früheren preußischen Staatssiegel aufgedruckte Adler gemeint. Heute sind auf einem Pfandsiegel nur noch die Bezeichnung „Pfandsiegel“ und der Name des Amtsgerichts angegeben, dem der Gerichtsvollzieher angehört. Das unberechtigte Entfernen eines derartigen Siegels ist gemäß § 136 Abs. 2 StGB als Siegelbruch strafbar.

Anstellung, Zuständigkeit

Der Gerichtsvollzieher gehört zu den Organen der Rechtspflege und ist in einem ihm zugewiesenen Amtsbezirk tätig. Bei den Amtsgerichten bestehen sogenannte Gerichtsvollzieher-Verteilerstellen, die Vollstreckungsaufträge der Gläubiger an die Gerichtsvollzieher im jeweiligen Amtsgerichtsbezirk sammeln und diese dann dem jeweils zuständigen Gerichtsvollzieher zuweisen. Davon unabhängig kann der Gläubiger aber auch direkt Kontakt mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher aufnehmen. In Deutschland sind „Gerichtsvollzieher“ und „Obergerichtsvollzieher“ Amtsbezeichnungen von Beamten im mittleren Justizdienst (Besoldungsgruppe A8 und A9). Vor der Ernennung ist eine gesonderte Anstellungsprüfung abzulegen. Zusätzlich steht ihm ein Teil der eingenommenen Gebühren sowohl als Vergütung als auch als Entschädigung für die Unterhaltung eines Geschäftszimmers und die Bezahlung eigener Angestellter zu.

Überlegungen zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherwesens

In der jüngeren Vergangenheit gab es Versuche, das Gerichtsvollzieherwesen in Gänze neuzuordnen. Von 2008 bis 2012 war insoweit eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Justizminister von Bund und Ländern tätig.

Gerichtsvollzieher sollten demnach künftig nicht mehr als Beamte, sondern als staatlich Beliehene tätig sein. Auch bei den beliehenen Gerichtsvollziehern würde die Staatshaftung gegebenenfalls eintreten. Die Gerichtsvollzieher hätten dann keine Beamtenbesoldung und keine sonstige beamtenrechtliche Versorgung durch den Staat mehr erhalten. Für ihre Amtstätigkeit sollten sie stattdessen Gebühren nach einer staatlich festgesetzten Gebührenordnung erheben und das wirtschaftliche Risiko ihrer Amtsführung selbst tragen. Dies entspräche der Stellung, die der Notar schon heute in der Rechtspflege einnimmt. Die Amtsbefugnisse und das Berufsrecht des beliehenen Gerichtsvollziehers sollten in Anlehnung an das Recht der Notare ausgestaltet werden, das bisherige Ausbildungswesen umgestaltet und das Gebührenrecht angepasst werden.[2]

Ein Gesetzesentwurf, der entsprechende Änderungen umsetzen sollte, wurde 2007[3] und - während der Tätigkeit der Arbeitsgruppe - 2010[4] in den Bundestag eingebracht, aber beide Male nicht beschlossen. Die Bundesregierung kritisierte[5] insbesondere, dass die Gebühren der Vollstreckung durchschnittlich auf mehr als das Dreifache angehoben werden sollten.[6] Diese Verteuerung sei nicht hinnehmbar. Sie treffe mit den Schuldnern meist diejenigen, die eh schon wirtschaftlich am Schwächsten seien. Im Fall der Erfolglosigkeit der Vollstreckung hätten die Gläubiger die höheren Gebühren zu tragen, was geeignet sei dazu zu führen, dass sie kleinere Summen bevorzugt nicht mehr beitreiben lassen würden. Dies wiederum sei geeignet, die Zahlungsmoral zu verschlechtern, was letztlich Kleinunternehmen, Mittelständlern und Arbeitnehmern schade.[7] Außerdem müssten Vollstreckungsmaßnahmen, die auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs beinhalten können, weiterhin ausschließlich staatlichen Organen vorbehalten bleiben.[6] Der Gesetzesentwurf von 2010 berücksichtige außerdem nicht die in der Zwischenzeit erfolgten Gesetzesänderungen und sei daher 2010 bereits veraltet gewesen.[8]

Befugnisse

Rechtsgrundlage der Tätigkeit als Gerichtsvollzieher sind vor allem § 154 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Zivilprozessordnung (ZPO), z. B. § 753 ZPO sowie die Gerichtsvollzieher-Ordnung (GVO) des jeweiligen Bundeslandes und die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA). Die Kosten für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmen sich im Regelfall nach dem Gerichtsvollzieher-Kostengesetz (GvKostG) (§ 1 Absatz 1 GvKostG; beachte aber Absatz 2 GvKostG).

Zur Durchsetzung seiner Befugnisse kann er unmittelbaren Zwang bis hin zur Zwangsräumung und Verhaftung gegen die Schuldner einsetzen; dabei kann er sich auch der Amtshilfe der Polizei bedienen.

Rechtsverhältnis zum Vollstreckungsgläubiger

Der Gerichtsvollzieher wird vom Vollstreckungsgläubiger entweder direkt oder durch Vermittlung der beim Amtsgericht bestehenden sog. Gerichtsvollzieherverteilungsstelle „beauftragt“ (§ 753, § 766 Abs. 2 ZPO); es besteht allerdings kein zivilrechtliches Auftragsverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger.

Der Gerichtsvollzieher handelt nicht als Vertreter des Vollstreckungsgläubigers und auch nicht als dessen Erfüllungsgehilfe, sondern hoheitlich als Amtswalter. Er ist selbständiges Organ der Rechtspflege.

Literatur

  • Urte Nesemann: Gerichtsvollzieher in Vergangenheit und Zukunft. In: Zeitschrift für Zivilprozess (ZZP), 119. Bd., 2006, S. 87–108.
  • Hartmut Glenk: Organe der Zwangsvollstreckung und Die Durchführung der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher. In: ZVR – Zwangsvollstreckungsrecht. 4. Auflage. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-423-05587-1.
  • Hartmut Glenk: Strafrechtliche Aspekte der eidesstattlichen Versicherung im Verfahren zur Vermögensauskunft nach ZPO und AO. In: StraFo – Strafverteidiger Forum, Nr. 10/2013, S. 413 ff. (mit ausführlichen Hinweisen auf Amtspflichten des Gerichtsvollziehers).
  • Hartmut Glenk: Unverzichtbares Allerlei – Amt und Haftung des Gerichtsvollziehers. In: NJW – Neue Juristische Wochenschrift, Nr. 32/2014, S. 2315–2318.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Berufsbeschreibung (abgerufen am 15. August 2011)
  2. Justiz-Zentrum Hannover: Justizministerium Niedersachsen: Neuorganisation des Gerichtsvollzieherwesens / Privatisierung (Memento vom 17. Februar 2013 im Webarchiv archive.is)
  3. Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestages: Informationen zum Gesetz zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens (16. Wahlperiode), abgerufen 13. Februar 2015
  4. Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestages: Informationen zum Gesetz zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens (17. Wahlperiode), abgerufen 13. Februar 2015
  5. Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestages: Informationen zum Gesetz zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens (16. Wahlperiode); Stellungnahme der Bundesregierung, abgerufen 13. Februar 2015
  6. 6,0 6,1 BT-Drs. 16/5727, S. 110
  7. Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestages: Informationen zum Gesetz zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens (17. Wahlperiode); Stellungnahme der Bundesregierung, abgerufen 13. Februar 2015
  8. BT-Drs. 17/1225, S. 109
link=http://de.wikipedia.org/Wikipedia:Hinweis Rechtsthemen Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gerichtsvollzieher (Deutschland) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.