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Fritz Kahl (Arzt)

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Fritz Kahl (geb. 7. Dezember 1895 in Sterbfritz, Landkreis Schlüchtern; gest. 1974 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Arzt aus Frankfurt am Main. Mit seiner Frau Margarete Kahl (1896–1958) rettete er Juden vor der Deportation in die Vernichtungslager und half vielen Verfolgten in der NS-Zeit. Das Ehepaar Fritz und Margarete Kahl wurde im Jahre 2006 von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

Werdegang

Fritz Kahl wurde als Sohn des evangelischen Pfarrers und späteren Kirchenrats Heinrich Kahl (1863–1937) und seiner Frau Elsa geboren. Die Familie zog nach Frankfurt am Main, als der Vater Gemeindepfarrer an der Markuskirche unweit der Universität wurde. Fritz Kahl wuchs in einem Elternhaus auf, das von einem liberalen Geist geprägt war. Sein Vater war zugleich Vorsitzender des Trägervereins eines dortigen Krankenhauses, aus welchem sich in den 1920er Jahren in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Otto Loewe das Markus-Krankenhaus entwickelte. Aufgrund der Nähe zur Universität lebten zeitweilig im Pfarrhaus viele - auch jüdische - Studenten.

Fritz Kahl meldete sich nach dem Abitur 1914 am Frankfurter Lessing-Gymnasium als Kriegsfreiwilliger und war zuletzt Leutnant der Reserve und Kompanieführer. Anschließend studierte er Medizin in Frankfurt am Main und Marburg. Dort wandte er sich, empört über den von ihm als ungerecht empfundenen Versailler Vertrag rechten Studentenkreisen zu. 1923 trat er dem Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten bei. Nach seiner Zeit als Assistenzarzt am Hospital zum Heiligen Geist und Promotion heiratete er 1926 die um ein Jahr jüngere Margarete Zimmermann und liess sich als praktischer Arzt in der Ginnheimer Straße 7, ab 1938 im Haus Blanchardstraße 22 in Frankfurt-Bockenheim nieder.

Der Vater von Margarete Kahl (geb. Zimmermann) war ein früh verstorbener Amtsrichter aus Schlüchtern, und auch ihr Stiefvater übte diesen Beruf aus. Margarete Kahl studierte in den zwanziger Jahren Medizin in Heidelberg. Ihre Studienfreundin war Elsa Liefmann, die Ehefrau von Adolf Freudenberg, der seit Ende der dreißiger Jahre für das Flüchtlingshilfswerk des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf arbeitete und die Judenrettungen von dort aus koordinierte. [1]


Wirken

Das Ehepaar Kahl lehnte sehr früh den Nationalsozialismus ab. 1933/1934 flog Kahl nach Berlin und setzte sich für einen jüdischen Kollegen ein, dessen Praxis geschlossen werden sollte. Am 9. November 1938 rettete er den Fabrikanten Albert Leon, indem er ihn an der Gestapo vorbei in ein jüdisches Krankenhaus brachte. Trotz Verbots behandelte er auch in den 1940er Jahren jüdische Patienten.

Margarete Kahl versorgte Verfolgte in ihrer Umgebung mit Lebensmitteln. 1942 kam der aus dem KZ Majdanek geflohene Jude Robert Eisenstädt zu ihnen ins Haus. Das Ehepaar Kahl organisierte zusammen mit dem Pfarrverweser der Dreifaltigkeitsgemeinde, Heinz Welke, eine Flucht in die Schweiz. Nach langer Vorbereitungszeit floh Eisenstädt mit seiner Verlobten Eva Müller Ende Februar 1943 dorthin und informierte über die Judenvernichtung. Kurze Zeit darauf kam eine weitere Jüdin, Tuschi Müller, zu den Kahls ins Haus. Margarete Kahl bereitete sie im Luftschutzkeller ihres Hauses auf eine Flucht in Richtung Österreich/Ungarn vor. Sie überlebte in Wien.

Auch in Frankfurt am Main lebende jüdische Partner aus einer sogenannten Mischehe wurden gegen Kriegsende verfolgt und erhielten Hilfe. Das „Bockenheimer Netzwerk“, eine Gruppe von Helfern um das Ehepaar Kahl und Pfarrer Welke, warnte vor „Aktionen“ der Gestapo, besorgte Lebensmittel und schützte auf vielfältige Weise die Verfolgten.

Das Ehepaar Fritz und Margarete Kahl wurde im Jahre 2006 von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Im Jahre 2008 wurde im Frankfurter Stadtteil Bockenheim zu Ehren des Ehepaars die „Margarete-und-Fritz-Kahl-Anlage“ eingeweiht.

Margarete und Fritz Kahl hatten vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter. Ihr Sohn, der Berliner Internist Eugen Kahl (* 1927) berichtet bei Veranstaltungen als Zeitzeuge. [2]

Literatur

  • Petra Bonavita: Mit falschem Pass und Zyankali: Retter und Gerettete aus Frankfurt am Main in der NS-Zeit, Schmetterling Verlag, Stuttgart, 2009 ISBN 978-3-89657-135-9
  • Petra Bonavita: Mit falschem Pass und Zyankali. In: Arno Lustiger: Rettungswiderstand - über die Judenretter in Europa während der NS-Zeit, Wallstein, Göttingen, 2011 ISBN 978-3-83530990-6
  • Was ihr getan habt … Zivilcourage und Widerstand, Katalog zur Ausstellung zum hundertsten Geburtstag von Heinz Welke 2011 in Frankfurt am Main, Paul Gerhardt Gemeinde, Frankfurt am Main, 2011
  • Monica Kingreen: Verfolgung und Rettung in Frankfurt am Main und in der Rhein-Main-Region. In: Beate Kosmala/Claudia Schoppmann: Überleben im Untergrund, Berlin 2002, S. 181 f.
  • Claudia Michels: Zwei „unbesungene Helden“ aus Bockenheim. In: Frankfurter Rundschau vom 8. November 2006
  • Siegfried Sunnus: Gerechte unter den Völkern. In: Deutsches Pfarrerblatt, Heft 9/2006
  • Siegmund Drexler, Siegmund Kalinski, Hans Mausbach: Ärztliches Schicksal unter der Verfolgung, 1933–1945 in Frankfurt am Main und Offenbach: eine Denkschrift, Landesärztekammer Hessen (Hrsg.), Verlag für Akademische Schriften, 1990 ISBN 978-3-88864025-4, S. 39

Weblinks

Einzelnachweise

<references >

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Fritz Kahl (Arzt) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.
  1. Beate Kosmala: Robert Eisenstädts Flucht aus dem KZ Majdanek. In: Wolfgang Benz: Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer, Beck, München, 2003 ISBN 978-3-40651029-8, S. 288 ff. (in Google Books einsehbar)
  2. Museum Blindenwekstatt