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Freetekno

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Teknival 2004 in Ontario, Kanada

Freetekno (auch FreeTek oder Tek) ist eine Subkultur der Techno-Bewegung, die seit Beginn der 1990er Jahre besteht und eine Gegenvariante der kommerziellen Rave- und Techno-Bewegung darstellt.

Die Szene definiert sich durch ihre „Teknivals“ genannten Veranstaltungen, die überwiegend anonym geplant und unangemeldet veranstaltet werden. Die Veranstaltungsorte werden nur sehr kurzfristig über Webseiten oder Infolines bekannt gegeben. Freetekno steht sowohl in der Tradition der „Free Festivals“ der Hippiebewegung als auch in naher Verwandtschaft zur Autonomen Szene, aus deren beider Reihen die Initiatoren oftmals stammen.

Entstehung

Die Freetekno-Bewegung geht im weitesten Sinn auf die unangemeldeten Hippie-Festivals der 1970er und 1980er Jahre zurück, unter anderem auf das letztmals 1984 abgehaltene Stonehenge Free Festival, und die dazu anreisenden New Age Travellers, die oft in Konvois weite Distanzen zurücklegten, um die meist mehrtägigen, oft sogar mehrwöchigen Veranstaltungen zu besuchen. In den späten 1980er Jahren traten die Raves in die Tradition solcher Free Festivals. Ein solcher großer Rave war das mehrtägige Treffen in Castlemorton (England) im Mai 1992, das von 20.000 Menschen besucht und dann von der Polizei aufgelöst wurde, wobei 13 Aktivisten des Soundsystems Spiral Tribe verhaftet wurden. In der Folgezeit gab es in England politische Bestrebungen gegen die New Age Travellers, die Aktivisten von Spiral Tribe hatten sich in einem mehrmonatigen Prozess zu verteidigen und wurden dadurch weithin bekannt. Spiral Tribe waren seit ihrem Entstehen in der Londoner Hausbesetzerszene um 1990 stilprägend in der Verwendung von schwarz-weißen Mustern zur Untermalung ihrer Musik, mit denen sie ein optisches Gegenmodell gegen die bisherige bunte Rave-Kultur schufen. In Folge der restriktiven Politik gegen Techno-Veranstaltungen in England verließen die Aktivisten von Spiral Tribe die Insel und kamen nach Kontinentaleuropa, wo sie musikalisch vom vor allem in Deutschland und Holland damals weit verbreiteten Hardcore Techno beeinflusst wurden. Sie verfügten über LKWs, mobile Studios und PA-Systeme und waren anfangs in Deutschland, Frankreich, Österreich und Tschechien, Mitte der 1990er Jahre schließlich in ganz Europa aktiv, um unangemeldete Techno-Festivals mit der für sie typischen Ikonografie zu veranstalten. Auf Spiral Tribe geht außerdem der Begriff Teknival für Veranstaltungen dieser Art zurück. Die Kerngruppe von Spiral Tribe zerbrach bereits 1996, hat aber zahlreiche Epigonen hervorgebracht, die Art und Stil der Veranstaltungen weltweit übernahmen.[1][2]

Verbreitung

Teknival in Wales 2005

Die Freetekno-Bewegung ist überwiegend in Europa, speziell in Süd- und Osteuropa sowie in Nordamerika anzutreffen. Die meisten der in Anlehnung an Musikfestivals „Teknival“ genannten, meist mehrtägigen Tekno-Partys werden regional von Soundsystemen und DJs mit eigener Ausrüstung organisiert. Vor allem in den Sommermonaten finden im Freien auch besonders große Teknivals mit internationalen Soundsystemen und Tausenden von Besuchern statt, die bis zu einer Woche oder länger dauern.

Das wohl bekannteste Teknival trug den Namen CzechTek. Die nicht immer angemeldete Veranstaltung wurde seit 1994 jährlich in Tschechien, zuletzt 2006 am Truppenübungsplatz Hradiště, veranstaltet, bis sich die Veranstalter dazu entschieden keine weiteren Teknivals unter diesem Namen zu veranstalten. Als größte Besucherzahl wurden seitdem 30.000 Besucher (offiziell) bzw. 50.000 Besucher (inoffiziell) genannt. Wesentlich kleiner sind die entsprechenden regelmäßigen, meist unangemeldeten Zusammenkünfte in Deutschland, z. B. das SouthTek oder das EastTek, die aber beide auch schon Tausende von Besuchern angezogen haben. In Frankreich zog ein schlicht „Teknival“ betiteltes jährliches Freetekno-Festival mehrfach 10.000 Besucher an. Auch in Italien, etwas stärker im Norden und im Raum Rom, finden regelmäßig größere, mehrtägige Teknivals statt.

In der Schweiz und in Deutschland ist die musikalisch verwandte, aber in Ausdrucksart und Ethik sehr differenzierte Goa-Szene ähnlich organisiert. Während in Österreich Goa weniger stark vertreten ist, verhält es sich in der Schweiz genau umgekehrt. Dort ist die Goa-Szene dominierend und Freetekno praktisch gar nicht vertreten.

Musikstile

CzechTek 2006, Tschechien

Bei Teknivals agieren nicht nur DJs, sondern treten auch Live Acts auf. Die gespielten Musikrichtungen weisen als gemeinsames Merkmal relativ hohe Geschwindigkeiten (im Verhältnis zu in kommerziellen Clubs gespielten Techno-Stilen) auf und bewegen sich in den meisten Fällen zwischen 160 und 190 bpm. Üblicherweise gespielte Musikgenres sind Hardtek, Tribal, Frenchcore, HappyTek, Acid Techno, Gabber und Breakcore sowie ähnliche, verwandte Stilrichtungen wie Drum and Bass, Jungle oder auch Goa.

Visualisierung

Kennzeichnend für die Freetekno-Bewegung sind, abgesehen von der Musik, die in schwarz-weiß und psychedelischen Formen wie Spiralen gehaltenen Grafiken, die sowohl auf Kleidungsstücken, Aufnähern, Buttons, Platten, Planen und Transparenten als auch auf Flyern zu finden sind.

Teknopartys selbst sind im Rahmen der oftmals begrenzten Möglichkeiten auf improvisierten Bühnen oder in Zelten usw. häufig mit Tarnnetzen und Transparenten ausgestaltet, beliebte Lichteffekte sind Stroboskope und Laser. Auf manchen Teknivals gehören außerdem Feuershows zum Programm.

Ethik

Soundsystem eines Freetekno-Tribe

Das Motto Free Tekno for Free People hat eine finanzielle wie auch politische Bedeutung. Eintrittsgeld wird häufig nicht verlangt, sondern eine freiwillige Spende erbeten, mit der meist kein Gewinn erzielt, sondern nur die entstandenen Aufwände wie Transport und je nach Legalität der Veranstaltung auch Betriebskosten (z. B. Strom, Sanitäranlagen) und Miete abgegolten werden sollen. DJs, Live-Acts werden häufig durch Tarnnetze oder durch Boxen gänzlich vom Publikum abgeschirmt, es soll nur um Musik gehen. Weit verbreitet ist die D.I.Y.-(Do it yourself)-Kultur. Musik wird bevorzugt auf Vinyl veröffentlicht. Viele Besucher der oft mehrtägigen Teknivals versetzen sich mit Hilfe der gespielten, schnellen Musik und rauscherzeugenden Mitteln in einen hypnotischen tranceähnlichen Zustand.

Ein bestimmtes, im Zusammenhang mit der Freetekno-Bewegung häufig anzutreffendes Techno-Genre nennt sich in Anlehnung an ethnisch-religiöse Stammesrituale „Tribe“ oder „Tribal“. Die von Ort zu Ort wandernden Soundsystems werden auch als moderne Nomaden betrachtet, die als Traveller mit ihren Wohnwagen und umgebauten LKWs wochen- oder monatelang von einem Teknival zum nächsten fahren. Veranstaltungsorte sind oft ausgefallene Plätze wie ehemalige Militäranlagen, Burgen und Schlösser, Industrieruinen, entlegene Strände und Ähnliches, wo mit den Besuchern ausgelassen gefeiert werden kann. Die aus DJs, Produzenten und Helfern bestehenden Soundsysteme verfügen zumeist über ein großes Potential an mobilen Lautsprecheranlagen, Strom-Aggregaten, Zelten und Ähnlichem, um ihre Veranstaltungen spontan und autonom durchzuführen. Ein österreichisches Soundsystem hieß bezeichnenderweise Wako als Kurzform von Wanderkolonie.

„Illegalität“ der Freetekno-Szene

Massiver Polizeieinsatz beim CzechTek 2005

In vielen Fällen werden die Partys nicht angemeldet, da gesetzliche Bestimmungen über den Ablauf von Großveranstaltungen nicht ohne großen finanziellen und organisatorischen Aufwand eingehalten werden könnten, und sind daher illegal, was immer wieder zu Problemen mit der Polizei führt. Nur wenige Tekno-Partys werden in regulären Veranstaltungslokalen, also legal abgehalten (meistens über die Winterperiode). Der unangemeldete, „illegale“ Rahmen der Veranstaltungen sowie die Tatsache, dass an Stelle eines fixen Eintritts die freiwillige Spende tritt, ist für viele Veranstalter und auch für die Akzeptanz innerhalb der Szene ein wichtiges Kriterium. Für die betroffenen Gemeinden und Landstriche jedoch, in denen sich urplötzlich mitunter Tausende Partywilliger einfinden, die tagelang ohne oder nur mit einem Mindestmaß an sanitären Einrichtungen oder Lebensmittelvorräten kampieren, stellen sich gerade die größeren Teknivals als ernsthafte Probleme dar. Freilich haben in den anderthalb Jahrzehnten des Bestehens dieser Nischenkultur viele Veranstalter inzwischen legale Rahmenbedingungen für ihre Veranstaltungen geschaffen, so dass Freetekno nicht zwangsläufig nur illegal bzw. ungenehmigt stattfindet.

Immer wieder werden große wie kleine Teknivals von den örtlichen Polizeikräften unter zum Teil massiver Verstärkung durch Sondereinsatzkräfte geräumt. Bei der Räumung des CzechTek am 30. Juli 2005, wo etwa 1.000 Polizisten mit Wasserwerfern und Tränengas gegen 5.000 Teilnehmer vorgingen, gab es 82 verletzte Besucher und Polizisten. Der Premierminister Jiří Paroubek und sein Innenminister verteidigten die Maßnahmen der Polizei.[3]

Während legale Partys bedenkenlos beworben und angekündigt werden können, können illegale Partys nur innerhalb der Gemeinschaft, etwa per Mundpropaganda, angekündigt werden, um der Polizei keine Möglichkeit zu geben, von der Veranstaltung zu erfahren. Auch in einschlägigen Internetforen, die zum Teil nur für angemeldete Benutzer oder Benutzer mit speziellen Zugriffsrechten zugänglich sind, werden Tekno-Partys angekündigt. In der Regel wird jede Tekno-Party auch in Form von Flyern, die alle notwendigen Informationen mit Ausnahme des Veranstaltungsortes enthalten, angekündigt. Dieser kann dann durch Nachfragen im Bekanntenkreis, der möglicherweise bereits durch Mundpropaganda informiert wurde, oder durch das Anrufen einer auf dem Flyer angegebenen „Infoline“ erfragt werden.

Quellen

  1. https://www.theguardian.com/music/2011/jun/15/castlemorton-triggers-rave-crackdown
  2. Spiral-Tribe-Reportage innerhalb der Sendung Tracks, Arte, 17. November 2011.
  3. CzechTek: Polizeieinsatz endet blutig, ein Partyteilnehmer tot (Memento vom 27. Juni 2012 im Internet Archive) Zeitungsartikel von Tschechien-online.org, 31. Juli 2005

Literatur

  • Christiana Breinl: Free Tekno: Geschichte einer Gegenkultur. 1 Auflage. Lit Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3643503763.

Weblinks

 Commons: Freetekno – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Freetekno aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.