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Diskussion:Heini Bornstein

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tachles Newsletter 17. Juli 2015:

Geachteter Pionier und sozialistischer Zionist

L. Joseph Heid
, 17. Juli 2015

Die Lebenserinnerungen von Heini Bornstein sind mehr als eine Grundlage für zukünftige Forschungen zur Geschichte des Zionismus.

Sozialistisches Ideal – Gründung eines Kibbuz in Galiläa während der Mandatszeit.Heini Bornstein blieb sein Leben lang überzeugter und aktiver Zionist und nahm an zahlreichen zionistischen Weltkongressen teil.

Der sozialistische Zionist Heini Bornstein blickt auf ein bewegtes Leben zurück, das 1920 in Basel in einer jüdisch-traditionellen Familie begann. Sein Leben nahm viele Umwege, bis es ihn 1947 nach Palästina führte, wo er als Kibbuznik in Lehavot Habaschan bis heute lebt. Durch die sozialistisch-zionistische Jugendbewegung Haschomer Hazair geprägt, beteiligte sich Bornstein in den 1930er Jahren während seines Militärdiensts beim Basler Grenzbataillon als Fluchthelfer für bedrohte Juden. Überzeugter und aktiver Zionist blieb er immer, nahm an zahlreichen zionistischen Weltkongressen teil.

Die Stadt Basel, daran lässt Bornstein keinen Zweifel, hat für ihn eine besondere Bedeutung behalten, persönlich und zionistisch: Sie war die Wiege des modernen politischen Zionismus und Austragungsort von zehn Zionistenkongressen. 1937 fand – 40 Jahre nach dem ersten Zionistenkongress 1897 in Basel – der Kongress in Zürich statt. Die Fahne des Ersten Kongresses, die die ganzen Jahre über in Zürich aufbewahrt worden war, wurde anlässlich des Kongresses dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation Chaim Weizmann überreicht. Bornstein war 17 Jahre alt, als er an diesem feierlichen Akt in der Uniform der Ehrenwache teilnahm. Das war der erste Höhepunkt seiner zionistischen Karriere, die bereits mit elf Jahren begonnen hatte. Als 80-Jähriger wurde er zum Ehrenmitglied der Zionistischen Weltorganisation ernannt.

Schweiz als Drehscheibe Die Türkheimerstrasse 5 war ab 1941 die Postadresse für Bornsteins Korrespondenzen in Sachen internationaler Rettungsaktivitäten. Als einer der Ersten schrieb er mit der kombinierten deutsch-hebräischen Schreibmaschine Marke «Hermes Baby» seine Geheimpost. Mosche Pil, eines der führenden Mitglieder des Haschomer Hazair, lobte Bornsteins Verdienste während der Kriegszeit: «Dank Heini war die Schweiz keine Insel, sondern eine wichtige Drehscheibe von Hilfe und Rettung.»

Als Schweizer Bürger wurde Bornstein in den Jahren vor der israelischen Staatsgründung gebraucht: Die zionistische Bewegung benötigte einen Mann, der von Frankreich aus mit den Schweizer Banken die finanziellen Geschäfte für den Kauf von Schiffen für die illegale Einwanderung nach Palästina abwickelte. Doch seine eigene Alija stand auf der Kippe: Das britische Generalkonsulat in Bern wollte sein Einreisevisum mit der Begründung nicht erteilen, er stehe aufgrund seiner Aktivitäten auf der sogenannten «Schwarzen Liste». Da half der Mossad mit einem gefälschten britischen Pass. Diese Art der Einwanderung hatte einen besonderen Namen – «VIP-Alija».

Der nunmehr auf Deutsch vorliegende Bornsteinsche Lebensbericht knüpft an sein früheres Buch «Insel Schweiz» aus dem Jahre 2000 an. Bornsteins Erinnerungen bieten eine höchst informative Übersicht über konkrete praktische Arbeit der sozialistisch-zionistischen Bewegung und gewähren Einblick in die Parteiengruppierung von Mapam und Merez, für die er als Parteisekretär tätig war. Seine Autobiografie ist zugleich eine Chronik der historischen Entwicklungen, die im Jahre 1948 zur Verwirklichung des «Basler Programms» führten – zur Gründung des Judenstaates Israel.


Ideal des Kibbuz

Faszinierend lesen sich seine Ausführungen zur Idee des Kibbuz. Bereits in seinen Basler Vorkriegsjahren hatte sich bei Bornstein das Ideal des Kibbuz entwickelt und der Kreis zwischen den drei Elementen Zionismus, Sozialismus und Kibbuz geschlossen. Das galt auch für die als «Zehntes Gebot» propagierte «sexuelle Reinheit», der Verzicht auf Geschlechtsverkehr bis zur Alija nach Erez Israel – eine harte Prüfung. Umso mehr scheint seine Enttäuschung durch, dass die Kibbuz-Idee der Gründergeneration in der Gegenwart verblasst, wenn nicht verschwindet. Bornstein ist indes stets «linientreu» geblieben, für ihn ist und bleibt der Kibbuz eine wichtige unverrückbar solidarische Institution, die weit in die Zukunft reicht.

Aufschlussreich war die Begegnung Jean Paul Sartres und Simone de Beauvoirs in Bornsteins Heimatkibbuz. Sartre wies darauf hin, dass man Ideologie nicht vererben könne und beendete seinen Besuch im Hause Bornstein mit den prophetischen Worten: «Ich nehme an, dass die heutige Einstellung in der Kibbuzbewegung eine oder zwei Generationen andauern wird, länger nicht. Wenn ihr keine materiellen Gegenleistungen oder moralischen Gratifikationen für Engagement oder Verantwortung anerkennt, werden euch die fähigen Leute verlassen, und ihr bleibt eine durchschnittliche Gesellschaft.» Diese Einschätzung gab Sartre im Jahre 1967!

In all seinen Funktionen, so Bornstein retrospektiv, strebte er nach einer Synthese des Gemeinsamen: Er rundete Ecken, um Lösungen zu finden, ohne seine grundlegenden Lebensprinzipien je aufzugeben. Seine Erinnerungen, so würdigt ihn sein Herausgeber Heiko Haumann, bieten eine erstklassige Grundlage für zukünftige Forschungen zur Geschichte des Zionismus. Der Leser kann sich über eine fesselnd geschriebene Lebensgeschichte eines geachteten Pioniers des sozialistischen Zionismus freuen.

Heini Bornstein: Von Basel bis zum Kibbuz Lehavot Habaschan. Der Lebensweg eines sozialistischen Zionisten. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2015.