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Dichotomie

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Dichotomie bezeichnet eine Struktur aus zwei Teilen, die einander gegenüberstehen und einander ergänzen (zum Beispiel ein komplementäres Begriffspaar), oder eine Aufteilung in zwei solche Teile (zum Beispiel die Aufteilung eines ganzen Bereichs in zwei Teilbereiche).

Dichotomie bedeutet wörtlich „Zweiteilung“ (griechisch διχότομος dichótomos „halbgeteilt, entzweigeschnitten, in zwei Teile gespalten“; aus δίχα dícha „entzwei, getrennt“ und τέμνειν témnein „schneiden“).[1] Das Adjektiv lautet dichotom oder dichotomisch. Man spricht beispielsweise von einer dichotomen oder dichotomischen Methode, wenn sie auf Einteilungen in jeweils zwei Teile oder Gruppen beruht.

Dichotomie im Sinne der Mengentheorie

Illustration einer Dichotomie: Die Begriffe A und B sind als separate Kreise dargestellt

Entscheidend ist bei der dichotomen Einteilung einer Menge (Beispiel: Einteilung in zwei Begriffe A und B), dass

  • alle Elemente der einen oder der anderen Untermenge (A oder B) zuzuordnen sind,
  • kein Element beiden Untermengen (Begriffen) zugleich zuzuordnen ist; die Untermengen dürfen also keine Schnittmenge haben (die Begriffe sind disjunkt).

Bei einer dichotomen Einteilung ist der Fehler der unangemessenen Einteilung ausgeschlossen. Es wird gefordert, dass zwei einander komplementäre Begriffe den Umfang oder die Bedeutung des ursprünglichen Begriffes vollständig umfassen. Eine unvollständige Einteilung oder eine sich überschneidende Einteilung ist somit nicht möglich. Die Vereinigung der dichotomen Begriffe führt wieder zum Ursprungsbegriff.

Dichotome Einteilungen sind nicht immer zweckmäßig. Zum Beispiel können bei plakativen Einteilungen der Bevölkerung in Alt und Jung, Stadt und Land, Schwarz und Weiß (Hautfarbe) die Unterschiede überbetont werden und mögliche Gemeinsamkeiten aus dem Blick geraten („Schwarz-Weiß-Malerei“).

Dichotomien in der Mathematik

Beispiele aus den Bereichen Mathematik und Logik:

In der Statistik versteht man unter einer dichotomen oder binären Variablen eine Variable, die zwei Ausprägungen hat, zum Beispiel die Variable „Geschlecht“ mit den beiden Ausprägungen „weiblich“ und „männlich“.

In der Testtheorie bezeichnet man ein Antwortformat als dichotom, wenn lediglich zwei Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind, zum Beispiel „Ja“ und „Nein“. Im Gegensatz dazu werden auch mehrfach gestufte Antwortformate verwendet, zum Beispiel „nie“, „selten“, „manchmal“, „oft“ und „immer“.

In der mathematischen Optimierung versteht man unter einem dichotomen Verfahren eine Methode der lokalen nichtlinearen Optimierung ohne Nebenbedingung. Ein solches Verfahren, das mit gleich großen Halbierungen von Intervallen arbeitet, ist die Intervallhalbierungsmethode.

Dichotomien in der Astronomie

In der Astronomie wird die Phase, während der ein nicht selbst leuchtendes Gestirn – also meist ein Planet oder Mond im Gegensatz zu einem Stern – von einem Betrachter als zur Hälfte beleuchtet gesehen wird, als Dichotomie bezeichnet. In der visuellen Astronomie bedeutet Dichotomie daher auch „Halbphase“: Ein Planet oder Mond ist genau von der Seite beleuchtet (d. h. im Phasenwinkel 90°), sodass er als Halbkreisfläche erscheint. Bekanntestes Beispiel ist die Phase des Halbmondes, aus der zum Beispiel Aristarch von Samos die Entfernung des Mondes abschätzen konnte. Von der Erde aus können Halbphasen außer beim Mond nur bei den unteren Planeten Merkur und Venus beobachtet werden.

In der Planetologie steht der Begriff für die unter den festen Himmelskörpern verbreitete Erscheinung von zwei auffallend unterschiedlich gestalteten Halbkugeln. Die bekanntesten Beispiele sind neben der Erde und dem Erdmond der Planet Mars und der Saturnmond Iapetus:

  • bei der Erde der auffällige Unterschied zwischen Land- und Wasserhemisphäre – eine Folge der Bildung des Pazifik,
  • beim Mond die vielen Mare der Vorderseite, die auf der Mondrückseite weitgehend fehlen – eine Folge des „Großen Bombardements“ durch Asteroiden vor etwa vier Milliarden Jahren,
  • beim Mars eine ähnliche „Zweiteilung“ zwischen Nord- und Südhemisphäre: im Norden hauptsächlich Tiefebenen, im Süden gewaltige Hochländer. (Der mittlere Großkreis, der diese topografischen Hemisphären voneinander trennt, ist dabei 40° gegen den Äquator geneigt. Die unsymmetrische Massenverteilung bewirkt, dass der Schwerpunkt des Mars gegenüber dem geometrischen Mittelpunkt um drei Kilometer in Richtung der nördlichen Tiefebenen versetzt ist.)

Beim Begriff „Venus-Dichotomie“ wird der Begriff nicht korrekt verwendet, weil er nicht die Halbphase, sondern die zeitweilige Sichelgestalt des Abend- bzw. Morgensterns betrifft. Die „Hörner“ der Venussichel stehen einander nicht um 180° gegenüber, sondern greifen über, eine Folge der dichten Venusatmosphäre. Diese „Dichotomie“ der Venussichel wurde schon im 17. Jahrhundert bemerkt, ist auch bei Tagbeobachtungen festzustellen und war vor der Epoche der Raumfahrt eine Möglichkeit, die Dichte der Atmosphäre abzuschätzen. Weil sie sich als erstaunlich dicht erwies, kam seit Hieronymus Schröter die Vermutung auf, es könnte Venusianer geben.

Dichotomien in anderen Gebieten

In der Botanik spricht man von Dichotomie oder einer dichotomen Teilung, wenn sich die ursprüngliche Sprossachse in zwei annähernd gleiche Teile verzweigt.

Im Fach Anatomie bezieht sich der Begriff beispielsweise auf die Verzweigung der Luftröhre in zwei Hauptbronchien.

In der (strukturalistischen) Sprachwissenschaft sind viele Dichotomien grundlegend, zum Beispiel die Dichotomie von Langue und Parole, die Dichotomie von Synchronie und Diachronie, die Dichotomie von Signifikant und Signifikat.[2]

Claude Lévi-Strauss hat Gesellschaften nach deren Motivation zum kulturellen Wandel eingeteilt und eine Dichotomie zwischen kalten und heißen Kulturen postuliert.

In der Volkswirtschaftslehre wird die Trennung von Variablen in nominale und reale Größen als (neo)klassische Dichotomie bezeichnet.

Im deutschen Strafrecht bezeichnet man die Einteilung der Delikte in Verbrechen und Vergehen gemäß § 12 StGB als „Dichotomie des Strafrechts“, die mit der Reform von 1974 und 1975 an die Stelle der zuvor auch in Deutschland nach französischem Vorbild existierenden Trichotomie (Dreiteilung) getreten ist.

Die Sein-Sollen-Dichotomie ist ein metaethisches Prinzip, wonach eine dichotomische Einteilung in deskriptive und normative Aussagen in der Ethik besteht. Deshalb kann nicht von einem Sein auf ein Sollen geschlossen werden.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Dichotomie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. H. Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage. Nikol Verlag, Hamburg 2005, S. 206
  2. Vgl. Helmut Rehbock: Dichotomie. In: Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 4. Auflage. Metzler, Stuttgart 2010.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Dichotomie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.