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Benno Wolf

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Berliner Gedenktafel am Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6–7, in Berlin-Schöneberg
Stolperstein am Haus Hornstraße 6, in Berlin-Kreuzberg

Benno Wolf (geboren 26. September 1871 in Dresden; gestorben 6. Januar 1943 im Ghetto Theresienstadt) war in der Zwischenkriegszeit einer der bedeutendsten europäischen Höhlenforscher und hatte zahlreiche Funktionen inne. So war er jahrelang im Vorstand des Hauptverbandes Deutscher Höhlenforscher und gab dessen Zeitschrift heraus. Er war aktives Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde und weiterer wissenschaftlicher Gesellschaften. Wolf leistete wesentliche Vorarbeiten für die Entstehung des Reichsnaturschutzgesetzes.

Kaiserreich und Weimarer Republik

Wolf war jüdischer Herkunft, wuchs jedoch im protestantischen Glauben auf. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften ließ er sich 1912 als Richter nach Charlottenburg bei Berlin versetzen, um gleichzeitig zunächst ehrenamtlich, ab 1915 hauptamtlich als Justitiar der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen zu arbeiten. Seine Vorgesetzten waren Hugo Conwentz und Walther Schoenichen, Hans Klose war sein Kollege. Wolf erarbeitete erste Entwürfe für Naturschutzgesetze in Deutschland und im benachbarten Ausland, 1920 wurde der von ihm gestaltete § 34 des preußischen Feld- und Forstordnungsgesetzes als „Kleines Naturschutzgesetz“ allgemein begrüßt. Von Wolf stammt auch der Kommentar „Das Recht der Naturdenkmalpflege in Preußen“ (Berlin 1920).

Zeit des Nationalsozialismus

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 kam Wolf aufgrund seiner jüdischen Abstammung seiner Entlassung als Richter und als Justitiar in der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege, in der er bis dahin 21 Jahre juristisch gearbeitet hatte, durch ein erzwungenes Abschiedsgesuch zuvor. Sein Vorgesetzter Schoenichen (NSDAP) begrüßte gleichzeitig die antisemitisch begründeten Maßnahmen gegen jüdische Verwaltungskollegen als „Reinigung des Volkes“.[1]

Klose verwendete bei der Formulierung des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 wesentlich die Vorarbeiten Wolfs. Klose wird trotz dieser Anleihen bis heute als „Vater des Reichsnaturschutzgesetzes“ betrachtet. Ebenso stützte sich Klose auf Entwürfe Wolfs für Naturschutzerlasse für die nach 1939 „eingedeutschten polnischen Gebiete“. Unter Klose wurde 1936 im Volksbund Naturschutz der Arierparagraph eingeführt. Vormals wichtige tragende Mitglieder wie Wolf und Max Hilzheimer waren seitdem dort ausgeschlossen.

Der Berliner Fabrikant Julius Riemer, ein international bekannter natur- und völkerkundlicher Sammler, war der engste Freund und aktivste Mäzen von Benno Wolf nach dessen Berufsverbot. Ab 1937 übernahm er die Redaktion der Hauptverbandszeitschrift; zeitweise war er auch amtierender Hauptverbandsvorstand. Er bemühte sich verzweifelt, Wolf vor der Deportation zu bewahren, scheiterte damit aber letztlich.[2]

Wegen seiner jüdischen Abstammung und insbesondere wegen seines kriegswichtig gewordenen Archivs über Höhlen wurde der 70-jährige Benno Wolf am 8. Juli 1942[3] mit dem 17. Alterstransport in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb er am 6. Januar 1943 infolge der unmenschlichen Haftbedingungen. Sein Höhlenarchiv übernahm das Ahnenerbe der SS und wertete es unter Federführung von Hans Brand zu Rüstungszwecken aus.

Gedenken

Die Leistungen Benno Wolfs wurden nach 1945 von vielen Zeitgenossen verdrängt und vergessen, wohl auch deshalb, weil seine „Kollegen“ aus der Zeit vor 1933 nahtlos die westdeutschen Naturschutzverwaltungen übernehmen konnten. Heutige Autoren loben zwar das Feld- und Forstordnungsgesetz von 1920 als Meilenstein im Naturschutz, erwähnten aber Wolf früher an keiner Stelle. Erst in den letzten Jahren hat sich das geändert und Wolf wurde ein Kapitel in der Festschrift „Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906–2006“ gewidmet.

In ehrenvoller Würdigung der herzlichen Beziehungen, die zwischen Benno Wolf und Dresdner Höhlenforschern um Johannes Ruscher bestanden und zur Erinnerung an seine "letzte Reise", die Wolf unterhalb der Höhle durchs Elbtal zwangsweise nach Theresienstadt führte, haben Mitarbeiter der Höhlenforschergruppe Dresden am 11. August 1996 eine bemerkenswerte Sandsteinhöhle des Sandsteinkarstes der Böhmischen Schweiz nach diesem Forscher (Dr.-Benno-Wolf-Höhle) benannt und eine Inschrift angebracht.

2005 wurde vor seinem Wohnort in der Hornstraße 6 in Berlin-Kreuzberg ein Stolperstein im Pflaster verlegt, nachdem sich eine private Initiative dafür eingesetzt hatte.[4]

Dr.-Benno-Wolf-Preis

Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VdHK) stiftete den „Dr.-Benno-Wolf-Preis“, der seit 1996 in unregelmäßigen Abständen verliehen wird. Mit dem Preis sollen besondere Leistungen im Höhlenschutz und in der Höhlenforschung gewürdigt werden und ein Zeichen gegen Intoleranz und Unfreiheit in der wissenschaftlichen Forschung gesetzt werden. Bisherige Preisträger sind:

  • 1996: Hubert Trimmel (Wien)
  • 1997: Petra Boldt (Schelklingen-Schmiechen) und Karl Hager (Nürnberg)
  • 1999: Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (Krefeld)
  • 2000: Bodo Schillat (Rinteln-Steinbergen)
  • 2002: Herbert W. Franke (Puppling bei München)
  • 2003: Wolfgang Dreybrodt (Bremen)
  • 2004: Stefan Zaenker (Fulda)
  • 2006: Klaus Dobat (Tübingen)
  • 2007: Jörg Obendorf (München)
  • 2008: Dieter Stoffels (Mülheim)
  • 2009: Michael Laumanns (Berlin)
  • 2010: Friedhart Knolle (Goslar)
  • 2011: Karl-Heinz Pfeffer (Tübingen)
  • 2012: Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen
  • 2013: Ralph Müller (Schrozberg) und Rainer Fohlert (Wutha-Farnroda)
  • 2015: Michael Krause (Stuttgart)
  • 2017: Wolfgang Ufrecht (Stuttgart)
  • 2018: Stefan Voigt (Ennepetal)[5]
  • 2019: Jochen Duckeck (Nürnberg)

Literatur

  • R. G. Spöcker: Ahasver Spelaeus. Erinnerungen an Dr. Benno Wolf. Bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von F. Reinboth und F. Knolle. In: Mitteilungen Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Band 32, Nr. 1, 1986, S. 4–8.
  • A. Wagner: Erinnerungen an Landgerichtsrat Dr. Benno Wolf. In: Mitt.-Bl. Abt. Karst- u. Höhlenkde. Naturhist. Ges. Nürnberg. Band 14, Nr. 1/2, 1981, Nr. 24, S. 8–16.
  • Dieter Stoffels:
    • Dr. Benno Wolfs Wirken in Rheinland-Westfalen. In: Mitteilungen und Berichte Speläogruppe Letmathe. Nr. 2, Iserlohn 1987, S. 10–20.
    • Dr. Benno Wolf – Ein Pionier der Höhlenforschung in Deutschland. In: Speläologisches Jahrbuch 1994. Verein f. Höhlenkunde in Westfalen, Iserlohn 1995, S. 78–83.
    • Dr. Benno Wolf und das dunkle Kapitel deutscher Höhlenforschung. In: Der Höhlenforscher. 27. Jahrgang, Heft 2, S. 35–43, Dresden 1995.
    • Dr. Benno Wolfs Todesdatum festgestellt. In: Mitteilungen Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Band 41, Nr. 4, München 1995, S. 55.
  • Bernd Schütze: Juden in der Naturschutzgeschichte? Fragen eines lesenden Naturschützers. In: Uwe Schneider, Joachim Wolschke-Bulmahn: Gegen den Strom. Gert Gröning zum 60. Geburtstag. (= Beiträge zur räumlichen Planung. Band 76). Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Universität Hannover, Hannover 2004, S. 267–293.
  • F. Knolle, H. Bergemann, M. K. Brust, R. H. Winkelhöfer: Dr. Benno Wolf aus Dresden zum Gedenken. In: Der Höhlenforscher. 42. Jahrgang, Heft 2, Dresden 2010, S. 36–53.
  • F. Knolle, D. Stoffels, T. Oldham: Who was BSA Honorary Member Dr. Benno Wolf (1871–1943)? A retrospective look at European caving and Nazi history. In: The British Caver. Band 129, 2007, S. 21–26, Cardigan, UK [ähnlich in www.vdhk.de/wolf_uk.pdf]
  • Wolf, Benno, in: Hans Bergemann, Simone Ladwig-Winters: Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus : eine rechtstatsächliche Untersuchung. Eine Dokumentation. Köln : Bundesanzeiger-Verlag, 2004, S. 341
  • Friedhart Knolle, Bernd Schütze: Dr. Benno Wolf, sein Umfeld und seine interdisziplinäre Wirkung – eine Klammer zwischen den deutschen Höhlenforscherverbänden. In: Mitteilungen des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher. Band 51, Nr. 2, April 2005, S. 48–55, abgerufen am 2. September 2021.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernd Schütze: (Erb)-Last für die Demokratie. Die Erinnerungspolitik des Naturschutzes seit 1945. In: Gert Gröning, Joachim Wolschke-Buhlmahn (Hrsg.): Naturschutz un Demokratie? München 2006, ISBN 3-89975-077-2, S. 84 f.
  2. Nils Seethaler hat zur Person Julius Riemer geforscht. In: Wittenberger Sonntag/Freizeit Magazin. 10. Mai 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  3. Burkhard Hawemann: Vom Yorckschlösschen zum Rathaus Kreuzberg. In: Stolpersteine in Berlin. 12 Kiezspaziergänge. Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V., Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, Kulturprojekte Berlin GmbH, Berlin 2013, S. 60–61.
  4. www.arge-grabenstetten.de
  5. VdHK: Benno-Wolf-Preis (Memento vom 23. Januar 2019 im Internet Archive), abgerufen am 14. Mai 2018.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Benno Wolf aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.