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Krematorium

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zur gleichnamigen russischen Rockband siehe Krematorium (Band)

Ein Krematorium (zu lat. cremare, dt. verbrennen) ist eine Anlage zur Kremation, der Verbrennung (auch Einäscherung oder Veraschung) von Leichen anstelle einer Bestattung direkt in der Erde. Der Vorgang einer Bestattung unter Einbeziehung der Kremation wird auch als Feuerbestattung bezeichnet.

Krematorien zur Einäscherung Verstorbener

Geschichte

Die Geschichte der Einäscherung von Verstorbenen reicht weit in die Steinzeit zurück. Insbesondere die Bandkeramiker vervollkommneten die Kunst der Leichenverbrennung. In die gebrannten keramischen Urnen wurde der Leichenbrand von Fuß bis Kopf eingeschichtet. Sehr oft wurden die Urnen in Gewänder gekleidet und später, in der Bronzezeit, mit Bronzenadeln verziert. In Mitteleuropa war mit der Ausbreitung des Christentums der Brauch der Leichenverbrennung sukzessiv verschwunden. Mit dem Anwachsen der Großstädte wurde vielerorts der Platz auf den Friedhöfen knapp. Die technische Entwicklung erlaubte es im 19. Jahrhundert erstmals, die Einäscherung quasi technisch abzuwickeln. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden Feuerbestattungsvereine. Kremation wurde öffentlich, zwar kontrovers, aber eben als eine Bestattungsform diskutiert.

In Europa fand die erste Feuerbestattung der Neuzeit im Jahre 1752 auf Schloss Roßwald in Österreichisch Schlesien statt. Die Gemahlin des Grafen Albert Joseph von Hoditz wurde auf einem Scheiterhaufen eingeäschert.

Der Siemens’sche Ofen für Leichenverbrennung, zeitgenössische Darstellung von 1874

Im Jahr 1874 wurde die erste Einäscherung auf dem Gebiet des heutigen Deutschland (im damaligen Siemens-Glaswerk Dresden) vollzogen. Etwas von dieser Asche wird im Krematorium Meißen aufbewahrt.[1] Interessanterweise war die Tote keine Deutsche sondern eine Engländerin, die diese Form der Bestattung in ihrem Testament festgelegt hatte. Verwendet wurde ein von Friedrich Siemens entwickelter Regenerationsofen zur Leichenverbrennung.[2]

1876 entstand die erste europäische Einäscherungsanstalt in Florenz. Das erste Krematorium im deutschsprachigen Raum wurde 1878 von Julius Bertuch und Carl Heinrich Stier auf dem Gothaer Hauptfriedhof erbaut. Die Thüringer Residenzstadt im Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha galt als liberal und fortschrittlich, so gab es dort von seiten des Herzogs Ernst II. und der Landeskirche weniger Widerstand bei der Einführung der als sehr modern geltenden Feuerbestattung als in anderen deutschen Kleinstaaten.

Die erste Einäscherung im Gothaer Krematorium fand am 10. Dezember 1878 statt. Es handelte sich um den Erbauer des Krematoriums, den Bauingenieur Carl Heinrich Stier. Er war jedoch bereits ein Jahr vor der Fertigstellung verstorben. So verfügte er in seinem Testament die Einäscherung seines Leichnams nach Inbetriebnahme des Krematoriums. Seine Leiche wurde daher in einem versiegelten Metallsarg nur vorläufig beigesetzt, um dann den Flammen übergeben zu werden. Stier war der einzige in Gotha und einer der wenigen, für die Bestattungen nach beiden Arten stattfanden.

Im Jahre 1878 blieb es bei dieser einen Verbrennung, 1879 fanden 17 Einäscherungen statt. In den folgenden Jahren wurden immer mehr Tote aus allen Teilen Deutschlands ins Gothaer Krematorium gebracht. Bis zum 10. Dezember 1882 wurden 100 Verbrennungen vorgenommen: von den Toten waren bis dahin 70 evangelischer, 12 katholischer, 5 jüdischer Konfessionszugehörigkeit; bei 13 fehlte die Angabe zur Konfession.[3] Erst 1891 (13 Jahre nach Inbetriebnahme des Gothaer Krematoriums) ging in Heidelberg das zweite deutsche Krematorium in Betrieb und ein Jahr später in Hamburg das dritte. 1910 waren dann bereits mehr als 20 Krematorien in Deutschland errichtet.

Wegen religiöser Bedenken gegen die Feuerbestattung waren die ersten Krematorien in orientalischem Baustil gehalten, erst 1903 entstand auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe ein Krematorium im Erscheinungsbild eines mitteleuropäischen Sakralbaus.

In der Schweiz wurde erstmals 1889 auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich ein Krematorium in Betrieb genommen. Dabei wurde auf bauliche Ausschmückungen geachtet, um den Toten Respekt zu erweisen.

Im katholisch geprägten Österreich wurde gegen den Widerstand der Kirche das erste Krematorium dagegen erst 1922 am Wiener Zentralfriedhof eröffnet.

Krematorien heute

Verbrennung eines Toten

Auf Grund der Bestattungsgewohnheiten nimmt der Anteil von Einäscherungen Verstorbener zu. In Berlin wurde das erste Krematorium am 24. November 1912 auf dem Urnenfriedhof Seestraße im Wedding eröffnet. 2008 liegt der Anteil an Feuerbestattungen in Berlin bei 78 %, was repräsentativ für Norddeutschland ist. Wird die Asche nach der Verbrennung in einer Urne beigesetzt, spricht man von einer Feuerbestattung. Bei einer Seebestattung wird eine wasserzersetzliche, schnellauflösende Seebestattungsurne verwendet und dem Meer übergeben oder die Asche wird direkt ins Meer gebracht.

Im Zusammenhang mit der starken Zunahme des Anteils übergewichtiger Menschen in der Schweizer Bevölkerung sind (2012) in Basel und St. Gallen zwei Krematorien geplant, welche Leichen mit mehr als 200 kg Gewicht aufnehmen können. In der Schweiz wurden Särge in Übergrösse nur noch in einem seit 2009 in Bern in Betrieb genommenen extra großen Ofen angenommen. Mitte April war in einem Krematorium in Seewen im Kanton Schwyz ein Feuer ausgebrochen: aufgrund des hohen Fettgehalts übergewichtiger Leichname kommt es bei deren Verbrennung zu extrem hohen Temperaturen, was zu einer Überbeanspruchung des jeweiligen Ofens führen kann.[4]

Technik von Feuerbestattungsanlagen

Feuerbestattungsofen (1904)

Es gibt zwei Bauformen von Feuerbestattungsanlagen. Im Flachbettofen bleiben Sarg und Leichnam während der Einäscherung in der Hauptbrennkammer (Muffel) liegen. Wenn der Einäscherungsvorgang abgeschlossen ist, werden die Reste in die Ausbrennkammer verbracht und später in die Auskühlzone des Ofens. Im Etagenofen gibt es zwei übereinanderliegende Brennkammern (Oberofen und Unterofen), die durch eine drehbare Stahlplatte voneinander getrennt sind. Der Sarg wird in den Oberofen eingefahren, in dem in 60-90 min die Hauptverbrennung stattfindet. Die Ausmineralisierung der Gebeine erfolgt im Unterofen. Während dieser Zeit kann im Oberofen bereits die nächste Verbrennung stattfinden.

Alle Krematorien in Deutschland unterliegen der 27. BImSchV (Bundes-Immissionsschutzverordnung) und sind mit modernen Rauchgasreinigungsanlagen ausgerüstet. Die Abgase unterliegen damit den immissionsschutzrechtlichen Grenzwerten. Die ethischen Grundregeln für Krematorien sind in der DIN EN 15017 festgeschrieben. Damit soll der würdige und respektvolle Umgang mit Verstorbenen in den Krematorien erreicht werden. Negative Einzelfälle wie Müllverbrennungen und Zahngoldentnahme sollen dadurch verhindert werden. Diese ethischen Regelungen sind gesetzlich nicht verpflichtend und tragen empfehlenden Charakter. Zur Einhaltung der Güte- und Prüfbestimmungen des Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) e.V. und des Bundesverbands Deutscher Bestatter, der das Markenzeichen Krematorium vergibt, müssen sich die privaten und öffentlichen Krematorienbetreiber bereit erklären. Zudem wird vom Arbeitskreis kommunale Krematorien im Deutschen Städtetag ein Siegel „Kontrolliertes Krematorium“ vergeben. Eine weitere Qualitätskontrolle wird durch die VDI-Richtlinie 3891 „Emissionsminderung - Einäscherungsanlagen“ mit Hinweisen auf Verbesserungen gesetzt.[5] In einigen Ländern ist es durchaus üblich, daß die Abwärme bei der Leichenverbrennung auch zur Gewinnung der nötigen Eigenenergie des Krematoriums verwendet wird.[6][7]

Derzeit gibt es

Bildergalerie

Die Krematorien in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten

Ehemaliges Krematorium des KZ Buchenwald (2007)
Zwei der Verbrennungsöfen in Auschwitz

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden 1940 bis 1944 in einer Vielzahl von Konzentrationslagern Krematorien erbaut oder erweitert, um die Leichen der Häftlinge zu verbrennen. In den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Majdanek waren sie Teil des industriellen Massenmordes. In den Vernichtungslagern Belzec, Kulmhof, Maly Trostinez und Sobibor waren keine Krematorien installiert. Das Vernichtungslager Treblinka besaß zwar ein Krematorium (1 Muffel Kori), dies war für die anfallenden Leichenmengen zu klein, deshalb wurden diese in Massengräbern vergraben. In den übrigen Konzentrationslagern hatten die Krematorien unter anderem den Zweck die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern und das Lagerpersonal und die umgebenden Gemeinden zu schützen.

In den deutschen Konzentrationslagern sind mindestens 25 Öfen mit 76 Muffeln von der Firma Topf und Söhne, und 39 Einmuffelöfen der Firma Kori installiert worden. Die größte Krematoriumskapazität hatte das Konzentrationslager Auschwitz mit 3 Doppelmuffelöfen im Stammlager und zehn Dreimuffelöfen sowie zwei Achtmuffelöfen im KZ A-Birkenau.[12] In Auschwitz hat die Zentralbauleitung der SS die im Betrieb festgestellte Leistungsfähigkeit mit 340 Leichen für Krematorium I (3 Doppelmuffelöfen), je 1440 Leichen für Krematorium II+III (je 5 Dreimuffelöfen) und je 768 Leichen für Krematorium IV+V (je ein Achtmuffelofen) in einer 24-Stunden-Schicht beziffert. Dies ergibt rein rechnerisch 4.756 verbrannte Leichen innerhalb von 24 Stunden und 1,7 Millionen bei einem theoretischen Betrieb über ein ganzes Jahr. Laut den Aussagen mehrerer Zeugen wurden zeitweise auch noch höhere Werte erreicht.[13] Um diese hohen Leistungen zu erreichen, wurden mehrere Leichen gleichzeitig verbrannt, die Knochen der Leichen nicht komplett verbrannt und technische Einrichtungen wie z.B. Druckluftgebläse verwendet. Die Topf-Krematorien hatten zur Energierückgewinnung einen sogenannten Rekuperator, der die Abwärme für die Luftzufuhr des Ofens nutzte. Damit war der Koksverbrauch im Dauerbetrieb minimiert worden.

Diese Betriebsweise ist bei Friedhofskrematorien nach dem Feuerbestattungsgesetz von 1934[14] nicht zulässig, da Einzelverbrennung und getrennte Aschesammlung dort vorgeschrieben waren und sind. Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der KZ-Krematorien können Betriebsdaten von Friedhofskrematorien nicht herangezogen werden, da die technische Ausstattung und die Betriebsweise so starke Differenzen aufweisen, dass nicht auf die Betriebsdaten der Konzentrationslager-Krematorien rückgeschlossen werden kann.

Die Kremierungskapazitäten der Konzentrationslager erlauben keine Rückschlüsse auf die Zahl der Holocaust-Opfer, da Leichen auch in Massengräbern beseitigt wurden und in den meisten anderen Vernichtungslagern keine Krematorien eingesetzt wurden.[15]

Details zu den Krematorien findet man im Artikel Gaskammern und Krematorien der Konzentrationslager Auschwitz.

Literatur

  • Carl Reclam: Die Feuerbestattung. In: Die Gartenlaube. 1874 S. 308–313 (Volltext [Wikisource]).
  • Stefan Fayans: Bestattungsanlagen. Kröner, Stuttgart 1907 (Handbuch der Architektur. 4. Teil: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude. 8. Halbbd.: Kirchen, Denkmäler und Bestattungsanlagen. H. 3).
  • Johannes Heldwein: Die Geschichte der Feuerbestattung und Deutsche Krematorien. Franzmathes, Frankfurt am Main 1931.
  • Fritz Schumacher: Die Feuerbestattung. 2. Auflage. Gebhardt, Leipzig 1939 (Handbuch der Architektur. 4. Teil: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude. 8. Halbbd.: Kirchen, Denkmäler und Bestattungsanlagen. H. 3b).
  • Jean-Claude Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes. Piper, München 1995, ISBN 3-492-12193-4 (Serie Piper 2193)
  • Annegret Schüle: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz. Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0622-6
  • Norbert Fischer: Vom Gottesacker zum Krematorium. Eine Sozialgeschichte der Friedhöfe in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Böhlau, Köln u. a. 1996, ISBN 3-412-11195-3 (Kulturstudien. Sonderband 17), (Zugleich: Hamburg, Univ., Diss., 1994), (Online-Version).
  • Henning Winter: Die Architektur der Krematorien im Deutschen Reich 1878–1918. Verlag J. H. Röll, Dettelbach 2001, ISBN 3-89754-185-8 (Kasseler Studien zur Sepulkralkultur 10), (Zugleich: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1998).
  • Norbert Fischer: Zwischen Technik und Trauer. Feuerbestattung, Krematorium, Flamarium. Eine Kulturgeschichte. NORA, Berlin 2002, ISBN 3-935445-95-4.
  • Ivo Zemp. Die Architektur der Feuerbestattung: Eine Kulturgeschichte der Schweizer Krematorien. Baden: Hier + Jetzt, 2011. ISBN 978-3-03919-195-6.

Weblinks

 Commons: Krematorien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Krematorium – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Krematorium aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.