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Ernst Schäfer (Zoologe)

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Ernst Schäfer in Tibet (1938)
Ernst Schäfer als Zeuge während der Nürnberger Prozesse

Ernst Schäfer (* 14. März 1910 in Köln; † 21. Juli 1992 in Bad Bevensen) war ein deutscher Zoologe und Tibetforscher. In der Zeit des Nationalsozialismus war Schäfer ein führendes Mitglied der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe und bekleidete den Rang eines SS-Sturmbannführers.

Jugend und Studium

Ernst Schäfer wuchs als Sohn einer Großbürgerfamilie in Waltershausen (Thüringen) auf und begeisterte sich schon als Jugendlicher für die Jagd. Nach dem Abitur, das er an einem Gymnasium in Mannheim bestand, studierte er von 1929 bis 1934 in Göttingen, Hannover, Philadelphia und Berlin Zoologie und Botanik, aber auch Geologie, Mineralogie, Chemie, Physik und Völkerkunde. Sein Spezialgebiet war die Ornithologie.

Er trat 1930 der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) bei. Seine Dissertation wurde als Sonderheft des Journals für Ornithologie Jg. 86 (1938) veröffentlicht. Sein Doktorvater, der Ornithologe Erwin Stresemann, ernannte Schäfer, nicht zuletzt seiner umfangreichen Sammlung wegen, die er dem Zoologischen Museum der Friedrich-Wilhelms-Universität schenkte, am 7. Dezember 1939, am Tage seiner Hochzeit mit Herta geb. Völz, telegraphisch zum Ehrenmitglied der DO-G.

Tibet-Expeditionen

Bekannt wurde er durch drei Expeditionen nach Tibet, die 1931, 1934/35 und 1938/39 stattfanden. Die beiden ersten wurden von dem US-amerikanischen Millionärssohn Brooke Dolan II (1908–1945) geleitet[1], wobei die zweite Expedition in das Quellgebiet des Jangtsekiang ging (neben Schäfer nahm auch der Missionar Duncan teil). Bei der ersten Expedition nach Tibet waren neben Schäfer und Dolan Gordon Bowles, Otto Gneiser und Hugo Weigold dabei. Aufgrund seiner zoologischen Sammeltätigkeit bei der ersten Expedition wurde er Ehrenmitglied der Academy of Natural Sciences in Philadelphia.[2] Expeditionsführer der dritten Expedition unter dem Titel „Deutsche Tibet-Expedition Ernst Schäfer“ war er selbst. Inzwischen war man bei den Nationalsozialisten durch seinen Bestseller auf ihn aufmerksam geworden und Heinrich Himmler bot ihm 1936 die Finanzierung einer weiteren Expedition nach Tibet an, die Schäfer plante. Diese Expedition wurde im Auftrag der SS-Organisation Ahnenerbe durchgeführt und stand unter der Schirmherrschaft von Heinrich Himmler, der in den tibetisch-buddhistischen Schriften Spuren einer „arischen“ Urreligion finden wollte, eine These, von der Schäfer selbst allerdings nichts hielt.[3] Expeditionsteilnehmer war auch der Anthropologe und SS-Hauptsturmführer Bruno Beger, der auf der Suche nach einer „arischen“ Abstammung die Schädel von Tibetern vermaß. Die Expedition forschte für das Ahnenerbe auch nach „geeigneten Getreidekörnern und -samen für die künftige Kriegswirtschaft“ und interessierte sich für künftige Siedlungsgebiete im Osten sowie für eine robuste Pferderasse. Man hatte anfangs einige Schwierigkeiten, von den misstrauischen Briten eine Reiseerlaubnis in Indien zu erhalten und man musste auch mehrere Wochen auf eine Genehmigung der Regierung in Tibet warten, die dann unter Auflagen erteilt wurde.[4] Von der Expedition entstand der Dokumentarfilm Geheimnis Tibet, der 1943 uraufgeführt wurde.

Das Hauptziel der Expedition waren das Sammeln ethnographischer, zoologischer und botanischer Exemplare. Sie brachten über 3000 Vogelbälge und 2000 Vogeleier zurück, die heute im Naturkundemuseum in Berlin sind. Außerdem sammelten sie rund 7000 Samen (heute im Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben), 400 Schädel und Felle von Säugetieren, Reptilien, Amphibien, zahlreiche Insekten, Mineralien, machten 40.000 Schwarz-Weiß-Fotos, drehten 17500 Filmmeter und brachten zahlreiche völkerkundliche Objekte zurück nach Berlin.[5] Sie kartierten und führten geomagnetische Messungen aus. Mitglieder der Expedition waren neben Schäfer der Geophysiker Karl Wienert, der Anthropologe Bruno Beger, der Entomologe, Fotograf und Kameramann Ernst Krause und der technische Leiter und Karawanenführer Edmund Geer.

Über seine Tibet-Expeditionen verfasste er u. a. die Trilogie Unter Räubern im Tibet, Das Fest der weißen Schleier und Über den Himalaja ins Land der Götter. Bei einer für 1940/41 geplanten Expedition wollte Schäfer von Tibet aus im von den Engländern beherrschten Indien Unruhen stiften.[6] Die Expedition kam aber nicht zustande.

Zweiter Weltkrieg

Ab 1943 leitete Schäfer das von ihm gegründete „Sven Hedin-Reichsinstitut für Innerasien und Expeditionen“ in München, das in enger Verbindung zum SS-Ahnenerbe stand. Bald darauf zog er im August 1943 mit seinem Institut auf Schloss Mittersill. Neben seinen alten Mitarbeitern stieß unter anderem der Ornithologe Günther Niethammer dazu. Eine erhoffte Zusammenarbeit mit Schweden – schließlich war sein Institut nach Sven Hedin benannt – kam nicht zustande. Bei einem Besuch im KZ Auschwitz im Juni 1943 hatte Beger nur vier innerasiatische Kriegsgefangene vorgefunden, worauf Schäfer ihm am 24. Juni schrieb: „Fein, dass Du auch mongolische Typen für uns herausgreifen konntest“.[7] In Auschwitz hatte Beger 86 jüdische Häftlinge selektiert, die ins KZ Natzweiler-Struthof verschleppt und dort vergast wurden. Ihre Leichen wurden in die Anatomie der Reichsuniversität Straßburg verbracht und dort im November 1944 als sogenannte „Straßburger Schädelsammlung“ von den Alliierten vorgefunden.

Schäfer war bereits 1933 der SS beigetreten. In dieser wurde er 1933 zum Untersturmführer und 1942 zum SS-Sturmbannführer ernannt. Organisatorisch wurde Schäfer in der SS keiner Gliederung zugeteilt, sondern listenmäßig im Persönlichen Stab des SS-Chefs Himmler geführt.[8] Ebenso gehörte er dem Freundeskreis Reichsführer SS an.[8] Im Winter 1939/1940 begleitete Schäfer Himmler als Klimaexperten zusammen mit weiteren ausgewählten Forschern und SS-Funktionären (Globocnik, Lorenz, Hoffmann, Krüger) auf einer Reise nach Polen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr er von Mitgliedern von Himmlers Stab von Massenmorden an Angehörigen der polnischen Intelligenz durch die SS (AB-Aktion).

Für 1943 war eine große Kaukasus-Expedition geplant (Sonderkommando K), was allerdings durch die Niederlage bei Stalingrad verhindert wurde.[9] Der geplante Umfang zeigte, wie hoch Schäfer in der Gunst Himmlers stand. April 1943 fand eine Abgrenzung der Geisteswissenschaften (geleitet von Walther Wüst) und Naturwissenschaften (geleitet von Schäfer) im Ahnenerbe statt.[10]

Noch 1945 wurde er von Heinrich Himmler mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet.[8] Nach dem Zweiten Weltkrieg behauptete Schäfer, nur widerwillig in der SS gewesen zu sein.

Nachkriegszeit

Im Juli 1945 wurde Schäfer in München verhaftet und anschließend von der alliierten Militärregierung interniert. In den folgenden Jahren wurde er wiederholt im Zuge der Nürnberger Prozesse als Zeuge verhört. 1949 wurde er Professor an der Universidad Central de Venezuela in Caracas in Venezuela, wo er bis 1954 blieb. Dort baute er die biologische Forschungsstation im Nationalpark Henri Pittier (damals Rancho Grande) auf und ein zugehöriges Museum. Er war dort mit seiner Familie, und nach seinem Tod veröffentlichte seine Frau Ursula Bücher über den Nationalpark und seine Vogelwelt (rund 500 Vogelarten). Dort lernte er auch den abgedankten belgischen König Leopold III.[8] und seine Frau kennen, die im Nationalpark die Forschungsstation besuchten. Der König lud ihn 1954 ein, als wissenschaftlicher (und jagdlicher) Berater zu fungieren. Schäfer schlug für die Weltausstellung 1958 in Brüssel einen Tierfilm über Belgisch-Kongo und eine Expedition dorthin vor, die unter internationaler Beteiligung stattfand. Dort entstand zusammen mit Heinz Sielmann der 1959 erschienene Film Herrscher des Urwalds über Berggorillas.[8]

Von 1960 bis 1970 war er Oberkustos der Abteilung Naturkunde im Niedersächsischen Landesmuseum. Ende November 1963 trat er eine dreieinhalbmonatige Sammelreise (naturkundliche und ethnographische Objekte) nach Indien im Auftrag des Landesmuseums an. Er reiste über Madras, Kerala, Mysore nach Dharamsala im Norden Indiens, wo zahlreiche Exiltibeter und der Dalai Lama, die von den Chinesen nach dem tibetischen Aufstand 1959 vertrieben wurden, lebten. Er erneuerte seine Kontakte und erwarb zahlreiche ethnographische Sammelstücke, die er nach seiner Rückkehr 1965 in einer Sonderausstellung im Landesmuseum zeigte. Nach seiner Zeit als Kustos lebte und arbeitete er bis 1987 in Göhr bei Schnega.[11] Zuletzt lebte er mit seiner Frau in Bad Bevensen. Er schrieb auch für die Jagdzeitschrift Wild und Hund im Paul Parey Zeitschriftenverlag.

Sonstiges

Das von ihm bei der Expedition 1934 entdeckte Zwergblauschaf trägt den wissenschaftlichen Namen Pseudois schaeferi.

1937 verlor er seine erste Frau durch einen Jagdunfall.[12]

Veröffentlichungen

  • Berge, Buddhas und Bären, Verlag Paul Parey, Berlin 1933. (in einer Auflage)
  • Unbekanntes Tibet, Verlag Paul Parey, Berlin 1938. (in mehreren Auflagen)
  • Dach der Erde, Verlag Paul Parey, Berlin 1938. (in mehreren Auflagen)
  • Ornithologische Ergebnisse zweier Forschungsreisen nach Tibet, Berlin 1939 (Dissertation; später nachgedruckt als: Journal für Ornithologie, 86. Jg. (1938), Sonderheft, Kommissionsverlag R. Friedländer&Sohn, Berlin).
  • Tibet ruft, Verlag Paul Parey, Berlin 1942. (in mehreren Auflagen)
  • Geheimnis Tibet, Verlag F Bruckmann/München 1943.
  • Unter Räubern im Tibet. Gefahren und Freuden eines Forscherlebens, Braunschweig 1952, München: Goldmann 1954
  • Das Fest der weißen Schleier. Eine Forscherfahrt durch Tibet, nach Lhasa, der heiligen Stadt des Gottkönigtums, Vieweg 1950
  • Über den Himalaja ins Land der Götter. Auf Forscherfahrt von Indien nach Tibet, Braunschweig, Vieweg 1950
  • Auf einsamen Wechseln und Wegen. Jagd und Forschung in drei Erdteilen, Verlag Paul Parey, Berlin 1961
  • Die Vogelwelt Venezuelas und ihre ökologischen Bedingungen, 4 Bände, Wirtemberg Verlag, ab 1996

Literatur und Medien

Weblinks

Allgemein:

 Commons: Ernst Schäfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zu Schäfers Tibetreisen:

Einzelnachweise

  1. Dessen Vater war Industrieller aus Philadelphia. Dolan reiste 1942 noch einmal im Auftrag des Office of Strategic Services nach Tibet mit Ilia Tolstoy und traf dort den jungen Tenzin Gyatso, den späteren Dalai Lama. Er starb auf seiner Reise in Tibet.
  2. Der Spiegel 2017, Nr. 13, S. 107. Nach dem Buch von Peter Meier-Hüsing
  3. Der Spiegel 2017, Nr. 13, S. 108
  4. Der Spiegel, 2017, Nr. 13, S. 108. Wissenschaftliches Gerät sollte zurückbleiben, und es sollten keine Vögel und Tiere getötet werden, was die Expedition später vollkommen ignorierte.
  5. Der Spiegel, 2017, Nr. 13, S. 106, 109
  6. Fritz Grobba, Männer und Mächte im Orient. 25 Jahre Diplomat. Tätigkeit im Orient, Göttingen: Musterschmidt, 1967, S. 188f
  7. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 523.
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 523.
  9. Michael Kater, Das Ahnenerbe, S. 214
  10. Michael Kater, Das Ahnenerbe, S. 465
  11. Wendland-Lexikon, Band 2, Lüchow 2008, S. 345.
  12. Der Spiegel 2017, Nr. 13, S. 109. Beim Straucheln in einem Kahn bei der Entenjagd löste sich ein Schuß, der seine Frau im Kopf traf.
  13. Rezension von Christoph Horst, Rubrik "Dichtung und Wahrheit", Konkret, 10, Oktober 2017, S. 38
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