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Xenotransplantation

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Athymische Maus mit implantierten humanem Prostatakarzinom (LNCaP-Zelllinie).

Bei einer Xenotransplantation (altgriechisch ξένος, xénos: „Fremder, Fremdes, fremd“) handelt es sich um die Übertragung von lebens- und funktionstüchtigen Zellen oder Zellverbänden (einschließlich ganzer Organe oder Körperteile) zwischen verschiedenen Spezies.

Hiervon ist die Allotransplantation abzugrenzen, bei der die Übertragung zwischen genetisch verschiedenen Individuen derselben Spezies durchgeführt wird.

Wegen der nur begrenzten Verfügbarkeit von Spenderorganen für die Allotransplantation verspricht die Xenotransplantation eine mögliche Alternative zu werden. Herzklappen von Schweinen werden schon heute als mögliche Alternative zu mechanischen verwendet. Dabei werden die Herzklappen jedoch so bearbeitet, dass sie kein Antigen an der Oberfläche tragen, das als fremd erkannt werden könnte. Im Januar 2022 wurde erstmals an einem Menschen die Xenotransplantation eines vollständigen, genetisch modifizierten Schweineherzens durchgeführt.[1]

Obwohl Primaten dem Menschen viel näher verwandt sind, werden heute Schweine als die vielversprechendste Möglichkeit für Organtransplantationen betrachtet. Schweineorgane sind physiologisch besser geeignet, den Anforderungen an den menschlichen Körper zu genügen. Die erste Herz-Xenotransplantation an einem Menschen mit einem Schimpansenherzen zeigte, dass das Herz zu klein war, um die Blutzirkulation aufrechtzuerhalten (Hardy, Mississippi 1964). Schweineherzen dagegen haben eine ausreichende Funktion der linken Herzkammer, um einen Menschen am Leben zu erhalten und sind zudem noch klein genug, um in den Thorax zu passen.[2]

Mechanismen der Abstoßungsreaktion

Die Abstoßungsreaktion kann grob in vier verschiedene Zeitabschnitte eingeteilt werden:[3]

  1. HAR
  2. AVR
  3. AHXR
  4. chronische Abstoßung

Hyperakute Abstoßung (HAR – hyperacute rejection)

Die erste Stufe der Abstoßungsreaktion erfolgt schon innerhalb der ersten 24 Stunden. Hier richten sich schon gebildete Antikörper gegen die Endothelzellen des Implantats. Durch die Anlagerung von diesen IgG-Antikörpern kommt es zu Komplementaktivierung, Schwellung des Endothels und mikrovaskulärer Thrombose.

Die hier zum Tragen kommenden Antikörper richten sich gegen die Galα1, 3Galβ1, 4GlcNAc (αGal) Kohlenhydratseitenketten der Endothelzellen des Schweines. Diese Seitenketten befinden sich auf den Endothelzellen von nicht-primaten Säugetieren als auch Neuweltaffen und sind nicht vorhanden beim Menschen und Altweltaffen. Durch natürliche Infektionen des Gastrointestinaltraktes mit αGal exprimierenden Mikroorganismen bildet der menschliche Körper schon sehr früh Antikörper gegen diese Kohlenhydrate. Um diese Art der Abstoßung abzuwenden, gelang es 2002 ein sogenanntes k. o.-Schwein (αGal -/-) für dieses Kohlenhydrat zu generieren, mit dem die nächsten Phasen der Abstoßung erreicht werden konnten.

Akute Gefäßabstoßung (AVR – acute vascular rejection)

Dieser Abschnitt der Abstoßung, der innerhalb von ein paar Tagen eintritt, ist ähnlich der HAR, jedoch sind hier noch Zellen des angeborenen Immunsystems involviert, wie NK-Zellen, Makrophagen und Neutrophile Granulozyten.

Akute humorale Xenotransplantatabstoßung (AHXR – acute humoral xenograft rejection)

In dieser Phase werden neue Antikörper gegen das Xenotransplantat gebildet, die sich nicht gegen αGal richten. Auch hier wird sowohl Komplement aktiviert, als auch das Blutgerinnungssystem.

Chronische Abstoßung

In der letzten experimentell erreichten Phase der Xenotransplantation kommt es zur Entwicklung einer Thrombotischen Mikroangiopathie.

Beachtliche Fortschritte wurden durch die Entfernung von Antikörpern aus dem Empfängerblut, z. B. durch Immunadsorption[4][5][6] durch die Verwendung von transgenen Schweineherzen, die humane Komplement-Inhibitoren wie hDAF (CD55[7][8]) aber auch CD46 exprimierten und keine Gal-Zucker-Epitope auf den Zelloberflächen besitzen, sog. GalKO-Tiere mit zusätzlicher Verwendung spezieller Immunsuppressiva-Kombinationen erzielt. Diese betrugen die Schweineherztransplantationen sowohl in lebenserhaltenden Modellen nach orthotoper Herztransplantation bis 58 Tage,[9] nach heterotop-thorakaler xenogener Herztransplantation bis zu 50 Tage[10][11] und im nicht-lebenserhaltenden abdominellen Modell mit Kostimulationsblockade durch CD40-Antikörper bis über zwei Jahre, wodurch sich möglicherweise ein Durchbruch anbahnt.[12][13] Voraussetzung für einen klinischen Einsatz ist die Durchführung orthotoper oder heterotop-thorakaler xenogener Herztransplantationen im präklinischen Versuch mit dem Ziel eines Langzeitüberlebens von 90 Tagen.

Gefahren und ethische Bedenken

Die größte Befürchtung bei der Anwendung von Xenotransplantaten ist das Risiko des Übertragens von tierischen Pathogenen auf den Wirt und auf die gesamte Menschheit.

Schweine können beispielsweise mit Hepatitis-E-Viren, Schweine-Cytomegalieviren und Schweine-Circoviren infiziert sein. Daneben tragen sie in ihrem Genom aber auch Schweine-Retroviren (PERV – porcine endogenous retrovirus), zwischen 3 und 140 Sequenzen je nach Rasse, die sich teilweise aktiv replizieren und auch rekombinieren können und übertragen werden können. Von den Typen PERV-A und PERV-B ist bekannt, dass sie im Laborversuch auch menschliche Zelllinien infizieren können. Daher besteht bei Xenotransplantationen von Schweinen ein Sicherheitsrisiko. Jedoch konnten 2017 erstmals Schweine gezüchtet werden, nachdem aus ihrem Genom mittels CRISPR-Cas alle 25 PERV-Sequenzen entfernt wurden.[14]

Es gibt auch ethische Bedenken bei der Xenotransplantation, da hierbei eine Chimäre gebildet wird, die lebende Zellen von zwei verschiedenen Spezies enthält.[15]

Im Judentum wird der Verzehr von Schweinefleisch aufgrund des biblischen Nahrungstabus im 3. Buch Mose abgelehnt 3 Mos 11,3-7 EU. Auch für Muslime gilt ein solches Verbot, das im Koran festgeschrieben ist. Im Christentum wurde hingegen der Verzicht auf den Genuss von Schweinefleisch schon vom Apostel Paulus als Undankbarkeit gegen die Gaben Gottes angesehen (1 Tim 4,1–5 EU). Im Zusammenhang mit den rituellen Speiseverboten wurde auch die Frage der Vertretbarkeit der Transplantation von Schweineorganen in den menschlichen Patienten erörtert.

Das Judentum kennt keine allgemeingültige Auslegung der Halacha. Insbesondere ultraorthodoxe Juden tendieren zu einer sehr strengen Auslegung der jüdischen Speisegesetze und zu ihrer Anwendung auf Xenotransplantationen. Auch die Kilayim, das biblische Verbot der Kreuzung von Tieren und des Zusammenspannens verschiedener Tierarten vor einen Pflug, ist von Bedeutung. Für alle Glaubensrichtungen steht jedoch das Pikuach Nefesch über allen anderen Rechtsvorschriften, die bei der Rettung eines Menschenlebens im gebotenen Umfang missachtet werden dürfen. Das Judentum bejaht also die Zulässigkeit von Xenotransplantationen der Organe von Schweinen, wenn nur dadurch das Leben eines Patienten gerettet oder verlängert werden kann.[16] In vielen islamischen Gesellschaften ist die Verwendung der Organe von Schweinen, beispielsweise Herzklappen, nicht erlaubt. Dem steht die Auffassung mehrerer islamischer Gelehrter entgegen, die die Nutzung der Organe von Schweinen erlauben, weil die Patienten ohne diese Transplantate sterben würden.[17] Auf dem "XVIII International Congress of the Transplantation Society" in Rom 2000 hat Papst Johannes Paul II., unter Berufung auf eine Rede seines Vorgängers Pius XII. im Mai 1956, dem Gebrauch von Schweinen als Organspender zugestimmt: im Prinzip […] sind Xenotransplantationen zulässig, wenn das verpflanzte Organ die Integrität der psychologischen oder genetischen Identität des Empfängers nicht beeinträchtigt; ferner muss nachweislich die biologische Möglichkeit bestehen, dass die Transplantation erfolgreich verlaufen und der Organempfänger keiner übermäßigen Gefahr ausgesetzt sein wird.[18]

Die Xenotransplantation von menschlichem Gewebe, wie beispielsweise Tumorzellen, auf Versuchstiere – insbesondere Nacktmäuse – (sogenannte Xenografts) ist seit 1972 ein in der präklinischen Forschung etabliertes Verfahren.

Anwendung beim Menschen

Am 25. September 2021 wurde am Transplantations-Institut der New York University die Niere eines gentechnisch veränderten Schweins für 54 Stunden an eine hirntote Patientin angeschlossen.[19] Bei der Operation wurde der Thymus des Schweins zuvor mit dessen Niere verbunden, um die Abstoßungsreaktion durch den menschlichen Körper zu reduzieren.[20]

Am 7. Januar 2022 wurde dem US-Amerikaner David Bennett erstmals ein genetisch modifiziertes Schweineherz erfolgreich transplantiert.[21][22]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Xenotransplantation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Transplantation in den USA: Schweineherz im Menschen. In: taz.de. 11. Januar 2022, abgerufen am 11. Januar 2022.
  2. J. S. Allan, G. A. Rose, J. K. Choo u. a.: Morphometric analysis of miniature swine hearts as potential human xenografts. In: Xenotransplantation. 8, 2001, S. 90–93. PMID 11328578
  3. B. Sprangers, M. Waer, A. D. Billiau: Xenotransplantation: where are we in 2008? In: Kidney International. Band 74, Nummer 1, Juli 2008, S. 14–21, doi:10.1038/ki.2008.135. PMID 18418354. (Review).
  4. P. Brenner, H. Reichenspurner, M. Schmoeckel, C. Wimmer, A. Rucker, V. Eder, B. Meiser, M. Hinz, T. Felbinger, J. Müller-Höcker, C. Hammer, B. Reichart: IG-therasorb immunoapheresis in orthotopic xenotransplantation of baboons with landrace pig hearts. In: Transplantation. Band 69, Nummer 2, Januar 2000, S. 208–214. PMID 10670628.
  5. P. Brenner, H. Reichenspurner, M. Schmoeckel, C. Wimmer, A. Rucker, V. Eder, B. Meiser, M. Hinz, T. Felbinger, C. Hammer, B. Reichart: Prevention of hyperacute xenograft rejection in orthotopic xenotransplantation of pig hearts into baboons using immunoadsorption of antibodies and complement factors. In: Transpl Int. 13 Suppl 1, 2000, S. S508–S517.
  6. P. Brenner, M. Hinz, H. Huber, M. Schmoeckel, H. Reichenspurner, B. Meiser, C. Hammer, B. Reichart: The influence of antibody and complement removal with a Ig-Therasorb column in a xenogeneic working heart model. In: Eur J Cardiothorac Surg. 15(5), May 1999, S. 672–679.
  7. P. Brenner, M. Schmoeckel, C. Wimmer, A. Rucker, V. Eder, S. Uchita, U. Brandl, M. Hinz, T. Felbinger, B. Meiser, C. Hammer, H. Reichenspurner, B. Reichart: Combination of hDAF-transgenic pig hearts and immunoadsorption in heterotopic xenotransplantation of immunosuppressed baboons. In: Transplant Proc. 37(1), Jan-Feb 2005, S. 483–486.
  8. P. Brenner, M. Schmoeckel, C. Wimmer, V. Eder, A. Rucker, T. Felbinger, S. Uchita, M. Hinz, U. Brandl, B. Meiser, H. Reichenspurner, C. Hammer, B. Reichart: Mean xenograft survival of 14.6 days in a small group of hDAF-transgenic pig hearts transplanted orthotopically into baboons. In: Transplant Proc. 37(1), Jan-Feb 2005, S. 472–476.
  9. C. G. McGregor, W. R. Davies, K. Oi, H. D. Tazelaar, R. C. Walker, K. Chandrasekaran u. a.: Recovery of cardiac function after pig-to-primate orthotopic heart transplant. In: Am J Transplant. (suppl2), 2008, S. 205.
  10. A. Bauer, J. Postrach, M. Thormann, S. Blanck, C. Faber, B. Wintersperger, S. Michel, J. M. Abicht, F. Christ, C. Schmitz, M. Schmoeckel, B. Reichart, P. Brenner: First experience with heterotopic thoracic pig-to-baboon cardiac xenotransplantation. In: Xenotransplantation. 17(3), May-Jun 2010, S. 243–249. doi:10.1111/j.1399-3089.2010.00587.x.
  11. B. Reichart, S. Guethoff, T. Mayr, M. Thormann, S. Buchholz, J. Postrach, D. Ayares, R. B. Elliott, P. Tan, A. Kind, C. Hagl, P. Brenner, J. M. Abicht: Discordant cardiac xenotransplantation: broadening the horizons. In: Eur J Cardiothorac Surg. 45(1), Jan 2014, S. 1–5. doi:10.1093/ejcts/ezt483.
  12. M. Mohiuddin, P. Corcoran, A. Singh, R. Hoyt, M. Thomas, M. Eckhaus, D. Ayares, K. Horvath: Absence of thrombotic complication is a major advantage of murine anti CD40 over anti CD154 in heterotopic cardiac xenotransplantation studies. Abstract Joint Congress IXA 2011.
  13. M. M. Mohiuddin, P. C. Corcoran, A. K. Singh, A. Azimzadeh, R. F. Hoyt, Jr., M. L. Thomas, M. A. Eckhaus, C. Seavey, D. Ayares, R. N. Pierson, K. A. Horvath: B-Cell Depletion Extends the Survival of GTKO.hCD46Tg Pig Heart Xenografts in Baboons for up to 8 Months. In: American journal of Transplantation. 2011.
  14. Joachim Denner: Paving the path toward procine Organs for transplantation New England Journal of Medicine 2017, Band 377, Ausgabe 19 vom 9. November 2017, Seiten 1891–1893, DOI:10.1056/NEJMcibr1710853
  15. J. F. George: Xenotransplantation: an ethical dilemma. In: Current opinion in cardiology. Band 21, Nummer 2, März 2006, S. 138–141. doi:10.1097/01.hco.0000203183.81534.f9. PMID 16470151. (Review).
  16. Richard Mathieu: Jewish ethics and xenotransplantation. In: Xenotransplantation, 2016, 23 (4), S. 258–268, DOI:10.1111/xen.12247
  17. John D. Loike und Alan Kadish: Ethical rejections of xenotransplantation? The potential and challenges of using human-pig chimeras to create organs for transplantation. In: EMBO Reports, August 2018, DOI: 10.15252/embr.201846337.
  18. Ansprache von Johannes Paul II. an den Internationalen Kongress für Organverpflanzung, 29. August 2000.
  19. Organspende vom Schwein – Bilanz eines umstrittenen Experimentes. Deutschlandfunk, 28. Oktober 2021, abgerufen am 3. November 2021.
  20. Progress in Xenotransplantation Opens Door to New Supply of Critically Needed Organs. NYU Langone Health, 21. Oktober 2021, abgerufen am 3. November 2021 (english).
  21. Transplantations-Hoffnung — Erstmals einem Patienten erfolgreich Schweineherz eingesetzt. In: srf.ch. 11. Januar 2022, abgerufen am 11. Januar 2022.
  22. Schweineherz : Transplantation gibt neue Hoffnung orf.at, 11. Januar 2022, abgerufen 12. Januar 2022.
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