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Wolfgang Welsch (Fluchthelfer)

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Wolfgang Welsch im April 2010 in Trier

Wolfgang Welsch (* 5. März 1944 in Berlin) ist ein deutscher Publizist, Politologe und war politischer Gefangener in der DDR und anschließend Fluchthelfer für aus der DDR Flüchtende. 1981 überlebte der ehemalige DDR-Dissident, mittlerweile in Westdeutschland lebend, nur knapp mehrere Mordanschläge von Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit.

Leben

Welsch wuchs in einem bürgerlich-christlichen Elternhaus in Ost-Berlin auf. Während der Schulzeit nahm er Schauspielunterricht und arbeitete u.a. mit Wolf Biermann am Berliner Arbeiter-Theater(bat). Nach Abitur und Abschluss einer Schauspielausbildung bei Marie Borchardt bekam er Engagements bei der DEFA und dem Deutschen Theater, sowie einen Förderungsvertrag beim Deutschen Fernsehfunk.

Widerstandskämpfer in der DDR

Nach einem vergeblichen Fluchtversuch aus der DDR bei Boizenburg am 22. Mai 1964 wurde Wolfgang Welsch zu zwei Jahren Haft verurteilt und verbüßte diese im Stasi-Gefängnis Berlin-Pankow, im Gefängnis Bautzen und im Zuchthaus Brandenburg. Dort wurde er durch Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit, dann in Bautzen durch andere Häftlinge misshandelt. Auf Initiative des Anwaltes Wolfgang Vogel wurde Welsch 1966 vorzeitig aus der Haft entlassen. Das Angebot, in die Bundesrepublik ausreisen zu können, lehnte er ab, weil er einen Film über seine Erfahrungen und das System DDR plante.

Er begann eine Arbeit als Assistent bei der DEFA und parallel dazu mit zwei Freunden Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm gegen das SED-Regime. Er nutzte hierzu eigene Aufzeichnungen aus seiner Haftzeit, die er durch seine Mutter aus dem Gefängnis schmuggeln konnte. Nach Verrat wurde Welsch erneut verhaftet. Da das Ministerium für Staatssicherheit noch nicht erfahren hatte, dass er mit den Dreharbeiten begonnen hatte, wurde Welsch lediglich wegen Vorbereitungen eines „Hetz-Films“ verurteilt. Das Urteil lautete fünf Jahre Haft wegen Hochverrates.

Nach seiner zweiten Verhaftung kam es nach seinen eigenen Angaben neben Folterung auch zu Isolationshaft und zu einer Scheinhinrichtung, um den Gefangenen geständig zu machen. Zudem habe er acht Tage und Nächte nur mit Unterwäsche bekleidet in einer „Eiszelle“ bei Frostgraden überlebt. Im Gerichtssaal warf Welsch nach der Urteilsverkündung dem Staatsanwalt Methoden aus dem Dritten Reich vor, die aus einem DDR-Bürger, der nicht mehr in der DDR leben wollte, einen widerständigen Staatsfeind gemacht hatten.

Im Jahre 1971 zählte Welsch zu den politischen Häftlingen, die auf Initiative von Willy Brandt freigekauft wurden. Er studierte an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Politikwissenschaft und Soziologie und promovierte 1977 in England mit einer Dissertation über das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).[1] Titel der Dissertation ist „Arbeitsweise, Aufgabenstellung und Zielsetzung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR“, Helge Pross war Doktormutter.[2]

Fluchthilfe und versuchte Ermordung

Zugleich begann Welsch mit dem Aufbau einer Fluchthelferorganisation, die etwa 200 Menschen bei der Flucht aus der DDR half. Dabei legte er Wert darauf, möglichst Personen mit hoch qualifizierten Berufen wie Ärzte, Wissenschaftler u.ä. auszuschleusen, um so der DDR gleichzeitig einen möglichst hohen Schaden zuzufügen.[3] Durch seine Fluchthilfeaktivitäten geriet er erneut in das Visier des MfS. Es folgten Mordanschläge auf Welsch, die von Erich Mielke angeordnet worden waren.

Zuerst wurde eine Bombe in seinem Auto in Westdeutschland platziert. Nach Fehlschlagen dieses Versuchs lockte ihn sein mittlerweile guter Freund Peter Haack, der vom MfS eigens auf Welsch angesetzt worden war, nach England, wo ein Scharfschütze während einer Autobahnfahrt auf ihn schoss. Welsch beugte sich jedoch in diesem Moment nach unten, um seine hinuntergefallene Pfeife aufzuheben, wodurch ihn die Gewehrkugel knapp verfehlte.[4] Es existiert ein Foto, auf dem Welsch mit Haack anschließend ratlos vor der völlig zersplitterten Frontscheibe ihres Lieferwagens steht.

Schließlich sollte Haack bei einem gemeinsamen Israel-Urlaub 1981 mit Welschs Familie diese mit Thallium umbringen, einem seltenen, geschmacks- und geruchlosen Gift. Er verabreichte es in einer mehrfach tödlichen Dosis in selbstgemachten Frikadellen beim gemeinsamen Essen beim Campen. Welschs Tochter aß kaum etwas, seine Frau übergab sich am selben Abend ausgiebig und blieb deshalb unversehrt.[4] Welsch überlebte nur knapp nach einer monatelangen Phase extremer Schmerzen, die charakteristisch für eine Thallium-Vergiftung sind. Westdeutsche Toxikologen hielten ihn nach vergeblicher Suche nach der Ursache zunächst für einen Simulanten und schickten ihn schließlich nach Hause. Sie erkannten die Vergiftung erst bei einer nachträglichen Laboruntersuchung. Haack verschwand nach diesem Ereignis. Er schickte noch eine mit krakeliger Schrift geschriebene Postkarte aus Argentinien, auf der stand, dass es ihm schlecht gehe. Erst nach dem Mauerfall fand Welsch durch seine Stasi-Akte die Wahrheit über seinen vermeintlichen Freund heraus und dass dieser mittlerweile unter falschem Namen in Westdeutschland lebte.

Dass Stasi-Mitarbeiter tatsächlich im Westen Tötungspläne erfolgreich umsetzten, beweist der Fall des Bernd Moldenhauer, in dem - wie in Welschs Falls - ein enger Vertrauter des Opfers im Auftrag der Stasi zum Mörder wurde.

Welschs Ehefrau, die ihm bei seinen Fluchthilfe-Aktivitäten half, machte nach ihrer Verhaftung bei einer Fluchthilfe-Aktion gegenüber bulgarischen Behörden weitgehende Aussagen und verriet wichtige Details und Namen.

Nach dem Mauerfall

Welsch setzte im Jahre 1990, kurz nach dem Fall der Mauer, die Strafverfolgung durch. Sein angeblicher Freund Haack wurde als Giftattentäter überführt und 1994 wegen Mordversuchs zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dessen Führungsoffizier beim MfS/SSD, Generalmajor Heinz Fiedler, erhängte sich am 15. Dezember 1993 in der Untersuchungshaft im Gefängnis in Moabit, wodurch die eigentlichen Befehlsgeber – darunter MfS-Minister Erich Mielke – mangels des Hauptzeugen nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden konnten.

Wegen Morddrohungen ging Welsch von 1992 bis 1994 ins Ausland, unter anderem nach Costa Rica. Wolfgang Welsch lebt als freier Autor und Publizist in Sinsheim.

Welschs Buch Ich war Staatsfeind Nr. 1 wurde 2004 unter dem Titel Der Stich des Skorpion unter der Regie von Stephan Wagner verfilmt. Das Buch geriet allerdings auch in Kritik: Teilweise sei der Umgang mit nicht unwichtigen Details eher lax, beziehungsweise die von ihm geschilderten Geschehnisse könnten sich so nicht abgespielt haben oder seien zumindest sehr unwahrscheinlich.[5][6] Allerdings hatte Welsch ähnlich kritische Aussagen von Journalisten nach eigenen Angaben in seinem Buch auch kurz nach der Wende gehört, als er die Geschichte des oben beschriebenen Giftanschlags auf sich publik machen wollte. So hätten ihn etwa Journalisten des Spiegel als unglaubwürdig und als Phantasten bezeichnet, denn die Stasi hätte so etwas nicht getan.

Veröffentlichungen

Literatur

  • Paul Gerhard Klussmann & Frank Hoffmann (Hrsg.): Die Opfer der SED-Diktatur. Ohnmacht und Protest. Institut für Deutschlandforschung der Ruhr-Universität Bochum, 1998, ISBN 3-93422-700-7 (Dokumentation eines Kolloquiums mit Welsch als Teilnehmer)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.ddr-zeitzeuge.de/ddr-zeitzeugen-recherchieren/ddr-zeitzeuge/dr-wolfgang-welsch-69.html
  2. http://www.wolfgang-welsch.com/rts/index.php?option=com_content&view=article&id=47&Itemid=53
  3. Klaus Marxen, Gerhard Werle: Strafjustiz und DDR-Unrecht. Band 6, De Gruyter Recht, Berlin 2006, ISBN 978-3-89949-344-3, S. 224.
  4. 4,0 4,1 Bayern3: Wolfgang Welsch, DDR-Staatsfeind Nr. 1. 5. November 2009, abgerufen am 25. November 2009.
  5. Mit Glaubwürdigkeitsproblemen – Der gelernte Schauspieler als Selbstdarsteller Rezension von Detlef Kühn in der FAZ, 21. Mai 2001
  6. Stasifeind Nr. 1 Rezension von Joachim Nawrocki in der Zeit, Nr. 34/2001
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Wolfgang Welsch (Fluchthelfer) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.