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Wirtschaftskrieg

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Als Wirtschaftskrieg wird umgangssprachlich eine intensive, mit ökonomischen Instrumenten geführte Auseinandersetzung zwischen Unternehmen, verschiedener oder gleicher Staaten bezeichnet, wobei neben ökonomischen oft auch juristische, politische und/oder geheimdienstliche Instrumente Verwendung finden. Der Wirtschaftskrieg ist zu unterscheiden von einem aus wirtschaftlichen Motiven geführten militärischen Krieg (siehe Handelskrieg); er kann ein ergänzendes Element der Kriegsführung eines Staates sein.

Der Historiker Sönke Neitzel verwendet eine sehr weit gefasste Definition von Wirtschaftskriegen als

„Konflikte, die im Wesentlichen mit wirtschaftlichen Mitteln ausgetragen werden, auf die Wirtschaft zielen oder deren Ausgang von ökonomischen Faktoren dominiert wird. Wirtschaftskriege können somit Teil eines ‚heißen Krieges‘ sein, aber auch in Friedenszeiten ausgetragen werden […] Entscheidend ist, dass ökonomische Aspekte einen Krieg oder – in Friedenszeiten – den Charakter der bilateralen Beziehungen bestimmen.[1]

Historische Betrachtung

Frühe Wirtschaftskriege standen seit der Antike regelmäßig in Zusammenhang mit der Kolonialisierung fremder Länder und hatten vor allem das Ziel, fremde Ressourcen zu erobern ohne einen langwierigen bewaffneten Konflikt zu führen. Mit oftmals geringen militärischen Mitteln, jedoch weitreichenden einseitigen Handelsvereinbarungen konnten Rohstoffe und die Arbeitsleistung des kolonialisierten Landes im weiteren Verlauf oft ohne den Einsatz von Waffen ausgebeutet werden, da die einheimische Bevölkerung die Tragweite ihrer Zusagen zunächst nicht erkannte. Wurde die Ausbeutung bemerkt, hatte sich der aggressive Wirtschaftspartner bereits weitreichenden Einfluss auf Gesetzgebung und/oder Exekutive verschafft. Erst nach langen Verhandlungen und zahlreichen Kriegen wurden nahezu alle Kolonien im 20. Jahrhundert aufgegeben (siehe Entkolonialisierung).

Neuzeit

Im Zweiten Weltkrieg hatte sich deutlich gezeigt, wie wichtig bestimmte Rohstoffe für die Wirtschaft eines Landes sein können. Hitlers Eroberungsfeldzüge zielten auch darauf ab, sich den Zugriff auf Rohstofflagerstätten zu sichern und ihn seinen Gegnern zu verwehren. Zum Beispiel sicherte sich das Deutsche Reich

  • die Eisenerz-Lagerstätten bei Kiruna durch das Unternehmen Weserübung – die Besetzung der neutralen Staaten Dänemark und Norwegen im Mai 1940. Nach britischer Einschätzung hätte das Deutsche Reich ohne die kriegswirtschaftlich notwendigen skandinavischen Erze – Eisenerz und Stahlveredlungsmetalle – den Krieg nicht länger als zwölf Monate durchhalten können; und
  • die rumänischen Ploiești -Ölfelder (siehe auch Operation Tidal Wave).

Auch andere knappe Ressourcen – darunter auch Rohstoffe – galten in Deutschland als 'kriegswichtig'.

Das 'Unternehmen Weserübung' kam einer britischen Aktion, dem Plan R 4, knapp zuvor. Ziel dieser Aktion war es unter anderem, das Deutsche Reich von Kiruna abzuschneiden.

Nach Kriegsende begann bald der Kalte Krieg; die Wirtschaftsspionage als Mittel der strategischen Kriegsführung zwischen Nationen und Wirtschaftsunternehmen entwickelte sich weiter; begünstigt durch große Fortschritte der Nachrichtentechnik, der Filmtechnik und der Satellitentechnik.

Die russische Wirtschaft hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Schwierigkeiten, sich wieder auf 'Friedensproduktion’ umzustellen. Viele westliche Industriestaaten verkauften der Sowjetunion keine Dual Use-Güter, um ihr Rüstungspotential nicht zu unterstützen (siehe auch Exportbeschränkung). Östliche Geheimdienste versuchten, durch Wirtschaftsspionage im Westen an westliches Know-how zu gelangen und mit diesem die technologische Rückständigkeit des Comecon zu verringern.

Durch das gezielte Ausspähen von Staats- oder Geschäftsgeheimnissen mit Hilfe geheimdienstlicher Methoden wird hierbei versucht, bestimmte Schlüsselkompetenzen zu erlangen. Das Ziel der Schädigung bzw. Vernichtung des Konkurrenten oder Teilen der gegnerischen Volkswirtschaft steht hierbei im Vordergrund. Die erfolgreiche Vernichtung oder Verteidigung von Arbeitsplätzen sowie gewachsener Infrastruktur wird in diesem Zusammenhang von den kriegführenden Parteien ebenso als „Sieg“ oder „Niederlage“ gekennzeichnet, wie eine verlorene oder gewonnene Schlacht konventioneller Kriegsführung.

Möglichkeiten

Handelshemmnisse

Eine andere Form des Wirtschaftskrieges zwischen Nationen wird durch den Einsatz von Handelshemmnissen dargestellt. Werden Zölle, Importbestimmungen oder die Unterbrechung von Nachrichtenverbindungen zur Wirtschaftsblockade und Isolierung einer gesamten Volkswirtschaft verdichtet eingesetzt, kommt die Industrieproduktion, soweit vorhanden, zum Erliegen, die Versorgung der Bevölkerung wird schwieriger, ggf. können Gelder auf internationalen Konten nicht mehr disponiert werden und der private sowie gewerbliche Internetverkehr kommt zum Erliegen. Eine derart angegriffene Volkswirtschaft ist isoliert, mit der Folge einer einsetzenden Verarmung und einer extremen Schädigung der Binnenwirtschaft (Beispiel aus dem Jahr 2001: Somalia wurde auf Druck der USA vom Internet getrennt und sämtliche Auslandskonten der somalischen Bank Al Barakaat wurden eingefroren. Die Folge war, dass der Transfer von Geld ins Land behindert wurde, etwa von Somalis, die im Ausland arbeiteten und ihren Familien Geld schickten – siehe Weblinks)

Finanzkrieg

Ein Wirtschaftskrieg kann mit den Mitteln des Finanzmarktes geführt werden („financial warfare“). Da circa 80 Prozent des internationalen Handels und 90 Prozent aller Devisengeschäfte in amerikanischer Währung abgerechnet werden, kann die U.S.-Regierung Privatpersonen, Unternehmen oder ganze Wirtschaftssektoren gezielt ausschalten, den internationalen Handel eines Landes und seinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erschweren, indem sie die Verbindung der Banken zu SWIFT kappt beziehungsweise Kreditinstitute dazu zwingt, Überweisungen und Kreditkartenzahlungen lahmzulegen und ihre Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Ländern einzustellen. Auf diesem Wege sicherte eine Sonderabteilung des amerikanischen Finanzministeriums beispielsweise Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea, den Iran und Russland.[2]

Ferner kann die Staatsschuldenquote eines Landes durch internationale, die Gläubigerinteressen vertretende Institutionen gesteuert und dazu genutzt werden, die wirtschafts- und haushaltspolitische Souveränität einer nationalen Regierung zu beseitigen. Beispiel: Konditionierung der Geldversorgung Griechenlands durch die Euro-Gruppe, EZB und IWF.[3]

Internationale Finanzorganisationen instrumentalisieren währungs- und finanzpolitische Krisen zum technokratischen Umbau nationaler Wirtschaftssysteme nach dem chilenischen Modell der „Chicago Boys“.[4]

Militärische Einrichtungen

Spionageeinrichtungen, die zu Zeiten des Kalten Krieges gegen feindliche Staaten gerichtet wurden, können heute auch gegen Wirtschaftsunternehmen befreundeter Staaten eingesetzt werden, um Wirtschaftsspionage zu betreiben. Dan Smith, bis 1993 als Militärattaché an der Londoner Botschaft, betonte gegenüber der BBC, die NSA spioniere nicht im Auftrag einzelner US-Unternehmen. Es wurde allerdings zugegeben, dass die Ziele so breit ausgewählt seien, dass man „unvermeidlich“ auch Kommunikation aufzeichne, die militärisch nicht relevant sei. Im oberbayerischen Bad Aibling befand sich bis 2004 eine Echelon-Station, die zweitgrößte Abhöranlage der USA im Ausland. Mit diesem wohl weltweit größten elektronischen Überwachungssystem, bestehend aus 120 Horchposten, die rund um die Uhr Telekommunikationssatelliten und Mobilfunksender abhören sowie Untersee-Telefonkabel und Mailserver anzapfen, werden laut des ehemaligen NSA-Direktors William Studeman, in einer Stunde rund zwei Millionen Nachrichten mitgeschnitten. Die so gewonnenen Erkenntnisse können in Form von Patentanmeldungen gegen Wettbewerber verwendet werden oder zur Preisfindung nützlich sein.

Patentportfolio

Werden Schutzrechte im großen Stil dazu eingesetzt, einen Wettbewerber zur Aufgabe oder Fusion zu zwingen, verwendet das angreifende Unternehmen diese aggressiv. Vor allem kapitalstarke Unternehmen setzen zur gezielten Abschöpfung des Innovationspotentiales im Wettbewerb auch Patente ein, welche sie nicht selbst entwickelt haben, sondern aufkaufen (siehe auch: Patentportfolio).

Jüngstes Beispiel für diese Debatte zeigt die Diskussion zum Harmonisierungsentwurf der Europäischen Union für Software-Patente auf softwarebasierter Technologie. Obwohl es in Europa keine rechtliche Handhabe für derartige Patente gibt, haben internationale und europäische Unternehmen bereits vorsorglich ca. 30.000 derartige Softwarepatente erwirkt. Mit Inkrafttreten des Hamonisierungsbeschlusses in seiner von US-Unternehmen lancierten Fassung (JURI-Entwurf) würde schlagartig eine noch unübersehbare Anzahl von Computerprogrammen plötzlich patentrechtlich illegal.

Eine in die Zukunft gerichtete Frage im Zusammenhang betrifft die geplante Möglichkeit, mit Hilfe von Patenten das menschliche Erbgut handelbar zu machen. Die Aussicht mit Hilfe der Gentechnologie wirtschaftliche Interessen zur Monopolisierung von vitalen Versorgungsinteressen einer Volkswirtschaft im Gesundheitswesen zu verwenden, würde aller Erfahrung nach aufgrund der Beobachtung bedeutender Wirtschaftsteilnehmer nicht vordringlich zum Nutzen des Menschen eingesetzt werden, sondern zur Erlangung wirtschaftlicher Macht, auch als Waffe gegen Nationen und Unternehmen vor dem Hintergrund renditeorientierter Interessen von Aktionären und anderen Stakeholdern.

Feindliche Übernahme

Eine zwischen Unternehmen mögliche Form des Wirtschaftskrieges ist die Feindliche Übernahme, d. h. der breite Aufkauf von Aktien mit dem Ziel, auch gegen die ausdrückliche Ablehnung der angegriffenen Unternehmensleitung eine Kapitalmehrheit des Konkurrenten zu erlangen.

Parallelen zu konventioneller Kriegsführung

Die Umverteilung von Ressourcen wird im Wirtschaftskrieg geplant. Parallelen der Planung können sein:

  • strategische Planung kombinierter Maßnahmen mit Zeit- und Regionalbezug
  • hoher finanzieller Aufwand zur Ausspähung und Infiltration
  • kombinierter strategischer und operativer Einsatz der Waffen
  • Durchführung von Ablenkungsmanövern und Mehrfrontenkonflikten
  • Inkaufnahme von erheblichen Zerstörungen auf wirtschaftlicher Ebene

Siehe auch

Literatur

  • Paul Krugman: Der Mythos vom globalen Wirtschaftskrieg. Eine Abrechnung mit den Pop-Ökonomen. Campus, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-593-36147-7 (Essay-Sammlung).

Einzelnachweise

  1. Sönke Neitzel: Von Wirtschaftskriegen und der Wirtschaft im Kriege. in: Wolfram Dornik/Johannes Gießauf/Walter M.Iber (Hrsg.): Krieg und Wirtschaft. Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Studien Verlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2010 ISBN 978-3-7065-4949-3 S. 59–66, hier S. 50.
  2. Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz: „Die Superwaffe des Mr. Glaser. Wie amerikanische Finanzbeamte zu Wirtschaftskriegern werden“, in: DIE ZEIT 44/2014 vom 23. Oktober 2014 [1]
  3. „Juncker: Die Souveränität der Griechen wird eingeschränkt“, in: FOCUS Online, 3. Juli 2011 [2]
  4. Erhard Stackl: „Pinochets Geist geht um in Europa“ in: Der Standard, 22. Dezember 2011 [3]

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Wirtschaftskrieg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.