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Medienwirkungsforschung

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Die Medienwirkungsforschung befasst sich mit den Effekten, die Medien auf die Rezipienten (sowohl einzelne Personen als auch Gruppen und Gesellschaften) haben. Sie ist ein Teilgebiet der Medien- bzw. Kommunikationswissenschaft.

Frühe Medienwirkungsforschung

In Lehrbüchern und Übersichtswerken findet sich oft die Behauptung, zu Beginn der Medienwirkungsforschung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sei die Wissenschaft von sehr großer, zumeist negativer Medienwirkung ausgegangen. Diese Darstellung ist so jedoch nicht haltbar, differenzierte Wirkungsmodelle waren der Sozialwissenschaft damals bereits bekannt.[1] Gleichwohl spielten vereinfachte Wirkungsmodelle in manchen Studien durchaus eine Rolle.[2] Hypothesen über starke Medienwirkungen lagen in der Faszination begründet, die die neuen Medien Kino und Radio ausübten. Der große Erfolg von professioneller Werbung und politischer Propaganda (im Ersten Weltkrieg) verstärkten den Eindruck noch. Um die These der starken, tendenziell negativen Medienwirkung zu überprüfen, wurden in den Vereinigten Staaten die Payne Fund Studies durchgeführt, die den negativen Einfluss des Kinos vor allem auf junge Männer nachweisen sollten. Dieser Einfluss wurde scheinbar bestätigt: Befragte Kinobesucher waren im Durchschnitt aggressiver eingestellt. Jedoch hatte man vernachlässigt, dass das Medium Kino zur Zeit der Studie vor allem von Angehörigen unterer Gesellschaftsschichten genutzt wurde, so dass die festgestellte höhere Aggressivität eher auf die Schichtzugehörigkeit der Befragten, als auf das Kino zurückzuführen war (→ intervenierende Variable).

Ein oft zitiertes Beispiel vermeintlicher Medienwirkung ist die Hörspiel-Adaption Der Krieg der Welten von Orson Welles 1938 über eine außerirdische Invasion. Die Legende von der Massenpanik, die angeblich die Zuhörer erfasste, hält sich mit Einschränkungen bis heute. Eine Umfrage unter der Leitung von Lazarsfeld und Hadley Cantril in den Wochen nach der Ausstrahlung ergab, dass 28 Prozent der Hörer die gesendeten Nachrichten für wahr gehalten hatten. Da nicht jeder zugeben mochte, einer Fiktion aufgesessen zu sein, verschickten die Forscher zusätzlich Fragebögen an die Rundfunksender, die auf diesem Wege berichteten, nach jener Sendung mehr als fünf Mal so viele Anrufe als üblich erhalten zu haben. Als Cantril die Ergebnisse 1940 veröffentlichte, wies er bereits darauf hin, dass die Reaktion der Einzelnen in erheblichem Maße von der jeweiligen sozialen Hörsituation, der Interpretation des Gehörten, dem Bildungsstand etc. abhing, Faktoren mithin, die die Medienwirkung entscheidend beeinflussen können.[3]

Dagegen gingen die ersten Ansätze zur theoretischen Erfassung von Massenkommunikation davon aus, dass man vom Inhalt der Massenmedien direkt und linear auf die bei allen Rezipienten gleichartige Wirkung schließen könne. Im Kontext dieses simplen Reiz-Reaktions-Modells der Massenkommunikation (Hypodermic-Needle-Modell) wurde den Massenmedien die Fähigkeit zugebilligt, Gesellschaften „gleichschalten“ zu können. Bereits die ersten empirischen Untersuchungen führten zur Widerlegung des Reiz-Reaktions-Modells. Unterschiede in der Persönlichkeit (z. B. unterschiedliche Aufmerksamkeit, Wahrnehmung etc.) wurden nunmehr als eine Art wirkungsmodifizierender „Filter“ berücksichtigt. Die Ausrichtung der Wirkungsforschung im Rahmen dieses Stimulus-Organismus-Reaktions-Modells ist aber immer noch einseitig im Sinne eines Einweg- oder Transportmodells der Massenkommunikation. An die Stelle des angenommenen Nachahmungstriebes früherer Ansätze trat das Einstellungskonzept (etwa das Konzept der selektiven Aufmerksamkeit).

Lazarsfeld und die Minimal Effects Studies

Der Soziologe Paul Lazarsfeld erforschte in den frühen 1940er Jahren im Auftrag der United States Army die Wirkung des Propagandafilms The Battle of Britain auf die amerikanischen Soldaten, die damit auf den Krieg vorbereitet werden sollten. Hierbei stellte er fest, dass eine Hierarchie der Stabilitäten existierte: Zwar waren Wissen und mit Einschränkungen auch oberflächliche Meinungen einigermaßen gut durch den Film zu beeinflussen, Einstellungen oder gar Motivation dagegen wenig bis gar nicht. Lazarsfeld schloss daraus, dass es vor allem auf die optimale Gestaltung der zu vermittelnden Botschaften ankam, wie weit die Medienwirkung reichen kann und ob eine Persuasion, also eine Überzeugung, stattfinden kann.

Lazarsfelds Studie „The People’s Choice“ (vgl. Kommunikationsmodell nach Lazarsfeld) von 1944, die den Einfluss der Massenmedien auf das Wahlverhalten der Amerikaner untersuchte,[4] enttäuschte den Forscher, der von sehr großen Medienwirkungen ausgegangen war: Er stellte fest, dass ein für seine Begriffe sehr geringer Einfluss moderner Kommunikationsmittel auf die Präsidentenwahl existierte. Dies führte zur Bildung eines Paradigmas der geringen Medienwirkung, das die Medienwirkungsforschung jahrzehntelang bestimmen sollte. Lazarsfeld untermauerte seine Erkenntnisse durch zahlreiche „Minimal Effects Studies“, die wieder und wieder die geringe Wirkung der Massenmedien bestätigten.

Statt eines meinungsändernden Effektes der Medien stellte Lazarsfeld einen Verstärkereffekt fest: Massenmedien verändern bestehende Einstellungen nicht, sondern verstärken sie noch. Dies begründet sich unter anderem durch selektive Wahrnehmung.

Die neue Erkenntnis von Lazarsfelds Studien war, dass der Rezipient definitiv aktiv ist und auf den Prozess der Medienwirkung einwirkt – unter anderem durch Selektivität. Hier wird endgültig dem Stimulus-Response-Modell widersprochen, das von einheitlicher Rezeption und Medienwirkung für alle Rezipienten ausgeht. Der aktive Rezipient ist eine unwidersprochene Größe in der Medienwirkungsforschung.

Moderne Theorien der Medienwirkungsforschung

Lazarsfeld prägte das Paradigma der geringen Medienwirkung. Allerdings gab es seit den 1970er Jahren Versuche, seine Ergebnisse zu relativieren, denn Lazarsfeld hatte nur dann etwas als Medienwirkung bezeichnet, wenn eine Änderung der Meinung auf medialen Einfluss zurückzuführen war. Jedoch kann auch die Verstärkung bestehender Standpunkte durch die Rezeption von Medieninhalten als Medienwirkung gewertet werden.

Mit zunehmender Forschung setzte sich jedoch wieder die Meinung durch, dass starke Wirkung der Medien vorliegen (z. B. auf die öffentliche Meinung, die Weltbilder der Rezipienten etc.), wobei aber nicht das simple Ursache-Wirkungs-Modell vertreten wird. Vielmehr wird der aktive Umgang der Rezipienten mit den Medien berücksichtigt (z. B. Nutzen- und Belohnungsansatz).

Gegenwärtig gibt es in der Wirkungsforschung vier dominierende Richtungen:

  1. Publikumsforschung, die nach direkten Effekten sucht (siehe Mediennutzung)
  2. die Suche nach Entsprechungen, wobei versucht wird, Übereinstimmungen zwischen der Medienrealität und gesellschaftlichen Entwicklungen aufzufinden
  3. die Problematik der Wirklichkeitsbrechung, wobei davon ausgegangen wird, dass die Medien eine Realität eigener Qualität schaffen, die wiederum zur Definition sozialer Situation beiträgt
  4. die Analyse der Rolle der Medien bei der Entstehung sozial bedeutsamer Ereignisse (z. B. das Wechselverhältnis zwischen Medien und Terrorismus)

Moderne Theorien sind:

Siehe auch

Literatur

  • Martin Andree: Archäologie der Medienwirkung. Faszinationstypen von der Antike bis heute. Fink, München 2005.
  • Hanko Bommert, Karl-W. Weich, Christel Dirksmeier: Rezipientenpersönlichkeit und Medienwirkung. 2. Auflage. LIT-Verlag, Münster 2000. ISBN 3-8258-2109-9.
  • Heinz Bonfadelli, Thomas N. Friemel: Medienwirkungsforschung. 5. Auflage. UVK, Konstanz 2015, ISBN 978-3-8252-4247-3.
  • Pascal Hunziker, Etienne Ruedin: Medienwirkung. Benziger, Zürich 2009.
  • Michael Jäckel: Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung. VS, Wiesbaden 2005. ISBN 978-3-531-43073-7
  • Michael Schenk: Medienwirkungsforschung. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149240-2.
  • Gerd Strohmeier: Politik und Massenmedien. Eine Einführung. Nomos, Baden-Baden 2002. – Bietet einen kompakten Überblick über die verschiedenen Medienwirkungsforschungsansätze.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H.-B. Brosius, F. Esser: Mythen in der Wirkungsforschung: Auf der Suche nach dem Stimulus-Response-Modell. In: Publizistik, 43, 1998, S. 341–361.
  2. T. Bussemer: Gesucht und gefunden: das Stimulus-Response-Modell in der Wirkungsforschung. In: Publizistik, 48(2), 2003, S. 176–189, doi:10.1007/s11616-003-0041-5
  3. Hadley Cantril: The invasion from Mars: a study in the psychology of panic; with the complete script of the famous Orson Welles broadcast. Princeton University Press, Princeton NJ 1952/1982.
  4. Paul F. Lazarsfeld, Bernard Berelson, Hazel Gaudet: The People’s Choice. How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign. New York / London 1968 (Original 1944)
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