Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Widerruf (Recht)

Aus Jewiki
(Weitergeleitet von Widerrufsrecht)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dieser Artikel erläutert den Widerruf eines Verbrauchervertrags i. S. d. § 355 BGB; zu anderen Bedeutungen siehe Widerruf.

Der Widerruf bezeichnet ein Gestaltungsrecht des Verbrauchers, nach dessen Ausübung der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden sind.

Dabei handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz pacta sunt servanda, wonach Verträge von beiden Seiten erfüllt werden müssen. Anders als beispielsweise bei der Anfechtung wegen Irrtums, falscher Übermittlung, Täuschung oder Drohung (§§ 119 ff. BGB) ermöglicht der Widerruf jedoch eine Lösung vom Vertrag ohne objektivierbaren Grund.[1]

Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen ist in § 355 BGB ff. normiert, zuletzt geändert mit Wirkung zum 13. Juni 2014 durch Gesetz vom 20. September 2013,[2] mit dem die EU-Verbraucherrechterichtlinie umgesetzt wurde.

Bestehen des Widerrufsrechts

Verbrauchereigenschaft

Ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB kann nur eine natürliche Person sein, die ein Rechtsgeschäft, beispielsweise einen Kaufvertrag, abschließt, der nicht überwiegend ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, sondern der privaten Bedarfsdeckung zuzuordnen ist. Unternehmer gem. § 14 Abs. 1 BGB ist hingegen, wer bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerade in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Anwendungsbereich § 355 BGB

§ 355 BGB gewährt aus Gründen des Verbraucherschutzes einem Verbraucher, z. B. einem Käufer, gegenüber einem Unternehmer, z. B. einem Versandhändler, bei bestimmten Verträgen ein Recht zum Widerruf.

Das Widerrufsrecht des § 355 BGB gilt kraft Gesetzes bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen (§ 312g Abs. 1 BGB). Es gilt nur bei entsprechender Vereinbarung zwischen den Parteien in den Fällen des § 312g Abs. 2 BGB, beispielsweise bei Verträgen zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Software in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde oder bei Verträgen zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen. Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund anderer Vorschriften ein Widerrufsrecht zusteht wie dem Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 495 BGB oder nach § 305 des Kapitalanlagegesetzbuchs (§ 312g Abs. 3 BGB).

Widerrufsfrist

Um wirksam zu werden, muss der Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt werden. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die Absendung des Widerrufs vor Fristablauf.

Die Widerrufsfrist beträgt einheitlich 14 Tage und beginnt frühestens, wenn der Verbraucher eine wirksame Widerrufsbelehrung erhalten hat, im Fernabsatz laut § 356 Abs. 2 BGB jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger. Beim Fernabsatz gilt außerdem, dass sie bei wiederkehrenden Lieferungen gleichartiger Waren bereits bei Eingang der ersten Teillieferung beginnt, aber bei unterschiedlichen Waren einer Bestellung erst beim Eingang der letzten Teillieferung.

Außerdem beginnt nach § 187 BGB eine Frist erst am Folgetag und bei Sonntagen, Feiertagen oder Samstagen laut § 193 BGB am darauf folgenden Werktag. Beispiel:

Ein Verbraucher bestellt an einem Dienstag zwei nicht zusammenhängende Waren und erhält die Widerrufsbelehrung noch am selben Tag per E-Mail. Die erste Ware ist sofort lieferbar und erreicht den Verbraucher bereits am Mittwoch, während die zweite Ware erst am Samstag eingeht. Die erste Frist beginnt nun am Donnerstag und die zweite Frist beginnt am folgenden Montag (Werktag), da die zweite Lieferung erst am Samstag eintraf und der Folgetag ein Sonntag gewesen wäre. (Bei zusammenhängender Ware, z. B. einer zusammengehörenden Küche, beginnt die Frist erst am folgenden Werktag der letzten Teillieferung)

Bei im Online-Handel geschlossenen Verträgen, beispielsweise zeitgesteuert wie bei dem Anbieter eBay, ist eine unverzüglich nach dem Vertragsabschluss erfolgende Widerrufsbelehrung einer solchen vor Vertragsabschluss gleichgestellt und erlaubt daher eine Widerrufsfrist von wiederum 14 Tagen. Dabei ist die Anforderung an eine 'unverzügliche’ Übersendung dieser Belehrung nicht klar geregelt. Eine Zeitspanne von maximal 24 Stunden gilt hierfür jedoch allgemein als ausreichend. Insbesondere bei Verwendung automatisierter Systeme zur Abwicklung eingegangener Aufträge/Käufe muss der Händler jedoch auf eine korrekte Übersendung der Widerrufsbelehrung im Rahmen dieser automatischen Reaktion achten.

Bei eBay ist dabei allerdings noch unklar, wann ein Vertrag zu Stande kommen soll: So ist das Landgericht Dortmund in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung[3] der Auffassung eines Antragstellers gefolgt, dass bereits bei der Abgabe des ersten Gebotes ein Vertrag zustande kommt. Somit wäre eine Widerrufsbelehrung, die zwar kurzzeitig nach Auktionsende, gleichwohl aber erheblich nach Abgabe des ersten Gebots erfolgt, zu spät. Die Auffassung des Landgerichts Dortmund findet man allerdings bei anderen Gerichten nicht wieder, die den Vertragsschluss erst bei Auktionsende erkennen.[4] Gleichwohl fehlt eine eindeutige Einschätzung des Bundesgerichtshofs bisher.

Bis zur Ausübung oder dem Erlöschen des Widerrufsrechts durch Fristablauf befindet sich der Vertrag in einem Schwebezustand, der mit den Worten „schwebend wirksam“ beschrieben werden kann: Er gilt als wirksam, wobei dies jedoch unter dem Vorbehalt steht, dass der Vertrag jederzeit durch Ausübung des Widerrufsrechts untergehen kann.

Für den Beginn der Widerrufsfrist trägt der Unternehmer die Beweislast (§ 361 Abs. 3 BGB).

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt jedenfalls spätestens 12 Monate und 14 Tage ab Erhalt der Ware (im Fernabsatz) oder nach dem Vertragsschluss (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB), auch wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht über das Widerrufsrecht belehrt hat.

Widerrufserklärung

Der Widerruf bedarf gemäß § 355 BGB keiner Begründung, muss aber durch eine Widerrufserklärung, aus der der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht, erfolgen. Die Einhaltung der Textform ist nicht erforderlich, allerdings reicht ein bloßes Zurücksenden der Ware ohne Widerrufserklärung nicht aus. Der Gesetzgeber stellt ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung,[5] das der Unternehmer dem Verbraucher übermitteln (Art. 264a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 312d Abs. 1 BGB) und dessen Zugang er dem Verbraucher nach Ausübung des Widerrufsrechts bestätigen muss (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Die Beweislast für die Ausübung des Widerrufsrechts obliegt dem Verbraucher.

Teilwiderruf

Bei Verträgen über eine objektiv teilbare Leistung, etwa bei Bestellung mehrerer Artikel gleichzeitig, darf sich der Widerruf nach dem Fernabsatzgesetz nur auf einen Teil der Bestellung beziehen.[6][7] Ob diese Rechtsprechung auf die seit dem 13. Juni 2014 geltende Rechtslage übertragbar ist, ist noch nicht geklärt, aber im Interesse des Verbraucherschutzes wünschenswert[8] und wird von Händlerseite in der Regel akzeptiert.

Rechtsfolgen des Widerrufs

Die Rechtsfolgen des Widerrufs ergeben sich aus § 357 BGB: Wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht wirksam ausübt, sind er und der Unternehmer nicht mehr an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen gebunden, so dass kein wirksamer Vertrag zustande kommt.

Die empfangenen Leistungen (Ware und Kaufpreis) sind spätestens 14 Tage nach Zugang des Widerrufs zurückzugewähren. Bei einem Verbrauchsgüterkauf hat der Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht an der Rückzahlung, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat.

Der Verbraucher trägt unabhängig vom Warenwert (nur) die unmittelbaren Kosten der Rücksendung.[9] Die vor dem 13. Juni 2014 geltende 40 €-Klausel nach § 357 Abs. 2 BGB a.F.[10] wurde abgeschafft. Der Unternehmer kann sich jedoch in seinen AGB bereit erklären, die Rücksendekosten zu tragen. Sind die Waren zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden (beispielsweise Möbel oder große Haushaltsgeräte), ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen (§ 357 Abs. 6 BGB).

Hat der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß und umfassend über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 belehrt (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB), kann er Wertersatz vom Verbraucher verlangen, wenn an der Ware ein Wertverlust eingetreten ist. Dafür muss das Verbraucherverhalten über das zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren Notwendige hinausgegangen sein (§ 357 Abs. 7 BGB). Zu Hause darf der Verbraucher jedoch alles tun, um zu testen, ob die Ware passt und funktioniert, er darf z. B. Packungen aufreißen, gelieferte Möbel zusammenbauen oder Hardware an seinen Computer anschließen. Das gilt auch dann, wenn die Ware durch das Prüfen für den Unternehmer praktisch unbrauchbar wird, weil er sie in diesem Zustand nicht mehr als neuwertig weiterverkaufen kann.[11][12]

Der Verbraucher darf die Ware aber nicht über das zur Warenprüfung hinausgehende Maß benutzen oder beschädigen, so dass sie für den Unternehmer nur noch mit Preisabschlägen oder gar nicht mehr verkäuflich ist.[13]

Der Europäische Gerichtshof hatte bereits im Jahr 2009 eine generelle Wertersatzpflicht abgelehnt.[14][15]

Da der Anspruch auf Wertersatz für den Unternehmer praktisch schwer durchsetzbar ist, sind entsprechende Verluste regelmäßig von vornherein in den Preis der Waren einkalkuliert.[16]

Rückgaberecht bis Juni 2014

In bestimmten Fällen konnte bis zur Gesetzesänderung im Juni 2014 der Unternehmer dem Kunden anstelle des Widerrufsrechts ein Rückgaberecht einräumen,[17] nämlich bei Vertragsschlüssen auf Grund eines Verkaufsprospekts.[18] Der Verkaufsprospekt (Katalog, Postwurfsendung, Internetkatalog) musste eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht enthalten. Es konnte ab dem Erhalt der Ware innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist nur durch Rücksendung der Sache ausgeübt werden. Wurde die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt, so betrug die Widerrufsfrist einen Monat. Sofern der Verbraucher gar nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden war, galt das Widerrufsrecht zeitlich unbefristet. Sofern der Kaufpreis für die Ware weniger als 40 Euro betrug, hatte der Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen.[19]

Zum 13. Juni 2014 ist das Rückgaberecht entfallen.

Literatur

  • Harald Brennecke, Monika Dibbelt, Pascal Schöning: Das Widerrufsrecht. Verlag Mittelstand und Recht, 2016. ISBN 978-3-939384-56-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Brigitta Lurger: Widerrufsrechte Universität Graz, 2014
  2. BGBl. I S. 3642
  3. Landgericht Dortmund, Beschluss vom 7. April 2011–2020 O 19/11 – bei Justiz NRW
  4. Übersicht über das bisherige Meinungsbild, Anwaltskanzlei Ferner
  5. Anlage 2 (zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und § 2 Absatz 2 Nummer 2) Muster für das Widerrufsformular BGBl. I 2013, S. 3665
  6. AG Wittmund, Urteil vom 13. März 2008 - 4 C 661/07
  7. MünchKomm-Ulmer, § 355 Rn. 21; Wildemann-jurisPK-BGB, § 355 BGB Rn. 20
  8. Phil Salewski: Der Teilwiderruf im Fernabsatz nach neuem Verbraucherrecht: möglich oder ausgeschlossen? 3. Februar 2016
  9. so bereits EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C‑511/08
  10. Änderung § 357 BGB vom 13. Juni 2014 § 357 BGB a.F. in der vor dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung, buzer.de
  11. BGH, Urteil vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09
  12. Kathleen Kunst: Rückabwicklung und Kostentragung nach Widerruf 17. April 2014
  13. Tanya Stariradeff: Wann können Sie vom Kunden Wertersatz verlangen? 27. Oktober 2016
  14. Urteil vom 3. September 2009 – C 489/07
  15. Markus Timm: Das ewige Leid mit der Widerrufsbelehrung (Memento vom 29. April 2010 im Internet Archive)
  16. Marzena Sicking: Rückgaberecht im Versandhandel: Ausprobieren ohne Wertersatz 4. November 2010
  17. Tabea Franz: Umtausch, Gewährleistung und Rückgaberecht. eKritik.de
  18. § 356 Abs. 1 BGB in der vor dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung buzer.de, abgerufen am 9. März 2017
  19. Rückgängigmachen von Verträgen IHK Arnsberg, Hellweg-Sauerland, abgerufen am 9. März 2017
link=http://de.wikipedia.org/Wikipedia:Hinweis Rechtsthemen Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Widerruf (Recht) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.