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We’wha

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We’wha (um 1870)

We’wha [ˈwi ˈwɑ] (* 1849 in New Mexico; † 1896 ebenda) gilt als bekanntestes Mitglied der Lhamana. Diese sind Angehörige der Zuñi mit männlichem Geburtsgeschlecht, die sonst von Frauen ausgeführte Aufgaben übernehmen. So bereitete We’wha Speisen zu und stellte selbst Töpferei- sowie Webwaren her. Allerdings kam We’wha auch in für den Stamm typischen Männerbereichen wie Feldarbeit sowie der Leitung religiöser Rituale zum Einsatz.

Dank guter Englischkenntnisse genoss We’wha nicht nur bei benachbarten weißen Siedlern einen guten Ruf, sondern half auch der Ethnologin Matilda Coxe Stevenson bei deren Aufzeichnungen über die Zuñi. Durch diese Mitarbeit traf We’wha auf den damaligen Präsidenten Grover Cleveland und trug dazu bei, das Volk in der US-amerikanischen Wissenschaft bekannter zu machen.

Frühe Jahre

We’wha wurde 1849 in einem Pueblo in New Mexico geboren. In dem Jahr nahm der Stamm erstmals Kontakt mit in der Nähe wohnenden weißen Siedlern auf. Diese erlaubten dem Volk, seine Kultur frei auszuüben, und wurden im Gegenzug von ihnen bei territorialen Streitigkeiten mit den Navajo und Apachen unterstützt, mit denen die Zuñi verfeindet waren. Die Siedler schleppten Pocken in den Ort ein, an denen We'whas Eltern vier Jahre später starben. Deswegen wurden die Kinder von einer Schwester des Vaters adoptiert. Trotz des neuen Umfelds blieb We’wha Mitglied in den Clans der Eltern und nahm an deren traditionellen Riten teil.[1]

In der Zuñi-Kultur werden manche Kinder als Lhamana identifiziert; dies bedeutet, dass sie trotz des männlichen Geburtsgeschlechts für Frauen typische Aufgaben wie Handarbeiten oder Kochen erlernen. Sie tragen sowohl Männer- als auch Frauenkleidung, wobei manche Lhamana daneben in für Männer vorgesehenen Gebieten wie der Jagd eingesetzt werden.[2] We’wha nahm im Alter von zwölf Jahren erstmals an religiösen Ritualen für Jungen teil, wurde einige Jahre später jedoch von Frauen unterrichtet. Sie brachten We'wha unter anderem die Zubereitung von Maismehl sowie das Töpfern bei. Zur selben Zeit, im Jahr 1864, gewannen die Siedler mit dem Stamm eine Schlacht gegen die Navajo. Nachdem diese in ein Indianerreservat verbannt worden waren, ließen sich einige Zuñi, unter anderem auch We’whas Familie, im verlassenen Gebiet nieder. We’wha war für die dortige Farm verantwortlich, übernahm also erneut eine in der Zuñi-Kultur typische Männeraufgabe.[3]

Zusammenleben mit Missionaren

Anfang der 1870er Jahre kümmerte sich We’wha weiterhin um die familieneigenen Felder und übernahm zusammen mit einer Schwester wegen des zunehmenden Alters der Tante vermehrt Haushaltstätigkeiten. 1877 kamen evangelische Missionare im Zuge der Peace Policy of Grant Administration in der Siedlung an. Diese Strategie sah vor, indigene Einwohner in den USA nicht wie üblich in Reservaten von der restlichen US-amerikanischen Bevölkerung abzuschotten, sondern sie durch christliche Indoktrination in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren.[4]

Taylor Filmore Ealy, ein presbyterianischer Geistlicher und Arzt, lebte ab dem 12. Oktober 1878 mit seiner Ehefrau, zwei Töchtern und einem Aushilfslehrer im Pueblo. Mit letzterem sollte er die Schule leiten, die ein Jahr zuvor für die Stammeskinder gebaut worden war.[5] We’wha half Ealys Frau bei der Betreuung ihrer Kinder sowie der Hausarbeit, nähte zusammen mit ihr Kleidung für Dorfbewohner und unterrichtete gelegentlich in der Schule.[6] Das Ehepaar entlohnte We’wha dafür mit hochwertigen Kleidern. 1881 verließen die Missionare die Siedlung, da ihnen die Konversion praktisch nicht gelungen war, die Schule so gut wie keinen Einfluss auf die Einwohner hatte und mehrere Jahre lang ungenutzt geblieben war.[7]

Freundschaft zu Matilda Coxe Stevenson

We’wha beim Weben (um 1870)

We’wha lernte 1881 die Ethnologin Matilda Coxe Stevenson kennen.[8] Stevenson befand sich mit ihrem Ehemann James Stevenson auf einer Forschungsexpedition über die Zuñi und zeigte sich bei ihrer Ankunft laut Tagebuchaufzeichnungen von We’whas Freundlichkeit und Intelligenz beeindruckt. Sie notierte auch, dass We’wha von den Erwachsenen des Pueblo aufgrund eines selbstbewussten, zornigen Temperaments zugleich respektiert und gefürchtet, dafür aber von den Kindern wegen eines gütigen Umgangs mit ihnen sehr gemocht wurde.[9]

Laut Stevenson erledigte We’wha für Männer vorgesehene rituelle sowie richterliche Aufgaben und kam gleichzeitig Frauenverpflichtungen wie Kleiderwäsche und Gartenarbeit nach.[10] Durch Stevensons regelmäßige Besuche von 1881 bis 1896 entstand zwischen ihr und We’wha eine enge Freundschaft; We’wha stärkte in dieser Zeit dank immer besserer Englischkenntnisse zudem die Beziehung zwischen den Zuñi und den Weißen.[7]

Bei ihrem ersten Besuch erklärte Stevenson dem Stamm die Verwendung von Seife. Kurz darauf begann We’wha, die Kleider der Missionare damit zu waschen, und erhielt dafür stets einige Silberdollar. We’wha ging schließlich zum Fort Wingate und reinigte die Kleidung der Soldaten sowie der Familie eines Hauptmanns. We’wha wusch auch für Siedler von außerhalb und gehörte damit zu den wenigen Zuñi, die gegen Bezahlung für die weiße Bevölkerung arbeiteten. Diese Personen waren hauptsächlich Lhamana, da sie handwerklich geschickter als die Männer des Stammes, aber körperlich stärker und ausdauernder als die Frauen waren.[11]

We’wha (undatiert)

Stevenson bat We’wha 1885, traditionelle Zuñi-Tonwaren anzufertigen, die im National Museum of American History in Washington, D.C. ausgestellt wurden. Sie handelte dabei nicht uneigennützig: Weil ihre Berichte über das Volk auf großes Interesse gestoßen waren, wollte sie We’wha einflussreichen Personen vorstellen. Stevenson erhoffte sich so Fördergelder für Expeditionen und neue Mitglieder in der jungen Wissenschafts-Organisation Women’s Anthropological Society of America, der sie als Präsidentin vorstand.[12] Neben der Töpferei webte We’wha auch häufig und stellte so zahlreiche Körbe, Kleider, Decken und Schärpen her, die die Aufmerksamkeit des damals populären Nature Writers George Wharton James auf sich zogen.[13]

Im Zuge der Ausstellung reisten Stevenson und We’wha 1886 zusammen mit weiteren Zuñi nach Washington, D.C. Tatsächlich wurde Stevenson dadurch in wissenschaftlichen Kreisen noch bekannter, weswegen sie einige Jahre später als erste Frau an der Smithsonian Institution eingestellt wurde.[14] Die Mitglieder der gehobenen Gesellschaft zeigten sich zudem von We’whas ihrer Ansicht nach charmanten Persönlichkeit begeistert. Schließlich wurden We’wha und Stevenson im Weißen Haus von Präsident Grover Cleveland empfangen. We’wha machte auf ihn und seine Frau ebenfalls einen sehr positiven Eindruck, worauf er sich mit Stevenson über die Bedeutung ihres Fachgebiets und ihrer Forschung unterhielt.[15]

Letzte Jahre

Kurz nachdem We’wha ins Dorf zurückgekehrt war, brachen Konflikte zwischen den Zuñi und der amerikanischen Regierung aus. Dies lag an den gescheiterten Missionierungsversuchen und der Weigerung des Stamms, in ein Indianerreservat umzuziehen. Im Zuge dieser Spannungen wurden We’wha sowie fünf hochrangige Zuñi wegen Hexerei zu einem Monat Gefängnis verurteilt. We’wha starb 1896 im Alter von 46 oder 47 Jahren während des alljährlichen traditionellen Erntefestes Shalako an den Folgen einer Herzkrankheit.[16]

Geschlechtsidentität

Stevenson, die in Bezug auf We’wha verschiedene Pronomina benutzte, verwendete ab 1904 nur noch weibliche Pronomen, wenn sie über We’wha schrieb. Sie erklärte in ihrem Tagebuch, We’wha trotz des männlichen Geburtsgeschlechts letztendlich immer als hingebungsvolle, treue Freundin betrachtet zu haben.[17] We’wha selbst widersprach weder Stevensons männlichen Pronomen noch Familienmitgliedern und Freunden, die Lhamana grundsätzlich mit femininen Pronomina anredeten.[18]

We’whas Geschlechtsidentität lässt sich letztlich nicht genau bestimmen. Laut dem Historiker Will Roscoe, der 1991 We’whas Biografie veröffentlichte, könne der Begriff Lhamana nicht einfach auf Homosexualität (damals häufiger mit heute sogenanntem Cross-Dressing, nach Ansicht der Siedler Kleidungsweise der Lhamana, gleichgesetzt) oder Intersexualität (früher als Hermaphroditismus bezeichnet) reduziert werden, wie es Siedler damals taten. Er passe zudem weder zu traditionellen westlichen Geschlechterrollen noch zu modernen Begriffen wie transgender. Vielmehr repräsentiere er ein drittes Geschlecht, dem Zuñi angehören, die sich nach Ansicht der Stammesmitglieder in einer Art Mitte zwischen männlich und weiblich befinden. Diese Tradition geht auf die Ursprungsgeschichte des Stammes zurück, nach der die Gestalt Awonawilona, die mit männlichen und weiblichen Pronomen bezeichnet wird, alles Leben erschuf.[19] Zudem befindet sich die Erde in der Stammes-Mythologie im Zentrum des Universums, weswegen das Konzept einer Mitte als erstrebenswert gilt.[20] Daneben verehren die Zuñi Kolhamana, einen als Kachina bezeichneten Geist. Kolhamana ist sowohl männlich als auch weiblich und für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Stammesmitgliedern zuständig.[21]

Literatur

Weblinks

 Commons: We'wha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 30–31.
  2. Matilda Coxe Stevenson: The Zuni Indians: Their Mythology, Esoteric Fraternities, and Ceremonies. BiblioLife, Charleston 2015, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 380. Brian Joseph Gilley: Becoming Two-Spirit: Gay Identity and Social Acceptance in Indian Country. University of Nebraska Press, Lincoln 2006, ISBN 0-8032-7126-3, S. 8.
  3. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 38–40.
  4. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 42.
  5. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 43.
  6. Norman J. Bender: Missionaries, Outlaws, and Indians. University of New Mexico Press, Albuquerque 1984, ISBN 0-8263-0758-2, S. 153.
  7. 7,0 7,1 Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 46.
  8. Darlis Miller; Louis A. Hieb: Matilda Coxe Stevenson: Pioneering Anthropologist. University of Oklahoma Press, Norman 2007, ISBN 978-0-8061-3832-9, S. 40.
  9. Matilda Coxe Stevenson: The Zuni Indians: Their Mythology, Esoteric Fraternities, and Ceremonies. BiblioLife, Charleston 2015, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 37.
  10. Suzanne Bost: Mulattas and Mestizas: Representing Mixed Identities in the Americas, 1850–2000. University of Georgia Press, Athens 2005, ISBN 0-8203-2781-6, S. 137 ff.
  11. Matilda Coxe Stevenson: The Zuni Indians: Their Mythology, Esoteric Fraternities, and Ceremonies. BiblioLife, Charleston 2015, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 380 ff.
  12. Eliza McFeely: The Zuni and the American Imagination. Farrar, Straus and Giroux, New York City 2015, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 44. Darlis Miller; Louis A. Hieb: Matilda Coxe Stevenson: Pioneering Anthropologist. University of Oklahoma Press, Norman 2007, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 72.
  13. George Wharton James: New Mexico the Land of the Delight Makers: The History of Its Ancient Cliff Dwellings. The Page Company, Boston 1920, ISBN 0-936755-12-1, S. 62 ff.
  14. Nancy J. Parezo: Hidden Scholars: Women Anthropologists and the Native American Southwest. University of New Mexico Press, Albuquerque 1993, ISBN 0-8263-1428-7, S. 42.
  15. Darlis Miller; Louis A. Hieb: Matilda Coxe Stevenson: Pioneering Anthropologist. University of Oklahoma Press, Norman 2007, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 80.
  16. Chuck Stewart: Proud Heritage: People, Issues, and Documents of the LGBT Experience. ABC-Clio, Santa Barbara 2014, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 345.
  17. Matilda Coxe Stevenson: The Zuni Indians: Their Mythology, Esoteric Fraternities, and Ceremonies. BiblioLife, Charleston 2015, ISBN 978-0-8263-1370-6, S. 310.
  18. Suzanne Bost: Mulattas and Mestizas: Representing Mixed Identities in the Americas, 1850-2000. University of Georgia Press, Athens 2010, ISBN 978-0-820327-21-1, S. 137.
  19. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 22–32.
  20. Nancy Bonvillain: The Zuni. Infobase Publishing, New York City 2009, ISBN 978-1-4381-0378-5, S. 1.
  21. Will Roscoe: The Zuni Man-woman. University of New Mexico Press, Albuquerque 1991, ISBN 0-8263-1370-1, S. 147.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel We’wha aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.