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Walter Winter

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Walter (Stanoski) Winter (geb. 19. Juni 1919 in Wittmund) ist ein deutscher Sinto, Überlebender des Porajmos und Zeitzeuge. Der Schausteller überlebte die Deportation in das „Zigeunerlager Auschwitz“ sowie das KZ Ravensbrück und KZ Sachsenhausen. Kurz vor der Befreiung wurde Winter Zwangssoldat in der SS-Sondereinheit Dirlewanger.

Leben

Er besuchte ab 1926 zunächst in Wittmund, dann in Oldenburg, wo die Familie ein Haus erworben hatte, die Schule. [1]

Zeit des Nationalsozialismus

Mit Beginn der Zeit des Nationalsozialismus wird für Walter Winter und seine Familie der von der NSDAP initiierte Terror zunehmend spürbar. In seinen Autobiographien schildert er mehrere Erlebnisse, etwa Konfrontationen mit SA-Leuten und anderen Parteimitgliedern bei einem Tanzwettbewerb oder beim Fußballspielen, aus denen er sich nur durch persönliche Beziehungen und Schnelligkeit retten kann. Auch berichtet er von Verhaftungen von Kommunisten.[2] Der mobile Handel und Pferdehandel von dem die Familie bis zu diesem Zeitpunkt lebte, geht zunehmend schlechter die Kunden weigern sich bei "Zigeunern" zu kaufen, die Familie erwirbt daher eine Schießbude, mit der bei Jahrmärkten wie etwa dem Stoppelmarkt in Vechta und Schützenfesten Geld verdient.[3] Die neue Erwebsgrundlage bietet auch die Möglichkeit unauffälliger zu leben.[4] Den Vorschlag eines befreundeten Juden 1936 gemeinsam ins Exil zu gehen schlägt der Vater aus.[5] Winter beschreibt die Veränderungen in den ersten Jahren des NS-Regimes:

„Wir waren fast immer die einzigen Sinti unter den Schaustellern, und lange spielte das auch gar keine Rolle, aber je stärker die Nazis wurden, je mehr von den Schaustellern in die Partei eintraten, desto mehr bekamen wir die Ablehnung zu spüren. Auf den Märkten sah man plötzlich Männer mit Ledermantel und Hut, die alles kontrollierten, sie kamen immer wieder an unseren Stand, manchmal standen sie stundenlang auf der anderen Seite und beobachteten uns. Diese Leute von der Gestapo und der Kriminalpolizei ließen sich wiederholt unsere Ausweise und Papiere zeigen. Einmal haben sie meine Eltern auf die Wache mitgenommen. Sie wurden dort von allen Seiten fotografiert und Fingerabdrücke wurden genommen. Ein paar Tage später haben sie uns Kinder geholt. Auch wir wurden wie Schwerverbrecher fotografiert und registriert.“

Walter Winter[6]

In der Folge der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 wurde das Wohnhaus der Familie enteignet.[7] 1938 wird er zum Reichsarbeitsdienst (RAD) eingezogen und im Gegensatz zu den anderen jungen Männern weil er "Zigeuner" ist nicht befördert.[8] Einsatzort ist ein Flugplatz [9] 1939 Beschlagnahme der Autos der Familie.[10] Mit dem Ende 1939 in Kraft tretenden „Festsetzungserlass“ wurde die Familie mit ihren Wagen in einer Sandkuhle „festgeschrieben“. Weitere auf privaten Stellplätzen lebende Sinti aus der Umgebung von Cloppenburg wurden in die Sandkuhle überführt.[11] Ob es sich dabei um des von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ anerkannte Lager "Lager für Sinti und Roma Cloppenburg" handelt, ist unklar.[12]

Der RAD endet bei Kriegsbeginn mit dem Wechsel zur Wehrmacht.[13] Am 1. Januar 1940 wurde er zum Militärdienst eingezogen.[14] Er erhielt eine Ausbildung an einem Luftabwehrgeschütz in Wilhelmshaven.[15] Der erste Luftangriff auf Wilhelmshaven erfolgte bereits am 4. September 1939.[16] 1942 wurde er aus der Wehrmacht entlassen, da er "nicht zu verwenden" sei.[17] Er kehrte im April 1942 nach Oldenburg zurück. Vier Wochen später wurde auch sein Bruder Erich aus der Wehrmacht entlassen.[18] Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht wurde er als Fahrer bei der Firma des Ortsgruppenleiters der NSDAP in Damme zwangsverpflichtet.[19]

1943 heiratete er Bluma Schubert.[20]

Der Deportationszug, in dem Walter Winter und seine Familie ins Zigeunerlager Auschwitz transportiert wurden, erreichte Mitte März das Lager. Er wurde mit Datum vom 14. März 1943 mit der Nummer Z 3105 registriert.[21] Der Zug war am 11. März 1943 in Hamburg über Hannover angekommen und umfasste mindestens 328 Roma.[22] Winters Familie wurde dem Block 18 zugewiesen.[23]

„Im Frühjahr 1943 haben wir die ersten Wochen den ganzen Tag im gesperrten Block gesessen. Und wenn der Wind aus der Richtung der Krematorien kam, konnten wir es nicht aushalten vor Gestank. Aus den Schornsteinen kamen sechs, sieben Meter hohe Flammen heraus. (…) Als wir nun nach vier Wochen aus den Blocks gelassen wurden, wie die ersten Arbeitskommandos aus dem Zigeunerlager heraus sollten, haben wir die Transporte gesehen. Ununterbrochen reingefahren, ausgeladen, rausgefahren. Der nächste Transport, Tag und Nacht.“

Walter Winter 2009[24]

Er wurde Blockschreiber.[25][26] Im August 1944 wurde er mit seiner schwangeren Frau in das KZ Ravensbrück und später in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg verschubt.[27] Seine Frau starb in Ravensbrück im Februar 1945.[28]

Kurz vor der Befreiung am 13. April 1945 wurde Winter Zwangssoldat bei Cottbus in der SS-Sondereinheit Dirlewanger.[29][30] Am 5. Mai 1945 gelang es ihm, sich nach Berlin abzusetzen.[31]

Bürgerrechtsarbeit und Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz

Ostern 1980 führte eine Gruppe Sinti einen weltweit beachteten Hungerstreik im KZ Dachau durch.[32] Winter wurde durch die Zeitung darauf aufmerksam.[33]

Winter wird in der Folgezeit als Zeitzeuge aktiv. Er lässt sich für das Projekt „Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte von Sinti und Roma in Konzentrationslagern, Lagern, Ghettos, die sich auf dem Territorium des Landes Niedersachsen befanden“ (1991 bis 1995) des Niedersächsischen Verbandes Deutscher Sinti e. V. in Verbindung mit der Universität Hannover interviewen.[34]

1999 erscheint seine erste, von Thomas W. Neumann und Michael Zimmermann herausgegebene Biographie: WinterZeit. Erinnerungen eines deutschen Sinto, der Auschwitz überlebt hat, die englische Übersetzung folgt 2004. 2009 erscheint seine zweite von Karin Guth bearbeitete Biographie: Z 3105. Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust.

Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich überreichte ihm am 15. Juli 2008 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, da Walter Winter sich „seit Jahren konsequent dafür ein[setzt], dass die Verbrechen der Nazis auch heute, mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen, immer wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Damit trägt er engagiert dazu bei, neonazistischen Entwicklungen entgegenzuwirken“.[35]

Biographie

Weblink

Einzelnachweise

  1. WinterTime S. 10. Ortsangabe Oldenburg auch nach der Karte S. 6
  2. Guth/Winter S. 34ff., WinterTime S. 24ff.
  3. Guth/Winter S. 38.
  4. Guth/Winter S. 38.
  5. Guth/Winter S. 41f., WinterTime S. 27f.
  6. Guth/Winter S. 39.
  7. Guth/Winter, S. 42. In der Biographie steht Erlass zur »Entjudung von Grundbesitz« vom Februar 1939
  8. WinterTime S. 29
  9. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  10. Guth/Winter S. 39.
  11. Guth/Winter, S. 43.
  12. Lager für Sinti und Roma Cloppenburg im Haftstättenverzeichnis der Stiftung. Zur regionalen Verfolgung siehe Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland. Marburg 1999. Hier S. 172-179, besonders S. 278, wo Walter Winter als Zeitzeuge für die schützende Hand der Cloppenburger behörden erwähnt wird.
  13. WinterTime S. 30
  14. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  15. WinterTime S. 32
  16. Quellenfrei aus dem Artikel Wilhelmshaven.
  17. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  18. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  19. Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland. Marburg 1999. Hier S. 283-285.
  20. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  21. Gedenkbuch sowie Walter Winter: WinterTime: memoirs of a German Sinto who survived Auschwitz. Übersetzt und Vorwort von Struan Robertson. Hatfield, Hertfordshire 2004, S. 45f.
  22. Staatsarchiv Hamburg, 314-15, Oberfinanzpräsident, 47 UA 5. Nach: Linde Apel, Dr. Frank Bajohr und Ulrich Prehn: Die Deportationen vom Hannoverschen Bahnhof 1940-1945. Historischer Verlauf und Spuren der Erinnerung.[1]
  23. WinterTime S. 45f.
  24. Guth/Winter, S. 18. Nach: [2]
  25. Bericht von einer Lesung aus: Z 3105 Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust
  26. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  27. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  28. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  29. Seite über seine Biographie auf www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de
  30. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  31. Kurzbiographie auf www.annefrankguide.net der Anne Frank Stiftung
  32. Sinti und Roma im ehemaligen KZ Bergen-Belsen am 27. Oktober 1979. Eine Dokumentation der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ und des „Verbands Deutscher Sinti“, Göttingen 1980.
  33. Guth/Winter S. 185.
  34. In der Sammlung stammt Interview 62 von ihm. Ein Transkript ist eine der wichtigen Grundlagen des Buches: Hans Hesse und Jens Schreiber (1999): Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland.
  35. Stadtwiki Hamburg
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Walter Winter aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.