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Walter Dejaco

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Walter Dejaco (geb. 19. Juni 1909 in Mühlau (Innsbruck); gest. 1978) war ein österreichischer Architekt, der im KZ Auschwitz als Bauleiter tätig war.

Leben

Dejaco studierte nach dem Abschluss seiner Schullaufbahn an einer Bauschule in Innsbruck und schloss seine Ausbildung als Diplom-Architekt ab. Durch die Weltwirtschaftskrise konnte er nicht in seinem erlernten Beruf tätig werden und verdiente seinen Lebensunterhalt als Bergführer, Skilehrer sowie Hilfszeichner.[1] Im Juli 1933 trat Dejaco der in Österreich illegalen SS bei. Aufgrund illegaler nationalsozialistischer Betätigung für die NSDAP wurde er 1934 wegen Geheimbündelei angeklagt.[2] Dejaco wurde schließlich zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Haftentlassung lebte er in Frankreich, Italien und Deutschland.[1]

Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Dejaco zur Waffen-SS eingezogen und nahm am Überfall auf Polen teil.[1] Ab dem 6. Juni 1940 gehörte Dejaco der SS-Neubauleitung Auschwitz an.[3] Ab November 1941 leitete er dort die Abteilung Planung.[1] Durch ein SS- und Polizeigericht wurde Dejaco zwischenzeitlich zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt, da er auf einer Rückfahrt von Kattowitz nach Auschwitz einen Schaffner geschlagen hatte, der um die Schließung einer Zugtür verlangt hatte. Durch den Reichsführer SS Heinrich Himmler persönlich wurde Dejacos Strafe reduziert und dieser kurz darauf zum Sonderführer befördert.[1] Später wurde Dejaco Stellvertreter des Leiters der nun als Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz bezeichneten Bauleitung in Auschwitz.[4] Dejaco war als Bauleiter maßgeblich an der Planung, Errichtung und Instandhaltung der Gaskammern und Krematorien der Konzentrationslager Auschwitz beteiligt.[1]

Zum Studium der von SS-Standartenführer Paul Blobel erprobten Methoden zur Beseitigung von Massengräbern fuhr Dejaco am 16. September 1942 mit Lagerkommandant Rudolf Höß und Franz Hößler in das Vernichtungslager Kulmhof.[5] Hintergrund dieser Reise war die drohende Kontaminierung des Grundwassers in Auschwitz mit Leichengift, da zigtausende Leichen von den Holocaustopfern in der Umgebung des KZ Auschwitz-Birkenau in Massengräbern verscharrt waren. Blobel empfahl seinen Besuchern auf einem Eisenbahnschienenrost je eine Lage Leichen und abwechselnd benzingetränktes Holz zu stapeln um diese dann zu verbrennen. Dejaco fertigte darüber Aufzeichnungen an und ließ darauf basierend eine entsprechende Konstruktion in Auschwitz errichten. Die dortigen Massengräber wurden durch KZ-Häftlinge enterdet und die Leichen verbrannt.[1]

Dejaco stieg 1944 zum SS-Obersturmführer (Mitgliedsnr. 295.135) der Reserve bei der Waffen-SS auf.[2][6]

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende befand sich Dejaco in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, aus der er 1949 oder 1950 entlassen wurde.[1] Anschließend leitete er als Baumeister in Reutte ein Kleinunternehmen mit etwa 15 Angestellten. Sein Unternehmen soll dem Auschwitzüberlebenden Rudolf Vrba nach in Reutte das neue Pfarrhaus erstellt haben, wofür sich der Innsbrucker Bischoff herzlich bedankt haben soll.[2]

Durch den Auschwitzüberlebenden Hermann Langbein wurden die Angehörigen der Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz Dejaco und Fritz Ertl 1961 wegen ihrer Tätigkeit bei der Bauleitung Auschwitz angezeigt.[7] Im April 1962 wurde Dejaco zu den Beschuldigungen erstmals durch einen Untersuchungsrichter vernommen, das Verfahren selbst wurde erst im Juni 1971 fortgesetzt.[8]

Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Wien begann am 18. Januar 1972 der Prozess gegen Dejaco und Ertl als erster Auschwitzprozess in Österreich. Verfahrensgegenstand war deren Beteiligung am Holocaust durch Planung, Bau und Instandhaltung der Gaskammern und Krematorien des KZ Auschwitz-Birkenau. Dejaco war zusätzlich beschuldigt, zwischen 1940 und 1942 zwölf KZ-Häftlinge erschossen oder erschlagen zu haben.[9]

„Ihre Bautätigkeit war von vornherein auf ein kurzfristiges Vegetieren der Häftlinge ausgerichtet, und stellte eine Verhöhnung der elementaren Grundsätze der Bautechnik dar. Dass sich die Beschuldigten sehr wohl bewusst waren, dass die von ihnen ohne Fenster und ausreichende Belüftung gebauten, eng nebeneinander liegenden Baracken, keinen ausreichenden Lebensraum für Menschen boten, ersieht man aus ihrem Bemühen, die für die Wachhunde und Kühe bestimmten Baracken durch entsprechende Belüftung zu verbessern, um eine gesunde Haltung der Tiere zu gewährleisten.““

Aus der Anklageschrift vom 18. Juni 1971 gegen Walter Dejaco und Fritz Ertl vor dem Landgericht Wien[10]

Der Prozess gegen Dejaco und Ertl endete am 10. März 1972 jeweils mit einem Freispruch,[2] da Ertl und Dejaco nicht die „geistigen Urheber“ der Gaskammern seien.[1][11] In den Medien wurden Dejaco und Ertl als „Baumeister des Massenmordes“ tituliert.[9] Der Prozess spielte in den Medien nur eine Nebenrolle und stieß auf geringes Zuschauerinteresse.[12]

Literatur

  • Niels Gutschow: Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939–1945. Gütersloh 2001, ISBN 3-7643-6390-8.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Roland Stimpel: Architekten in Auschwitz. Tiefpunkt der Architekturgeschichte. In: Deutsches Architektennblatt, 2011.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 97.
  3. Niels Gutschow: Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939–1945. Gütersloh 2001, S. 78.
  4. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.): Auschwitz in den Augen der SS. Oswiecim 1998, S. 223.
  5. Aufzeichnungen Rudolf Höß, in: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.): Auschwitz in den Augen der SS. Oswiecim 1998, S.79f.
  6. Walter Dejaco auf www.dws-xip.pl
  7. Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. KZ Auschwitz: Die Österreicher waren die Ärgsten auf www.orf.at
  8. Justiz und Erinnerung, Ausgabe 10/2005, Wien 2005, S. 23.
  9. 9,0 9,1 Österreichische Auschwitzprozesse - Prozess gegen Walter Dejaco und Fritz Ertl (18. 1. – 10. 3. 1972)
  10. Zitiert bei: Justiz und Erinnerung, Ausgabe 10/2005, Wien 2005, S. 24.
  11. Justiz und Erinnerung, Ausgabe 12/2006, Wien 2006, S. 20.
  12. Presse-Echo des Prozesses gegen Walter DEJACO und Fritz ERTL. Die Berichterstattung ausgewählter Zeitungen zum 1. Wiener Auschwitz-Prozess (1972) auf http://www.nachkriegsjustiz.at
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