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Walser-Bubis-Debatte

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Die Walser-Bubis-Debatte nahm ihren Anfang als Martin Walser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede hielt, in der er eine „Instrumentalisierung des Holocaust“ ablehnte.

„Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Ich möchte verstehen, warum in diesem Jahrzehnt die Vergangenheit präsentiert wird wie nie zuvor. Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf die Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube entdecken zu können, dass öfter nicht das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Immer guten Zwecken, ehrenwerten. Aber doch Instrumentalisierung. […] Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets […].“

Martin Walser: Rede in der Paulskirche am 11. Oktober 1998

Die von manchen als sprachlich kompliziert empfundenen Äußerungen Walsers wurden oft wie folgt interpretiert: Die nationalsozialistischen Verbrechen würden von einigen Leuten dazu missbraucht werden, den Deutschen weh zu tun oder gar politische Forderungen zu stützen. Auch fühle derjenige, der ständig diese Verbrechen thematisiert, sich den Mitmenschen moralisch überlegen. Der Themenkomplex Auschwitz dürfe aber nicht zur „Moralkeule“ verkommen, gerade wegen seiner großen Bedeutung.

Nach Walsers Rede war im Anschluss von den Anwesenden stehend applaudiert worden, mit Ausnahme des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis, dessen Frau Ida und Friedrich Schorlemmer.

Die Paulskirchenrede zog viele kritische Stimmen nach sich. Insbesondere die Kritik von Ignatz Bubis führte zu einem öffentlichen Schlagabtausch. Bubis warf Walser vor, „wegsehen“ zu wollen. Ferner wurde Walser vorgeworfen, dass rechte Revisionisten sich auf ihn berufen würden.[1] Walser hielt dieser Kritik entgegen, dass er keine politische Instrumentalisierung seiner „sehr persönlichen Ansicht“ wolle und nur von seinem subjektiven Empfinden gesprochen habe.

Literatur

  • Matthias Heyl: Zweimal Nachdenken über Martin Walsers „Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede“. In: Hans Erler (Hrsg.): Erinnern und Verstehen. Der Völkermord an den Juden im politischen Gedächtnis der Deutschen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2003, ISBN 3-593-37361-0, S. 75–99.
  • Georg Pfleiderer: Gewissen und Öffentlichkeit. Ein Deutungsvorschlag zur Walser-Bubis-Kontroverse. In: Zeitschrift für evangelische Ethik. Bd. 43, H. 4, 1999, ISSN 0044-2674, S. 247–261.
  • Lars Rensmann: Enthauptung der Medusa. Zur diskurshistorischen Rekonstruktion der Walser-Debatte im Licht politischer Psychologie. In: Micha Brumlik, Hajo Funke, Lars Rensmann: Umkämpftes Vergessen. Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik (= Schriftenreihe Politik und Kultur. Bd. 3). Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1999, ISBN 3-86093-240-3.
  • Joachim Rohloff: „Ich bin das Volk“. Martin Walser, Auschwitz und die Berliner Republik (= Konkret. Texte 21 Porträt). KVV-Konkret, Hamburg 1999, ISBN 3-930786-22-2.
  • Frank Schirrmacher: Wir brauchen eine neue Sprache für die Erinnerung. Das Treffen von Ignatz Bubis und Martin Walser: Vom Wegschauen als lebensrettender Maßnahme, von der Befreiung des Gewissens und den Rechten der Literatur. In: FAZ, 14. Dezember 1998.
  • Frank Schirrmacher (Hrsg.): Die Walser-Bubis-Debatte. Eine Dokumentation. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-41073-3.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Martin Dietzsch, Siegfried Jäger, Alfred Schobert (Hrsg.): Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. DISS, Duisburg 1999, ISBN 3-927388-71-8.
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