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Walliserdeutsch

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Walliserdeutsch

Gesprochen in

Schweiz, Österreich, Italien, Liechtenstein (Triesenberg)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von -
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

gsw (Schweizerdeutsch)

ISO 639-3:

gsw

Walliserdeutsch sind die Dialekte der Deutschschweizer im Kanton Wallis. Sie gehören zur höchstalemannischen Dialektgruppe und werden von den rund 80.000 Oberwallisern gesprochen. Die Sprachgrenze zum französischsprachigen Unterwallis verläuft nördlich des Rottens entlang des Bachs Raspille zwischen dem zweisprachigen Siders (frz. Sierre) und Salgesch und südlich des Rottens im Bereich des Pfynwalds. Walliserdeutsch weist eine eigene Grammatik und etliche eigene Wörter auf. Es ist daher für Sprecher der standarddeutschen Sprache nur eingeschränkt verständlich, und sogar viele Sprecher hochalemannischer Dialekte haben Verständnisprobleme.

Grund hierfür ist die starke sprachliche Konservativität des Walliserdeutschen. Der Sprachraum ist aufgrund der im Westen liegenden romanisch-germanischen Sprachgrenze und der im Norden, Osten und Süden das Wallis begrenzenden Berner und Walliser Alpen stark isoliert. So hat es als einziger deutscher Dialekt die Deklinations- und Konjugationsvielfalt des Althochdeutschen weitgehend bewahrt, und auch der Genitiv ist bei konservativen Sprechern noch lebendig. Ebenso hat im Walliserdeutschen keine Nebensilbenabschwächung stattgefunden, jenes Phänomen, das etwa um das Jahr 1000 in den meisten deutschen Dialekten stattfand und als charakteristisch für die deutsche Sprache gilt.

Gliederung

Die Walliser Dialekte weisen eine starke regionale Gliederung auf. In früheren Zeiten hatte fast jedes Dorf seine eigene Mundart, so dass daran gegebenenfalls die Herkunft einer Person erkannt werden konnte. Wegen der stärkeren Durchmischung verschwinden jedoch inzwischen solche Unterschiede. Heutzutage kann oft noch gesagt werden, aus welchem Tal die betreffende Person kommt.

Der Walliserdialekt wird in zwei Hauptidiome Gruppe West und Gruppe Ost unterteilt. Die Gruppe Ost umschliesst den östlichen Teil des Oberwallis bis Gamsen bei Brig und die Gruppe West die Vispertäler und den Teil ab Visp westwärts bis Siders/Sierre.

Diese Unterteilung wird auf die verschiedenen Einwanderungsrouten der Alemannen im 9. Jahrhundert zurückgeführt, das heisst die Gruppe West wanderte aus dem Saanenland kommend über den Gemmipass und den Lötschenpass und die Gruppe Ost aus dem Berner Oberland (Haslital) über den Grimselpass ins Wallis ein. Diese Dialektgrenze zieht sich quer durch die Schweiz. Diese kann man mit dem Adjektiv schwer gut zeigen:

  • Gruppe West im Oberwallis: schweer (geschlossenes [eː]), Gruppe Ost: schwäär (überoffenes [æː]).
  • Berner Saanenland und Sensebezirk in Freiburg: schweer/schwier, Haslital, Brienz, Emmental Stadt Bern bis Berner Seeland: schwäär

Walliserdeutsch und Walserdeutsch

Rein linguistisch gesehen gibt es keine klaren Unterschiede zwischen den Dialekten im deutschsprachigen Wallis und in den Siedlungen der Walser, die im 13. und 14. Jahrhundert aus dem Wallis auswanderten und an zahlreichen Orten im Alpenraum Siedlungen gründeten. Die Unterschiede beruhen eher auf aussersprachlichen Kriterien, nämlich dass der Kanton Wallis eine politische Einheit bildet, während die Walsersiedlungen untereinander wenig Kontakt haben.

Die Dialekte der Walsersiedlungen lassen sich ebenfalls denselben Gruppen Ost und West zuordnen, in die man die Dialekte des deutschsprachigen Wallis einteilt, so dass beispielsweise ein Dialekt einer Walsersiedlung aus der Gruppe Ost mehr Gemeinsamkeiten haben kann mit einem Deutschwalliser Dialekt aus derselben Gruppe als mit einem Walsersiedlungs-Dialekt aus der Gruppe West. Dabei gilt es zu beachten, dass den Walliser Dialekten der Westgruppe die Walserdialekte in Nordostgraubünden (Klosters, Davos usw.), den Walliser Dialekten der Ostgruppe die Walserdialekte in Südwestgraubünden (Safiental, Rheinwald usw.) entsprechen. Die Walserdialekte in Liechtenstein und Vorarlberg schliessen sich der Bündner Nordostgruppe an (also den Dialekten des Westdeutschwallis). Bei den Walserdialekten in Italien und im Tessin liegen hingegen parallele Verhältnisse zum Wallis vor; so entsprechend die Mundarten südlich und östlich des Monte Rosa den westlichen und die Mundarten in Pomatt und Gurin den östlichen Walliser Dialekten.

Unterschiede zwischen den wal(li)serdeutschen Dialekten gibt es je nachdem, welche Sprachkontakte in bestimmten Regionen gewirkt haben. In isolierten Regionen haben sich ursprünglichere Sprachformen besser erhalten als in verkehrsoffenen Gebieten. Dies erlaubt jedoch keine Unterscheidung zwischen den Dialekten des Deutschwallis und der Walsersiedlungen, denn beide werden sowohl in isolierteren als auch in verkehrsoffeneren Regionen gesprochen. Die typischsten Beispiele für isolierte Regionen sind die Walsersiedlungen auf der südlichen Alpenseite in italienisch- und frankoprovenzalischsprachiger Umgebung (die Mundarten der sog. Südwalser oder ennetbirgischen Walser), jedoch auch im Kanton Wallis gibt es sehr isolierte Talschaften, beispielsweise das Lötschental, wenngleich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Verkehrsverbindungen sich sehr verbessert und die sprachlichen Verhältnisse sich in der Folge geändert haben.

Am deutlichsten von den übrigen wal(li)serdeutschen Dialekten weichen diejenigen ab, die umgeben sind von anderen deutschen Dialekten, also Dialekte in Walsersiedlungen in Teilen Graubündens, in Liechtenstein oder in Vorarlberg.

Beispiele

  • «Der Käfer an der Decke bewegt sich.»: «Dr Güegu a ner Welbi mottut schi.»
  • «Halt den Mund!»: «Häp zmüül züe!» oder «Schwig!»
  • «Oben in den Bergen eine Traghutte (auf dem Rücken getragener Korb)(gefüllt mit) Holzstückchen wegschmeissen!»: «Än Tschiffretta Päglette di Tschugglette ambri treellu.»
  • Die Grundzahlwörter bis zehn lauten folgendermassen: eis, zwëi, drii, vier, füüf, sägsch, sibu, acht, niin, zäh

Textbeispiel

Walliserdeutsch

Am Moorgnd, nuch im Maannischiin (wen nuch dr Maann schiint), geid dr Puir an ds Maad (San meejn). Zi Säggschän (Um säggschi) weckt r schini Froiw us hertm Schlaaf. Schi schtreeld schich, tretschud ds Haar und geid imbriin inn fiischtrn (fiischtrri) Chäldr gan Aichn, Chees und Härdepfl (r)reichn. Dernaa reisudsch (grächudsch) ds Früäschtuck (früher: ds Niächtrru). Schi trüchnd Milchkaffee und ässnd Aichnbrood dr zuä (Brood und Aichn drzuä). De faad d streng Arbeit vam Heiwun (d streng Heiwärarbeit) aan. Mu muäs zeerscht d Madä zettn, speetr zämmrächu(n), illeggn und in dr Schiir mumm bid dr Gablun zrzettn. Widr Aabnd heicht dr Maan ä Riggchorb (äs Rrääf, ä Rriggablun) än d Aggslun und Seid imbruif uf d Alpu(n). Da ischt nuch Seng Uistag. D Murmdä pfiiffund, d Alpuroosn bliäjnd schoon, abr äs hed nuch Loiwischnee inn Gräbmi (inn Gräbun, älter: inn Chrachun) (wörtlich übertragen: abr äs liggnd nuch Rräschtä va Lloiwinun inn Gräbun); wan äs hed im Wintr vil und of gschniid und giguxud. Da obmäna iss jetz flott (hipsch)! Dr Puir ischt abr miädä choon und setzd schich äs Schutzlin ufn Vorschtuäl (ufn Baich) fr z liiwän und äs Pfüffätlin z rreikn.

  • in der Mundart aus Ernen im Oberwallis:

Am Morget, we nu der Maanet schiint, geit der Püür uf d Matta fer ga z määje. Ds Heiw ischt jetz ripfs. Äm säggschi weckt är schiini Fröw, wa nu teif gschlaafe het. Schi sträälet ds Haar, macht en Tschügge und geit de ine finschter Chäuwer embri. Schii geit da ga Äiche, Chääs und Häärpfel reiche und grächet de iner Chuchi ds Früeschtuck. Schii triichent Miuchkaffe und ässent Äichebrot derzüe. Dernaa faad d schwäär Heiwerarbeit a. Zeerscht mües me ga d Made woorbe, dernaa ga zämmeräche und de ds Heiw in d Schiir trääge und da wider zette. Gäge Abed nimmt der Püür d Tschiffera uf de Rigg und geit uf d Aupa embrüf. Da obena isch nu Langsi. D Murmete pfiiffent, d Auperoose bliejent schoo, aber ine Gräbe liggent nu Räschte va Löwine; äs het im Winter e Hüüfe gschnit und aupot ggugset. Hibsch isch es jetzt hie obena. Der Püür ischt aber mieda. Är setztschi nu es Schutzji ufs Bäichji fer z kirme und es Piiffetji z röüke.

Übersetzung ins Schriftdeutsche

Am Morgen, wenn noch der Mond scheint, geht der Bauer auf die Wiese, um zu mähen. Das Heu ist reif. Um sechs Uhr weckt er seine Frau aus dem tiefen Schlaf. Sie kämmt sich, flicht ihr Haar und geht in den finsteren Keller. Da holt sie Butter, Käse und Kartoffeln und kocht danach in der Küche das Frühstück. Sie trinken Milchkaffee und essen Brot und Butter dazu. Danach fängt die schwere Heuerarbeit an. Zuerst muss man die Mahden aufstreuen, später wird das Heu zusammengerecht und eingetragen und auf dem Heustock mit der Gabel erneut aufgestreut.

Gegen Abend nimmt der Mann den Rückenkorb über die Achsel und geht auf die Alpe (Maiensäss) hinauf. Da ist noch Frühling. Die Murmeltiere pfeifen, die Alpenrosen blühen schon, aber in den Gräben liegen noch Schneereste von den Lawinen; im Winter hat es viel geschneit und gestürmt (Schneestürme). Schön ist es jetzt hier oben. Der Bauer ist aber müde geworden und setzt sich ein Weilchen auf das Bänklein, um auszuruhen und ein Pfeifchen zu rauchen.

Unterschiede zwischen dem westlichen und dem östlichen Walliserdeutsch

Westliches Oberwallis Östliches Oberwallis Hochdeutsch
schweer schwäär schwer
Chees Chääs Käse
Scheeri Schääri Schere
Üüstag Langsi (ahd. Lengizi, neuhd. Lenz) Frühling
iisch insch (Goms) uns
liwwuu ghirme ausruhen
wier gee wiär gää wir gehen
du du

Spezielle Begriffe

  • embrüff und embrii: hinauf und hinunter
  • emüächa und emab: herauf und herunter
  • obschig und nidschig: oben und unten
  • ämi(cha) und ämüs(a): hinein und hinaus

Oft werden umgangssprachlich auch heute noch alte und traditionelle Begriffe benutzt. Für diese gibt es zwar auch 'modernere' und in der ganzen Schweiz verbreitete Synonyme, die aber seltener benutzt werden.

  • Boozu: Geist, häufige Gestalt in Walliser Sagen
  • Botsch, Botschji/Büäb: Junger Knabe, Bursche
  • Butti: (weibliche) Brust, Mehrzahl: Buttini
  • Buttitschifra/-u: Büstenhalter
  • es älfs Euwi: Ein braunes Mutterschaf (vgl. deutsche Aue, englisch ewe «Mutterschaf»)
  • Frigor: Kühlschrank (vom französischen frigo)
  • Frontag: Donnerstag
  • Geifetsch: Morgennebel
  • Gindschet/Ginschet: Türgriff
  • Grüsch: Bettflasche
  • Guttra: Flasche (vgl. lat. gutti »Kanne«, gutta »Tropfen«, guttula »Tröpfchen«, guttur »Kehle«)
  • Hopschil oder Hopschul: Frosch
  • Lattüechji/Häärleischji: Zauneidechse
  • Maanet: Monat/Mond
  • Meije: Blumen
  • Moji: Ein Icon, kleines Symbol
  • Pfiffoltra/Pfiffoltru: Schmetterling (von fifaltra)
  • Ponte: Zapfen (aus dem Französischen bondon)
  • Port(a): Tür (vom französischen porte)
  • Pusset: Kinderwagen (vom französischen poussette)
  • Schriibi: Schreibstift
  • en Schutz: eine Weile
  • Schwinggi/Gaschi: Schwein
  • sienta: Manchmal
  • summi: manche/einige
  • triibu: werfen
  • Triibul/Triibil: Weintrauben
  • Tschifra/Tschifru: eine Traghutte, die auf dem Rücken getragen wird
  • Tschugge: Fels
  • Üstag: Frühling
  • Zudella/Gschirr: Eimer
  • Bisch-mus?: Zusammensetzung aus «Bist du es ihm?» (Im Sinne von «Schaffst du die Aufgabe?»),

Grundsätzlich mit allen Formen/Zeiten des Verbs „sein“ möglich (Ich bi-mus, Bisch-mus, Isch-er-mus, Wier si-mus, Sid-er-mus, Sind-sch-mus)

  • Giz-där-schi?: Zusammensetzung aus «Gibt es sich dir?» (Im Sinne von «Ist es bequem/fühlst Du dich wohl?»),


Wie in anderen Sprachen gibt es auch im Walliserdeutsch falsche Freunde bei der Übersetzung ins Deutsche. Zum Beispiel:

  • hocku/e: sitzen (und nicht etwa hocken oder in die Hocke gehen, dieses bedeutet grüppu)
  • Tricker: Fernbedienung (und nicht Drücker, auch wenn die wdt. Bezeichnung natürlich von seiner Benutzweise hergeleitet ist)

Sprachlehre

Beugung der Nomen

Das Walliserdeutsche ist eine der wenigen Mundarten, in denen ein Kasussystem früherer Sprachstufen weitestgehend erhalten blieb. Der funktionstüchtige Genitiv, der in beinahe den meisten deutschen Dialekten ausstarb oder lediglich spurenweise auftaucht, und die weitgehende Parallelität vieler Formen mit dem Althochdeutschen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch bei konservativen Mundarten wie dem Walliserdeutschen im Laufe der Geschichte tiefgreifende Veränderungen vonstattengingen. Die folgenden Daten basieren auf Elisa Wipf: Die Mundart von Visperterminen im Wallis, Frauenfeld 1910, S. 119 ff. und können bei konservativeren Sprechern noch heute abgerufen werden:

Einzahl männlich weiblich sächlich Mehrzahl männlich weiblich sächlich
Nominativ Tag Zunga Jaar Nominativ Taga Zunge Jaar
Genitiv (ts) Tagsch (tr) Zungu(n) (ts) Jaarsch Genitiv Tago Zungo Jaaro
Dativ Tag (tr) Zungu(n) Jaar Dativ Tagu(n) Zungu(n) Jaaru(n)
Akkusativ Tag Zunga Jaar Akkusativ Taga Zunge Jaar

Der zweite Fall kommt in Phrasen wie zweiär Jaaro (zweier Jahre), an allä Siitun dr Chilchu (an allen Seiten der Kirche) oder in Sätzen wie Äs schteit an tsch Attusch Willä (Es hängt vom Vater ab) und Ich han dru drii (Ich habe derer drei) zur Anwendung.

Konjugation der Verben

Zeiten

Wie in den übrigen Varianten des Schweizerdeutschen existieren im Walliserdeutschen nur zwei Tempora, nämlich das Präsens und das Perfekt. Um zukünftige Ereignisse auszudrücken wird eine adverbiale Bestimmung benötigt, wie es auch im Deutschen möglich ist.

Ein Beispiel: «Ich werde morgen für zwei Wochen nach Frankreich verreisen.»/«Ich verreise morgen für zwei Wochen nach Frankreich.» Derselbe Satz kann auf Walliserdeutsch nur lauten: «Ich gaa mooru fer zwei Wuche uf Frankriich.»

Im heutigen Sprachgebrauch und vor allem unter den Jugendlichen hat sich eine ans Deutsche angelehnte Form des Futurs ausgebildet, die es im Walliserdeutschen so nicht gibt. Deshalb kann es geschehen, dass man den obigen Satz auch so hört: «Ich wäärdu mooru fer zwei Wuche uf Frankriich gaa.»

Das Perfekt wird gebildet aus einem Hilfsverb im Präsens und dem Perfektpartizip des Vollverbs. Als Hilfsverben treten wie auch im Deutschen «sein» und «haben» («sii» und «hä») auf. Das Perfekt wird verwendet um jegliche Art von Vergangenem auszudrücken, da weder ein Präteritum noch ein Plusquamperfekt existiert – von der Mundart des abgelegenen Dörfleins Saley abgesehen, die bis zu ihrem Untergang um das Jahr 2000 herum vollständige Präteritalparadigmen kannte.

Das Passiv wird nicht wie im Deutschen mit dem Hilfsverb «werden», sondern wie im Italienischen mit «kommen» («cho») gebildet. Wie schon bei Aussagen in der Zukunft wird im Passiv dennoch die eingedeutschte Variante mit «werden» («wäärdu») benutzt.

Auch hier wieder ein Beispiel: «Wird diese Arbeit noch heute erledigt?" heisst auf Walliserdeutsch eigentlich «Chunt di Aarbeit nu hitu gmachti?». Man kann dem Satz allerdings auch solcherart begegnen: «Wird di Aarbeit nu hitu gmacht?».

Auffallend ist, dass im ersten Beispielsatz das Partizip dekliniert ist, im zweiten jedoch nicht. Partizipien werden normalerweise an das Subjekt in Genus und Numerus angepasst. In der «deutscheren» Variante klänge das wohl ein wenig seltsam, deshalb unterlässt man es intuitiv, das Partizip anzupassen. Des Weiteren kann es auch vorkommen, dass das Partizip auch im ersten Beispielsatz (fälschlicherweise) nicht angepasst wird.

Verbklassen

Während in der Schriftsprache eine Einteilung in Verbklassen aufgrund zusammengefallener Endungen nur mehr bei historisch-linguistischen Untersuchungen sinnvoll erscheint und auch in den anderen schweizerdeutschen Mundarten nur noch reduziert erkennbar ist, kann man im Walliserdeutschen neben der starken Verbklasse noch deutlich unterschiedliche schwache Verbklassen erkennen. Obgleich im Laufe der Zeit Vermischungen der Klassen untereinander auftraten, stellen sie eine relativ geradlinige Fortsetzung der althochdeutschen Verhältnisse dar. Die folgenden Daten basieren auf Elisa Wipf: Die Mundart von Visperterminen im Wallis. Frauenfeld 1910, S. 145 ff.

Infinitiv 3. Präsens Singular Partizip Perfekt Infinitiv 3. Präsens Singular Partizip Perfekt
starke Konjugation singu ‘singen’ singt gsungu vgl. althochdeutsch singan singit gisungan
1. schwache Konjugation setzu ‘setzen’ setzt gsetzt vgl. althochdeutsch setzen setzit gisetzit
2. schwache Konjugation zaalu ‘zahlen’ zaalot gizaalot vgl. althochdeutsch zalōn zalōt gizalōt
3. schwache Konjugation spare ‘sparen’ sparet gsparet vgl. althochdeutsch sparēn sparēt gisparēt

In anderen Walliser und Südwalser Dialekten ist die Differenzierung sogar noch deutlicher erhalten als in der oben dargestellten Mundart von Visperterminen. So kennt der Lötschentaler Dialekt gemäss dem Sprachatlas der deutschen Schweiz Band III Karte 1 (die Beispiele sind an diejenigen von Wipf adaptiert) im Bereich der schwachen Verben wie das Althochdeutsche drei und nicht «nur» zwei verschiedene Infinitive:

lötschentalerischer Infinitiv althochdeutscher Infinitiv
starke Konjugation singn singan
1. schwache Konjugation setzn setzen
2. schwache Konjugation zaalu zalōn
3. schwache Konjugation sparä sparēn

Im Mittelhochdeutschen wurden ausserhalb des Walliser und Südwalser Dialektraums diese verschiedenen Endungen auf zwei, nämlich -t und -et, reduziert. Dieser Stand hat sich besonders im östlichen Schweizerdeutsch recht gut erhalten, vgl. etwa zürichdeutsch er setzt, hät gsetzt in der Nachfolge von althochdeutsch setzit, gisetzit gegenüber er fischet, hät gfischet und er loset, hät gloset in der Nachfolge von althochdeutsch fiskōt, gifiskōt bzw. losēt, gilosēt. Im Standarddeutschen hingegen hat eine Neuverteilung der Endungen -t und -et gemäss phonologischen Kriterien stattgefunden (-et nach Dental und gewissen Konsonantenclustern, im Übrigen -t), so dass sich dort die alt- und mittelhochdeutschen Verhältnisse nicht mehr fortsetzen.

sein

Untenstehend die Konjugation des Verbs «sii» (sein):

infinite Verbformen
Infinitiv: sii
Partizip Präsens: —
Partizip Perfekt: gsi
Singular Plural Singular Plural
1. Person ich bi wier sii 1. Person ich bi gsi wier sii gsi
2. Person dü bisch ier siid 2. Person dü bisch gsi ier sid gsi
3. Person ääs isch schii sind 3. Person ääs isch gsi schii sind gsi

Regelmässige Konjugation

In der folgenden Tabelle ist die regelmässige Konjugation anhand des Verbs «lüegu» (schauen) veranschaulicht.

infinite Verbformen
Infinitiv: lüegu
Partizip Präsens: (lüegund)
Partizip Perfekt: glüegt
Singular Plural Singular Plural
1. Person ich lüegu wier lüege 1. Person ich hä glüegt wier hei glüegt
2. Person du lüegsch ier lüeget 2. Person du hesch glüegt ier heit glüegt
3. Person ääs lüegt schii lüegunt 3. Person ääs het glüegt schii hent glüegt

Auffallend ist auch hier, dass das Walliserdeutsche Merkmale des Althochdeutschen besser bewahrte als so manch andere Mundart bzw. als die Hochsprache, z.B. die Endung -u der ersten Person Einzahl (vgl. ahd. nimu ich nehme) und die auch im Südbairischen erhaltene Endung -nt der dritten Person Mehrzahl (vgl. ahd. nëmant sie nehmen). (Im Neuhochdeutschen erinnert übrigens daran einzig und allein die Form „sind“ des Zeitwortes „sein“.)

Siehe auch

Literatur

Allgemeines

  • William G. Moulton: Swiss German Dialect and Romance Patois. Yale University Dissertation, Baltimore 1941 (Supplement to Language Vol. 17, No. 4, October–December 1941).
  • Vereinigung für Walsertum (Hrsg.): Die Walser – Ein Arbeitsheft für Schulen, Verlag "Wir Walser", 3. Auflage Brig 1998.
  • Paul Zinsli: Walser Volkstum in der Schweiz, in Vorarlberg, Liechtenstein und Piemont. Erbe, Dasein, Wesen, Huber, Frauenfeld 1968; 7. erg. Aufl. Chur 2000, ISBN 3-905342-05-7

Wörterbücher

  • Alois Grichting: Wallissertitschi Weerter, Rotten Verlag, 4. Auflage 2009 Visp, ISBN 3-907816-74-9
  • Georg Julen: Wörterbuch der Zermatter Mundart, Hotälli-Verlag, 2. Aufl. Zermatt [1989] (1. Aufl. 1985).
  • Rita Kuonen: Wallisertiitsch Wort für Wort. Sprachführer, epubli GmbH, Berlin 2011, ISBN 978-3-86931-789-2
  • Volmar Schmid: Kleines Walliserdeutsches Wörterbuch. Gebäude, Wir Walser, Brig 2003, ISBN 3-906476-02-2
  • Fides Zimmermann-Heinzmann: Die Mundart von Visperterminen, wie sie im Jahre 2000 von der älteren Generation gesprochen wurde, hg. von P. E. Heinzmann, 2 Hefte, Visperterminen o. O., digital: Die Mundart von Visperterminen.

Grammatiken

Weblinks

Übersetzungen

Studium

Sprachproben

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