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Władysław Bartoszewski

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Władysław Bartoszewski (2006)

Władysław Bartoszewski ([vwaˈdɨswaf bartɔˈʃɛfskʲi] Audio-Datei / Hörbeispiel anhören?/i) (* 19. Februar 1922 in Warschau; † 24. April 2015 ebenda) war ein polnischer Historiker, Publizist und Politiker.

Leben

Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich dem Widerstand gegen die deutsche Besatzung Polens an. Im September 1940 wurde er als Gefangener mit der Nummer 4427[1] ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und im April 1941 schwer krank entlassen. Jan Karski stellte ihm 1942 Zofia Kossak vor. Anschließend wurde er ein führender Aktivist im von Kossak gegründeten Żegota-Komitee, einem christlich-jüdischen Gemeinschaftsverband, der etwa 75.000 Juden rettete. 1944 nahm er am Warschauer Aufstand teil.

Nach Kriegsende schloss sich Bartoszewski der Polnischen Volkspartei (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL) an, der einzigen legalen Oppositionspartei[2] gegen die Vorherrschaft der damals stalinistisch ausgerichteten Kommunisten. Er arbeitete ab Anfang 1946 kurze Zeit als Journalist für die PSL-Parteizeitung Gazeta Ludowa, geriet aber ins Visier der polnischen Staatssicherheit und verbrachte von November 1946 bis April 1948 und von Dezember 1949 bis August 1954 insgesamt über sechs Jahre im Gefängnis.[3] 1955 wurde er rehabilitiert und konnte als Historiker und Publizist arbeiten.

Er studierte Polonistik, zwischen 1941 und 1944 an der Tajny Uniwersytet Warszawski, die im Untergrund arbeitete, und nach dem Krieg vor der Verhaftung und nach der Freilassung zwischen 1958 und 1962 an der Universität Warschau.[4]

Bartoszewski schrieb mehrere historische Werke, die sich mit der Reaktion der Polen auf den Holocaust auseinandersetzten.

Władysław Bartoszewski (rechts) mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1986)
Bartoszewski bei einer Buchpräsentation

1980 engagierte sich Bartoszewski in der Gewerkschaft Solidarność. Nach der Verhängung des Kriegsrechts wurde er 1981 erneut inhaftiert. Dank der Hilfe einer befreundeten Familie konnte er befreit werden. In den Folgejahren war Bartoszewski unter anderem Gastprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, KU Eichstätt und Universität Augsburg. Von 1990 bis 1995 war er polnischer Botschafter in Wien, ernannt von Präsident Lech Wałęsa. 1995 übernahm er in der Regierung von Józef Oleksy das Amt des Außenministers, trat jedoch zurück, als Aleksander Kwaśniewski zum Präsidenten gewählt wurde. Von Juni 2000 bis September 2001 war er erneut Außenminister Polens, diesmal in der Regierung von Jerzy Buzek.

2003 war Bartoszewski Schirmherr des XI. Forums der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft in Breslau, mit dem sich erstmals eine deutsche Literaturgesellschaft in Polen programmatisch vorstellte, um für die Idee eines Zentrum für verfolgte Künste zu werben, eine "zeitgemäße Form der Erinnerungsarbeit" so Wladyslaw Bartoszewski. Diese Form eines "Zentrums" hielt er für "politisch korrekt und notwendig". Er hatte sich angeboten, im Falle der Realisierung die Eröffnungsrede zu halten. Das Zentrum für verfolgte Künste existiert seit Anfang 2015 im Gebäude des Kunstmuseum Solingen.

Am 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, am 27. Januar 2005, hielt Bartoszewski während der dortigen Gedenkveranstaltung eine viel beachtete Rede.[5][6]

Im Parlamentswahlkampf 2007 nahm Bartoszewski Stellung für die oppositionelle Bürgerplattform PO. Während eines Wahlkampfauftrittes hielt er eine Rede, in der er der regierenden Partei PiS vorwarf, das Ansehen Polens in der Welt zu zerstören, zudem hielt er den von der Regierung eingesetzten Diplomaten vor, „Amateur-Diplomaten“ zu sein. Er betonte, er sei nun 85 Jahre alt und wolle in einem freien Polen sterben. Diese Rede wurde über die Grenzen Polens hinaus bekannt. Seit November 2007 war er Staatssekretär und außenpolitischer Berater des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Bartoszewski sollte sich besonders um die polnisch-deutschen und die polnisch-jüdischen Beziehungen bemühen. In dieser Funktion hat sich Bartoszewski sehr kritisch zu dem in Berlin geplanten Zentrum gegen Vertreibung geäußert. Man werde den Dialog mit den Deutschen über die Geschichte suchen, sagte Bartoszewski kurz nach seiner Ernennung.

Władysław Bartoszewski (2007)

Im Interview für Gazeta Wyborcza am 13. August 2009 sagte er am Schluss:

„Wenn mir jemand, vor 60 Jahren, als ich geduckt auf dem Appellplatz des KZ Auschwitz stand, gesagt hätte, dass ich Deutsche, Bürger eines demokratischen und befreundeten Landes als Freunde haben werde, hätte ich ihn für einen Narren gehalten.“

Seit 2009 war Bartoszewski zudem Schirmherr von GFPS Polska, dem polnischen Partnerverein der GFPS – Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa, die sich durch Austauschprogramme und weitere Veranstaltungen für die Verständigung zwischen Deutschland, Polen, Tschechien und Weißrussland einsetzt.[7] Auch war er Mitglied des internationalen Preiskomitees der Adalbert-Stiftung.[8]

Bartoszewski blieb trotz des hohen Alters aktiv. Noch am 19. April 2015 hielt er eine Rede anlässlich des 72. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Noch am Sterbetag verfasste Bartoszewski vormittags den Text seiner Ansprache anlässlich des deutsch-polnischen Regierungstreffens, nachmittags war er gestorben[9]. Er wurde am 4. Mai 2015 am Powązki-Militärfriedhof in Anwesenheit der Staatspräsidenten Joachim Gauck und Bronisław Komorowski bestattet.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bartoszewski veröffentlichte über 40 Bücher und 1200 Artikel in unterschiedlichen Sprachen. Gegenstand seiner Werke sind meist der Zweite Weltkrieg und der Holocaust; außerdem schrieb er häufig über die Beziehungen zwischen Polen, Juden und Deutschen. Die folgende Liste wurde auf erstes Erscheinungsdatum und Titel beschränkt, eine ausführliche Liste ist im polnischen Wikipedia-Eintrag enthalten.

Budapest 2013

Schriften – polnisch

  • 1962 Konspiracyjne Varsaviana poetyckie 1939–1944: zarys informacyjny
  • 1966 Organizacja małego sabotażu „Wawer“ w Warszawie (1940–1944)
  • 1967 Ten jest z Ojczyzny mojej. Polacy z pomocą Żydom 1939–1945 (mit Zofia Lewinówna)
  • 1967 Warszawski pierścień śmierci 1939–1944
  • 1970 Kronika wydarzeń w Warszawie 1939–1949 (mit Bogdan Brzeziński und Leszek Moczulski)
  • 1974 Ludność cywilna w Powstaniu Warszawskim. Prasa, druki ulotne i inne publikacje powstańcze I–III
  • 1974 1859 dni Warszawy (mit Aleksander Gieysztor)
  • 1979 Polskie Państwo Podziemne
  • 1983 Los Żydów Warszawy 1939–1943. W czterdziestą rocznicę powstania w getcie warszawskim
  • 1984 Jesień nadziei: warto być przyzwoitym
  • 1984 Dni walczącej stolicy. Kronika Powstania Warszawskiego
  • 1985 Metody i praktyki Bezpieki w pierwszym dziesięcioleciu PRL (unter Pseudonym Jan Kowalski)
  • 1986 Syndykat zbrodni (unter Pseudonym „ZZZ“)
  • 1987 Na drodze do niepodległości
  • 1988 Warto być przyzwoitym. Szkic do pamiętnika
  • 1990 Warto być przyzwoitym. Teksty osobiste i nieosobiste
  • 2001 Ponad podziałami. Wybrane przemówienia i wywiady – lipiec-grudzień 2000
  • 2001 Wspólna europejska odpowiedzialność. Wybrane przemówienia i wywiady, styczeń–lipiec 2001
  • 2005 Moja Jerozolima, mój Izrael. Władysław Bartoszewski w rozmowie z Joanną Szwedowską (mit Andrzej Paczkowski)
  • 2006 Władysław Bartoszewski: wywiad-rzeka (mit Michał Komar)
  • 2006 Dziennik z internowania. Jaworze 15. Dezember 1981–19. April 1982
  • 2010 O Niemcach i Polakach. Wspomnienia. Prognozy. Nadzieje (Über Deutsche und Polen. Erinnerungen. Prognosen. Hoffnungen), ISBN 978-83-08-04422-3

Schriften in deutscher Übersetzung

  • 1967 Die polnische Untergrundpresse in den Jahren 1939 bis 1945
  • 1969 Der Todesring um Warschau 1939–1944. Bearb.: Wanda Symonowicz u. Halina Zawadzka.
  • 1983 Das Warschauer Getto wie es wirklich war. Zeugenbericht eines Christen. Mit e. Einl. von Stanisław Lem u. Fotodokumenten
  • 1983 Herbst der Hoffnungen: es lohnt sich, anständig zu sein. Mit e. Nachw. hrsg. von Reinhold Lehmann
  • 1986 Aus der Geschichte lernen? Aufsätze und Reden zur Kriegs- und Nachkriegsgeschichte Polens. Vorwort von Stanisław Lem. Aus d. Poln. von Nina Kozlowski u. Jens Reuter.
  • 1987 Uns eint vergossenes Blut. Juden und Polen in der Zeit der Endlösung. Red., Bearb. u. Übers. von Nina Kozlowski (zuerst 1970)
  • 1990 Polen und Juden in der Zeit der „Endlösung“
  • 2000 Kein Frieden ohne Freiheit. Betrachtungen eines Zeitzeugen am Ende des Jahrhunderts. Mit einem Vorw. von Hans Koschnick. Aus dem Poln. übers. von Nina Kozlowski.
  • 2002 Die deutsch-polnischen Beziehungen – gestern, heute und morgen. Vorw. von Gerhard von Graevenitz.
  • 2005 Und reiß uns den Hass aus der Seele
  • 2015 Mein Auschwitz (Schöningh Verlag, ISBN 978-3506781192)[10]

Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)

Weblinks

 Commons: Władysław Bartoszewski – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. bbc.co.uk: Cash crisis threat to Auschwitz. 26. Januar 2009 (abgerufen am 21. Dezember 2009)
  2. Rafał Wnuk: Die „Kolumbus-Generation“. Überlegungen zu einer kollektiven Biographie. In: Die polnische Heimatarmee: Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg. Oldenbourg, München 2003, S. 783.
  3. Bernhard Vogel: Laudatio – Verleihung des Kaiser-Otto-Preises 2009 an Władysław Bartoszewski. Magdeburg, 7. Mai 2009.
  4. Władysław Bartoszewski. Europejska Akademia Dyplomacji. Abgerufen am 25. Februar 2014.
  5. haGalil onLine 28-01-2005
  6. Text der Rede von Bartoszewski, S. 156 f. (englisch)
  7. http://www.gfps.pl/?page_id=51
  8. Adalbert-Stiftung
  9. DER SPIEGEL 2. Mai 2015 S. 143
  10. FAZ.net / Hans-Jürgen Döscher: Rezension (2. Februar 2015)
  11. siehe http://www.wiko-berlin.de/index.php?id=213
  12. Text der Dankesrede von Bartoszewski und der Laudatio von Hans Maier (PDF-Datei; 227 kB)
  13. Władysław Bartoszewski: Beauftragter des polnischen Premierministers für internationale Fragen auf der Webpräsenz des Auswärtigen Amtes, gesehen am 17. April 2013.
  14. „Die polnisch-deutschen Beziehungen gehören zur Welt der Wunder“, Wladyslaw Bartoszewski im Gespräch mit Sabine Adler im Interview der Woche des Deutschlandfunks am 14. April 2013, gesehen am 17. April 2013.
  15. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF-Datei; 6,59 MB)
  16. Universität Augsburg: Ehrenbürger, -senatoren und -mitglieder der Universität Augsburg. Abgerufen am 22. Februar 2011.
  17. Offizielle Webseite des europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma
  18. Europäischer Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma für polnischen Staatssekretär Władisław Bartoszewski. Auswärtiges Amt, 17. Dezember 2008, abgerufen am 6. April 2011.
  19. Adam-Mickiewicz-Preis 2008.
  20. Intervention de François Fillon, lors de la remise des insignes de commandeur de la Légion d’honneur à Wladislaw Bartoszewski (ambassade de France à Varsovie)
  21. Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern: Sellering zeichnet Staatssekretär Władysław Bartoszewski aus. 18. Juli 2014, abgerufen am 18. Juli 2014.
  22. Verein Weimarer Dreieck e.V.

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